Goethe braucht es nicht mehr zu kümmern, ob er von der identitären Gemein-Schaft mißbraucht wird oder nicht. Aber ihr ist zu verleiden, daß sie sich auf Goethe berufen kann, als wäre er ihr Gesinnungsgenosse, mit ihr im Einklang, ihr Ahnherr, ihr Schirmherr, ihr Hofer, ihr Kickl …
Daß auch He.-Chr. Strache das Gesetzeszitat mißbräuchlich verwendet, muß nicht noch einmal ausgeführt werden. Das kann hier nachgelesen werden, auf welche Weise das passiert: Mißbrauch durch Volkswilli …
Aber darum geht es diesmal nicht. Es geht um die Bildung. Im April 1831 schreibt Johann Wolfgang Goethe über „Epochen der geselligen Bildung“. Würde Goethe – der Glückliche, diese Kreise nicht mehr kennen zu müssen – die „engen Kreise“ der identitären Gemein-Schaft kennen, er müßte für sie keine neue Beschreibung ersinnen, er verwiese wohl einfach den ersten Paragraphen. Vielleicht merkte er noch an, in einem belanglosen Gespräch, über die erste Stufe sei sie immer noch nicht hinausgekommen. Vielleicht würde er diese ihre Zeit nicht mehr „die idyllische“ nennen, weil er wüßte aus mannigfachen Berichten, idyllisch geht es in der „rohen Masse“ nicht zu, auch wenn sie es selbst idylisch empfinden mag, wenn es am Sonntag in der Tracht hinausgeht zum Kirchlein am Bergelein …
Und um noch etwas geht es heute. Um die kleine lateinische Phrase, die Goethe an das Ende seiner „Epochen der geselligen Bildung“ setzt: Mit Vorbehalt eines besseren oder anderen Urteils. Das wäre eine Lehre, die die identitäre Gemein-Schaft von Goethe annehmen sollte. Sogar der von ihr wohl als groß gedachte Goethe war bereit, eine Belehrung gerne anzunehmen. Aber das ist von der identitären Gemein-Schaft nicht zu erwarten, nicht zu erhoffen. Im Gegenteil, sie nimmt sich, was sie nur irgendwie mißbrauchen kann, vor allem die Stimmen der Wähler und Wählerinnen.
„Epochen der geselligen Bildung
I
die idyllische.
II
Die engen Kreise vermehren sich und dehnen sich zugleich weiter aus, die innere Zirkulation wird lebhafter, den fremden Sprachen verweigert man die Einwirkung nicht, die Kreise bleiben abgesondert, aber nähern sich und lassen einander gewähren. Ich würde diese Epoche nennen
die soziale oder zivische.
III
Endlich vermehren sich die Kreise und dehnen sich von innen immer mehr aus, dergestalt, daß sie sich berühren und ein Verschmelzen vorbereiten. Sie begreifen, daß ihre Wünsche, ihre Absichten dieselben sind, aber sie können die Scheidegrenzen nicht auflösen. Sie mag einstweilen heißen
die allgemeinere.
IV
Daß sie aber universell werde, dazu gehört Glück und Gunst, deren wir uns gegenwärtig rühmen können. Denn da wir jene Epochen seit vielen Jahren treulich durchgefördert, so gehört ein höherer Einfluß dazu, das zu bewirken, was wir heute erleben: die Vereinigung aller gebildeten Kreise, die sich sonst nur berührten, die Anerkennung eines Zwecks, die Überzeugung, wie notwendig es sei, sich von den Zuständen des augenblicklichen Weltlaufs im realen und idealen Sinne zu unterrichten. Alle fremde Literaturen setzen sich mit der einheimischen ins gleiche, und wir bleiben im Weltumlaufe nicht zurück. Diese Darstellung möchte wohl den herzlichsten Dank und die redlichste Panegyrik den hohen Begünstigenden aussprechen.
salvo meliori“