Die Haltung der Schreibenden beim Morden

Wenn wer den Nobelpreis für Literatur bekommt, ist es an der Zeit zu fragen, was wird vom Werk bleiben.

Im Falle von Peter Handke geht die Antwort leicht von der Hand.

Was von Peter Handke bleiben wird, sind seine Übersetzungen von Emmanuel Bove.

Emmanuel Bove hat den Nobelpreis für Literatur nicht bekommen. So wie viele der Besten auch. Damit ist nicht gesagt, daß den Nobelpreis für Literatur nur die Schlechtesten erhalten.

Es sind die Besten, die den Nobelpreis für Literatur bekommen, es sind die Schlechtesten, die den Nobelpreis für Literatur bekommen.

Und es ist nicht immer das Werk ausschlaggebend für die Zuerkennung des Nobelpreises für Literatur.

Zu oft legt das Nobelpreiskomitee außerliterarische Kriterien an, sowohl bei der Zuerkennung als auch bei der Nichtzuerkennung des Nobelpreises für Literatur. Und gerade bei der Nichtzuerkennung des Nobelpreises für Literatur an die Besten ist das Nobelpreiskomitee Sklave seiner moralischen Zugerichtetheit, schlägt es das Werk der Besten zu, als müßte es wie Gift fest verschlossen werden, als müßte es, das Komitee als Sittenwächter, seinen Teil durch Nichtzuerkennung dazu beitragen, daß Werke der Besten ja nicht größere Verbreitung finden, ja nicht mehr gelesen werden.

Es ist das Werk, das für die Zuerkennung des Nobelpreises für Literatur zählt. Es ist nicht das Werk, das für die Zuerkennung des Nobelpreises für Literatur zählt.

Was von Peter Handke bleiben wird, sind seine Übersetzungen von Emmanuel Bove. In erster Linie vielleicht gar nicht seine Übersetzungen, sondern vor allem sein Beitrag, Emmanuel Bove auch im deutschsprachigen Raum bekanntgemacht zu haben.

Es erzählt möglicherweise einiges über Peter Handke, welches Buch er von Emmanuel Bove nicht übersetzt hat, nämlich „Die Falle“, in der es um Kollaboration geht.

Wie unterschiedlich doch die Lebenswege von Emmanuel Bove und Peter Handke sind.

Während Emmanuel Bove das Exil in Algier wählt, sich weigert, seine Bücher im vom deutschen reich besetzten Frankreich erscheinen zu lassen, im Widerstand sich schreibend engagiert, erst in ein vom deutschen reich befreites Frankreich wieder zurückkehrt, sucht Peter Handke die Nähe der Nationalismus bedienenden Mörder, bricht zur winterlichen Reise zur Lyrik eines Kriegsverbrechers auf, engagiert sich schreibend im Fürstand, unternimmt Peter Handke den Versuch des poetischen Wegschreibens der Wirklichkeit der Massenmorde, spricht sich der „bekennende Nichtwähler im Vorfeld der serbischen Präsidentenwahlen für die Wahl des ultranationalistischen Politikers“ aus …

„Peter Handke erhält den Literaturnobelpreis 2019 ‚für ein einflussreiches Werk, das mit sprachlicher Genialität die Peripherie und die Spezifität der menschlichen Erfahrung erforscht‘, wie es in der offiziellen Begründung heißt.“

Als hätte das Nobelpreiskomitee beim Abfassen der Begründung an Emmanuel Bove gedacht …

„Und dieser (deutsche Übersetzung: ‚Meine Freunde‘, 1981) gilt für viele ‚Bovianer‘ – so nennt sich die Internationale seiner Anhänger – heute noch als Maß aller Dinge, gleichsam als Synonym für eine Schreibweise, bei der ein spezifischer Blick auf die Welt eine andere Wahrnehmung impliziert. In ihm wird das Marginale hervorgehoben, die kleinsten Details bekommen ein Mehr an Bedeutung, so als würden sie endlich ihres trostlosen Mauerblümchendaseins enthoben. Rilke lobte früh, aber Samuel Beckett war es, dessen Äußerung immer wieder zitiert wird: ‚Wie kein anderer hat Bove das Gespür für das berührende Detail.'“ 

„Meine Freunde“ hat Peter Handke übersetzt.

Wie unterschiedlich doch die Lebenswege von Emmanuel Bove und Peter Handke sind … Während Peter Handke es sich immer leisten konnte, in seiner Poesieheimat Serbien bei Paris zu leben, mußte Emmanuel Bove sogar für eine kurze Zeit in der Nähe von Wien sich durchbringen – in Tulln!

Es fällt sogleich ein weiterer Schriftsteller aus Frankreich ein, der den Nobelpreis für Literatur ebenfalls nicht bekam, um die Liste von Arno Schmidt fortzusetzen, auf der auch Rilke …