Es ist nicht der Inhalt, der dazu raten läßt, jedes Interview von Peter Handke zu lesen, es ist nicht der Inhalt, der dazu raten läßt, kein Interview von Peter Handke im Fernsehen zu verpassen, es ist seine Art zu sprechen, er könnte in seinen Interviews auf die Fragen als Telefonbuch antworten, und es machte ergriffen, es brächte Ruhe und Frieden, es verlöre nichts an seiner bezaubernden Ausstrahlung. Und jedes Mal, wenn ein Interview mit Peter Handke zu Ende ist, mischt sich in die Trauer darüber, daß das Interview schon zu Ende ist, die Freude, doch bald wieder ein Interview mit Peter Handke lesen, sehen, im Radio hören zu dürfen, es ist der Trauer eingeschriebene Trost, die Trauer verscheuchende Hoffnung, doch bald wieder ein Interview mit Peter Handke zu lesen, im Fernsehen zu sehen, im Radio zu hören.
Und nun, nachdem das Interview in der Tageszeitung „Neue Zürcher Zeitung“ in der Ausgabe vom 8. April 2025 zu Ende gelesen ist, wieder Trauer und Freude und Hoffnung, und ein Gedanke, die Vorstellung, was wäre, wenn die Menschen in den Kneipen nicht mehr „ich bin sicher“ zu ihrem Hervorgebrachten sagten, sie müßten nicht wie Peter Handke in Haß gegen sich selbst ausbrechen, bloß darauf verzichten, „ich bin sicher“ zu sagen, stattdessen immer ein schlichtes Ich-bin-nicht-sicher voranstellen, es führte zwar zu keinem „ewigen Frieden“, den Peter Handke in einem seiner Telefonbuchselbstzitate für „möglich“ hält, aber ein Ich-bin-nicht-sicher zu allem Gesagten vorangestellt von jenen, die in „Kneipen“ hocken, mögen sich diese
oder wie auch immer nennen mögen, wäre friedensförderlich. Wie positiv könnte ein Ich-bin-mir-nicht-sicher ihr Handeln und das Handeln von allen beeinflußen, der „Weltzerstörung“ für eine Ewigkeit und drei Tage Einhalt gebieten.
Für mich ist die Welt etwas anderes. Ich lebe für eine andere Welt. Keine utopische, aber für die Welt, die da ist. Die topische Welt, die vorhandene Welt. Was die Politik heute macht, ist eine antitopische Welt. Eine Art der Weltzerstörung. Und das gilt nicht nur für die Russen. Ich bin sicher, dass in Europa – man darf ja nicht darüber reden – ein Frieden möglich gewesen wäre, lange vor dem Krieg wäre eine Einigung in der Ukraine möglich gewesen. Ich hasse mich selber dafür, wenn ich sage «ich bin sicher», aber ich bin sicher, dass die Europäer Selenski zum Krieg ermuntert haben: «Mach nur, mach nur. Wir unterstützen dich.» Und wofür? Selenski opfert sein Volk, die haben alle genug. Es ist ein furchtbares Leid, das Volk leidet. Die Nationen können mir gestohlen bleiben. Ich hasse Nationen. Die Vereinten Nationen soll man abschaffen. Die haben nichts mehr zu sagen. Im Wort «Nation» ist keine Erotik mehr drin, nur noch Gewalt. Wenn Liechtenstein sagen würde: «Wir sind eine Nation», dann wäre ich sofort dafür. Oder Graubünden. Entschuldigen Sie, jetzt bin ich etwas melancholisch.
Es ist nicht der Inhalt, der lockt, die Interviews von Peter Handke zu hören, zu lesen, ihm zuzusehen, es ist, wie er das Telefonbuch vorträgt,
aus dem Telefonbuch Nummern heraussucht und wählt, etwa die „man darf ja nicht darüber reden“, eine der Nummern, die heutzutage von so vielen gewählt werden,
und all die anderen Nummern, die Peter Handke nun auch wählt, von so vielen gewählt werden, und bei jeder dieser Nummern behaupten, es gäbe keinen Anschluß unter dieser Nummer,
während es tatsächlich zu jeder dieser Nummern zu viele Anschlüsse …

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