Entfesselung, Entzauberung fällt der ÖVP ein, nicht aber Verantwortung und Enthetzung

Es ist die Frage nicht leicht zu beantworten, weshalb die christschwarze Partei verliert und verliert und verliert, während sie doch mit den Wählern etwas verbindet, das die ÖVP Wahlen gewinnen lassen müßte – zugegeben, nicht mit allen Wählerinnen verbindet die ÖVP etwas, aber immerhin mit den dreißig Prozent der vor allem Wähler und Wählerinnen, die beispielsweise in Oberösterreich die FPÖ wählten, es verbindet sie die Verantwortungslosigkeit.

Auf der einen Seite also die Verantwortungslosigkeit der Wählerinnen und Wähler, die sehr genau wissen, was sie von einer FPÖ zu erwarten haben, nämlich nichts. Auf der anderen Seite also die Verantwortungslosigkeit der ÖVP, heute, am 18. Oktober 2015, von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in einem Interview eindrücklich bestätigt, wenn er sagt:

„Damit könnte ich jemand auch durchaus entzaubern und merken, daß der am Spielfeld der Politik auch nicht mehr einzubringen hat als alle anderen auch. Die Wunderwaffe FPÖ sehe ich in der Praxis, siehe Kärnten oder woanders, nämlich nicht.“

Reinhold Mitterlehner träumt von der EntzauberungEs wird doch breit gewußt, was die FPÖ allein einzubringen hat. Dennoch will der ÖVP ein Wort mit dieser Vorsilbe nicht einfallen, nämlich Enthetzung. Mit diesem Wort wäre allerdings auch sehr viel Arbeit verbunden. Enthetzung passiert nicht von allein. Aber es scheint auch für die ÖVP die Bequemlichkeit im Vordergrund zu stehen, und beispielsweise einfach nachzureden, anstatt etwas zu tun, was die FPÖ vorredet, wie erst vor kurzem Frau Schittenhelm im Parlament …

Wäre das alles nicht derart verantwortungslos, könnte gesagt werden, ach wie rührend, wieder einer aus der ÖVP, der die FPÖ „entzaubern“ möchte. Der „bedeutendste“ (Copyright Andreas Unterberger) Bundesschweiger hat es ja schon vor einem Jahrzehnt vorgemacht, wie durch Hereinholung der FPÖ in die Regierung die FPÖ „entzaubert“ werden kann. Die FPÖ hat sich derart „entzaubert“, die FPÖ hat also derart gezaubert, daß heute noch vor allem Behörden und politische Gremien damit beschäftigt sind, herauszufinden, wie sie gezaubert hat.

Reinhold Mitterlehner will also dafür, daß die FPÖ nach dem Zaubern in der Bundesregierung, das den danebenstehenden „bedeutendsten seit“ vor lauter Staunen nur das Verstummen blieb, daß die FPÖ nach dem Zaubern in Kärnten, jetzt auch in Oberösterreich zaubern wird können, und sich dabei ganz entfesselt von … geben wird, Reinhold Mitterlehner will also dafür, um einen politischen Konkurrenten „entzaubern“ zu können, das Wohl der Menschen in einem weiteren Bundesland …

Was zu dieser Verantwortungslosigkeit noch hinzukommt, ist die absolute Geringschätzung der Opposition, und diese teilt Reinhold Mitterlehner mit sehr vielen, zu vielen in diesem Land. Denn das Argument, eine Partei mit dreißig Prozent könne nicht weiter die Regierungsmitarbeit vorenthalten werden, ist nur dann ein Argument, wenn die Oppositionsarbeit für gering gehalten wird. Und eine Partei mit dreißig Prozent kann sehr gute Oppositionsarbeit leisten, eine Partei mit dreißig Prozent kann eine sehr starke Opposition sein. Gesinnungsgemäß freilich die FPÖ nicht, weil deren Begehren ist bloß das ihr eigentümliches Zaubern auf Regierungsebene, und dieses ihr Zaubern funktioniert in der Opposition eben nicht.

Die FPÖ ist nicht nur schon längst, vielleicht aber war Reinhold Mitterlehner in den letzten fünfzehn Jahren gar nicht in Österreich, also Ihnen, Herr Mitterlehner, besonders gewidmet: die FPÖ ist nicht nur als Regierungspartei längst schon „entzaubert“, sondern auch als „Oppositionspartei“, wird dabei allein daran gedacht, welche Anfragen diese Partei im österreichischen Parlament einbringt …

Ein weiteres Wort fällt der ÖVP auch nicht ein, aber das hätte etwas mit Einsicht zu tun, das Wort nämlich von der Entlernung oder von der Verlernung. Das trifft aber auch auf die SPÖ in vollem Umfange zu. Die Verlernung, Wahlen zu gewinnen. Seit dem ersten bundesweiten Hintreten von Jörg Haider, das war vor rund dreißig Jahren, haben ÖVP und SPÖ verlernt, Wahlen zu gewinnen. Es könnte auch gesagt werden, seit dreißig Jahren sind ÖVP und SPÖ lernresistent. Denn. Seit dreißig Jahren tritt die FPÖ hin, wie sie immergleich hintritt, dennoch haben SPÖ und ÖVP seit dreißig Jahren nichts … Seit dreißig Jahren finden es ÖVP und SPÖ nicht verantwortungsbewußt genug, endlich zu lernen, wie einer solchen platten Partei Paroli zu bieten ist. Das stellt aber auch vor allem den Wählern und den Wählerinnen in Österreich auch kein gutes Zeugnis aus. Denn seit dreißig Jahren wollen sie ebenfalls nichts lernen, wollen sie nur weiter auf das hereinfallen, auf das sie seit dreißig Jahren immergleich hereinfallen.

NS Wird der erste Zauber der FPÖ in Oberösterreich in einer Koalition mit der ÖVP der Zauber der Montur sein? Wird das Militärfahrzeug nun nach dem Einsatz im Wahlkampf zu einem Regierungsfahrzeug werden, in dem ein Landeshauptmann Josef Pühringer sich ebenso freuend auf den Beifahrplatz mit Reinhold Mitterlehner auf dem Rücksitz setzen wird, wie seinerzeit der Bundesschweiger im recht schnittigen Auto des seinerzeitigen Oberzauberers?

NNS Als Michael Spindelegger das Wort „Entfesselung“ einfiel, war es um ihn bereits politisch geschehen …