orf zeit.geschichte: Bildungsquiz der besonderen Art

Es soll, heißt es, stets mit einer positiven Meldung begonnen werden. Das Positive: ORF III hat gestern, am 21. November 2015, nicht den Film ausgestrahlt: „Südtirol – Überlebenskampf zwischen Faschismus und Option“ von Birgit Mosser-Schuöcker, einen Film, der 2009 u.a. die Kritik von „15 Historikern“  auf sich zog:

„Bei der Vorstellung des Dokumentarfilms von Birgit Mosser-Schuöcker durch die Silvius-Magnago-Akademie am 24. Juni hatte die Historikerin Martha Verdorfer sich zu Wort gemeldet und auf die Einseitigkeit des Films hingewiesen. Dabei hat sie nach Augenzeugenberichten mit ihren Aussagen auch die Zustimmung der im Saal anwesenden Martha Flies Ebner gefunden, Nichte von Kanonikus Gamper, Witwe von Toni Ebner und Mutter der Ebner-Brüder Michl und Toni jun., die die Geschicke der Athesia, bzw. der Dolomiten lenken. Martha Ebners persönlicher Erfahrungshintergrund und das liebevoll hochgeschriebene Bild von Kanonikus Gamper dürften dafür gesorgt haben, dass nun auch die ‚Dolomiten‘ die Kritik am Film aufgreift, wie dies bereits die ‚FF-Südtiroler Wochenmagazin‘ in ihrer aktuellen Nummer getan hatte, in der der Meraner Historiker Leopold Steurer den Optionsfilm verreißt.“

Birgit Mosser-Schuöcker - Film strotzt vor EinseitigkeitenIn der Collage kann das vollständig nachgelesen werden, auch die zehn Kritikpunkte der Historiker und Historikerinnen an dieser Arbeit von Birgit Mosser-Schuöcker.

Es wurde, und das gehört nicht mehr zum Beginn, gestern ein anderer Film von Birgit Mosser-Schuöcker gezeigt: „Die Feuernacht“. Wie in der zweiten Collage gesehen werden kann, gibt es von diesem Film zwei nicht ganz idente Versionen. Die eine Version für die RAI mit „Südtirol“ in Frakturschrift sagt aber im Grunde bereits alles aus. Wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Versionen: in der RAI-Version nimmt die Beschreibung Italiens als Folterstaat einen breiteren Raum ein, ausgebreitete Beschreibungen der Foltermethoden, besonders im Genitalbereich … Es kann wohl auch über diesen Film das gesagt werden, was über den oben angesprochenen Film geschrieben wurde: „Der Film strotzt vor Einseitigkeiten.“ Birgit Mosser-Schuöcker singt das Hohelied auf „Freiheitskämpfer und Freiheitskämpferinnen“… Drehte die FPÖ heute einen Film über ihre südtirolerischen „Helden“, er könnte wohl kaum viel anders ausfallen. Vielleicht bekäme in einem von der FPÖ gedrehten Film ein Norbert Burger, war dieser doch über seine Tochter mit dem zurzeitigen Oberpolitkiebitz der FPÖ für eine Zeit in beinahe einer Art familiärer Beziehung recht gut, eine tragende Rolle … Aber in dem Film von Birgit Mosser-Schuöcker hätten mit den Mannen eines Norbert Burger das Hohelied auf die BAS nicht angestimmt werden können … Norbert Burger, wie in der Collage ebenfalls gelesen werden kann: „einer der Führer“ der „Südtiroler Terror-Organisation BAS“ und in Italien zu 28 Jahren und vier Monaten verurteilt …

„Die zeitgeschichtliche Forschung brachte das Gegenteil zutage: ›Autonomie nicht wegen, sondern trotz der Bomben der Sechziger‹, lautet der Tenor der Historiker. Für die ehemaligen Terroristen sind diese Forschungsergebnisse Unfug. Sie stützen sich lieber auf den im Vorjahr verstorbenen Südtiroler Langzeit-Landeshauptmann Silvius Magnago, der anerkennend zu den Bombenlegern gemeint haben soll: ›Ohne euch wäre das alles nicht möglich g’wesen.‹ Auch die Mollings zitieren diesen Satz.“

Das konnte 2011 beispielsweise in der „Zeit“ unter dem Titel „Bomben im Kofferraum“ gelesen werden … Die anerkennende Auslegung ist dem Film von Birgit Mosser-Schuöcker eine zentrale …

Birgit Mosser-Schuöcker - Krimi als GeschichteBirgit Mosser-Schuöcker veröffentlichte 2011 einen „Thriller“ mit dem Titel „Zwang“ und unweigerlich drängt sich die Frage auf, ob ihr „Feuernacht“-Film nicht als eine Arbeit der Zeitgeschichte gesehen werden darf, sondern viel mehr als eine Vorarbeit zu ihren Krimi, und es muß eingestanden werden, daß die Leseprobe von „Zwang“ vollkommen ausreicht, um sagen zu können, auch mit dieser Arbeit hat sie nichts vorgelegt, über das groß zu reden wäre. Was über „Zwang“ gesagt werden kann, ist, das muß ein Krimi sein, der nur Leserinnen und Lesern aus der FPÖ gefallen kann, enthält dieser doch alles, was eine FPÖ … Und noch etwas kann gesagt werden, es scheint bereits Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu geben, die sich für ihre Zukunft recht viel erhoffen, wenn sie ihre Werke nach der Propaganda der FPÖ schreiben. Erst vor kurzem wurde hier über ein FPÖ-Plakat in Romanlänge geschrieben …

