Theater wirkt nicht einmal im (Volks-)Theater

Ein Billeteur sieht, wie ein, so die landläufige Rede, doch sauber und ordentlich gekleideter junger Mann das Theater betreten will, und stürmt in der Sekunde los, der junge Mann hat das Theater noch nicht einmal  betreten, ist erst zwischen Tür und Angel, und schon stürmt der Billeteur sofort gegen den jungen Mann, um ihn aus dem Theater zu werfen, als wäre das Volkstheater in höchster Gefahr, von einer fremden Macht gestürmt zu werden, die dieser junge Mann, den wohl viele in dieser Stadt als einen ausländischen Mann beschreiben würden, für den Billeteur verkörpert, und nur das sofortige laute Rufen der zwei den jungen Mann begleitenden Menschen, er habe eine Karte, und nur das sofortige Zeigen der Karte, nur die sofort mit ausgestreckter Hand dem Billeteur entgegengehaltene Eintrittskarte unter fortwährendem Rufen, er habe eine Karte, er hat eine Eintrittskarte, verhindert, daß der Billeteur mit seinen bereits zum Prellbock in Stellung gebrachten Armen den jungen Mann, der immer noch auf der Türschwelle, erstarrt von den Schreien – Hinaus! Hinaus! – des Billeteurs, nicht brutal auf die Straße wirft …

Was den Billeteur veranlaßte, derart zu reagieren, das Theater auf diese Weise verteidigen zu wollen? Was empfand der Billeteur als eine solche Bedrohung durch diesen jungen Mann? Der junge Mann hatte ein paar Exemplare von einer Straßenzeitung bei sich, nicht aber zum Verkauf hergerichtet und also griffbereit zum Anpreisen, sondern in einer durchsichtigen Tasche verstaut, und das reichte dem Billeteur bereits, kaum daß er die eingepackten Exemplare sah, augenblicklich sich als Verteidigungsheer in Stellung zu bringen, zu allem bereit, den jungen Mann mit der Straßenzeitung also über die Stufen hinunterzustoßen, auf die Straße zurückzuwerfen, die Festung zu verteidigen …

Theater wirkt nicht einmal im Volks-TheaterEs wäre diese Begebenheit nicht wert zu erzählen zu gewesen, aber just an diesem Abend wurde im Volkstheater „Der Marienthaler Dachs“ gegeben, und das Theater wird wohl mächtig stolz darauf sein und es sich hoch anrechnen, daß in diesem Stück wirkliche Arbeitslose mitspielen, also nicht Schauspielerinnen und Schauspieler bloß Arbeitslose mimen …

Der Billeteur aber hat mit seinem Verhalten gezeigt, Wirkung von Theater wird bloß gemimt, auch im Volkstheater, da es nicht einmal beim eigenen Personal wirkt …

PS Der junge Mann durfte dann dem Stück doch beiwohnen, nachdem der Billeteur sich großzügig überzeugen ließ, daß er, der junge Mann, wirklich eine Eintrittskarte hat und tatsächlich nur das Stück, in dem wirkliche Arbeitslose einen Chor spielen dürfen, sehen und das Theater also nicht zum Verkauf des Magazins, das für vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Menschen eine Verdienstmöglichkeit darstellt, aufsuchen will.