Eine Stelle aus „Zwang“ – herausgebracht im Verlag „Federfrei“ … Kopffrei vielleicht treffender – muß doch zitiert werden, denn diese zeigt, daß Birgit Mosser-Schuöcker noch vieles werden kann, auch eine neue Jesus, denn es ist wahrlich ein Wunder: „Geburtenrückgang“ durch „Adoption“, wenn das keine wundersame Vermehrung …

Birgit Mosser-Schuöcker - Andrew Hofer Zwang»Sir, was würden Sie, als leitender Vertreter der Justiz, als größten Meilenstein der neuen Vereinheitlichungswelle bezeichnen?«, begann Cameron das Interview. »Neue Vereinheitlichungswelle? Wie kommen Sie darauf?« »Nun,  in  seiner  heutigen  Pressekonferenz  hat  Kommissar  Bamarshenko  betont,  dass  auf  unterschiedliche  Rechtstraditionen der ehemaligen Nationalstaaten endgültig keine Rücksicht mehr genommen werden könne. Wenn ich mich nicht irre, hat er das hübsche Wort ›ausmerzen‹ verwendet. Nachdem ja schon sehr viele Rechtsbereiche vereinheitlicht wurden, kann das doch nur heißen, dass jetzt keinerlei Unterschiede mehr geduldet werden? Auch in solch persönlichen Dingen wie der Ehe.« »Die Verfassung  der  Europäischen  Republik  sieht  ein  einheitliches Rechtssystem für das gesamte Territorium vor. Damit sollen allen Bürgern die gleichen Chancen geboten werden.« Meine Worte klangen hohl. »Die  einheitliche  Chance auf ein zwangsweise zugewiesenes Adoptivkind?«  Camerons  Stimme  triefte  vor  Sarkasmus.  Daher wehte also der Wind. »Wenn ein Ehepaar seiner Verpflichtung, mindestens zwei Kinder hervorzubringen, nicht nachkommen will oder kann, wird  dem  Paar  vom  Europäischen Adoptionszentrum  ein  Kind zugewiesen.  Das  ist  richtig.  Diese  Maßnahme  wurde  per Erlass des Rates der Kommissare vor fünf Jahren eingeführt, um dem dramatischen Geburtenrückgang entgegenzuwirken.« »Auf  diese  Idee  wäre  sogar  Hitler  stolz  gewesen.  Der  Staat braucht nur ein bisschen nachzuhelfen, und schon sind genug zukünftige Untertanen vorhanden. So einfach ist das.« »Hören Sie, auf dieser Ebene diskutiere ich nicht mit Ihnen. Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig …« »Mir?« Cameron war stehen geblieben. Im Licht einer Straßenlaterne konnte ich seine Augen sehen. Sie waren eisig. »Es geht nicht um  mich. Aber  vielleicht  müssen  Sie Ihrem Sohn einmal  erklären, warum er ein Kind aus der Türkei oder Finnland adoptieren muss, nur weil seine Frau nicht schnell genug schwanger wird.

Unmittelbar vor den Krimivorarbeiten von Birgit Mosser-Schuöcker strahlte ORF III einen Film über „Kanonikus Gamper“ aus, und das ist das Ärgerliche an der ORF-Programmierung, nicht zu wissen, ob nicht auch dieser Film einer kritischen Analyse unterzogen werden muß, ob es sich also dabei nicht auch um ein „liebevoll hochgeschriebenes Bild“ des „Südtiroler auf dem Todesmarsch“-Gamper …

Möglicherweise aber erfüllt der ORF auf eine besonders kluge und raffinierte Weise seinen sogenannten Bildungsauftrag, indem Zuseherinnen und Zuseher beispielsweise seine Zeitgeschichte-Sendungen selbst auf Richtigkeit, Ausgewogenheit überprüfen müssen, also seine Zeitgeschichte-Sendungen eine Art von Bildungsquiz sind, wobei allerdings die beantwortenden Fragen verschwiegen werden: Was wurde diesmal tendenziös berichtet? Was wurde diesmal verschwiegen? Welcher Einseitigkeit wurde diesmal der Vorzug gegeben? Welche Partei kann diesmal mit der Darstellung von Zeitgeschichte recht zufrieden sein?

Beseelt von diesem besonderen Bildungsauftrag ist auch Birgit Mosser-Schuöcker, die ihren „Zwang“ beginnen läßt mit einem 1. September um 5.45 Uhr – wahrlich ein Krimi der gehobenen … was für eine Anspielung, wie elegant das „Zurückschießen“, neunzig Jahre in eine Datums- und Zeitangabe wahr untergebracht …

NS In den Krimivorabeiten von Birgit Mosser-Schuöcker wurde u.a. Personen angesprochen und interviewt, die hier zum Teil ebenfalls schon im Zusammenhang mit der FPÖ vorkamen, allerdings ein Hohelied konnte nicht angestimmt werden:

Politischer Kampf und Gesinnungsleben für die „Braunen“ von Südtirol

Code Südtirol – Klotz

Dr. Martin Graf reist nach Südtirol

Letzte Ehre für einen „Alpen-Taliban“

Südtirol-Expertise von Professor Schachtschneider

„Gehört Südtirol zu Italien oder zu Deutschland“

NR Werner Neubauer