Es muß nicht konkret davon erzählt werden, wie im 21. Jahrhundert mit Menschen auf der Flucht umgegangen wird, von der verbalen Niedertracht, von dem niveaulosen und widerwärtigen Umgang, also von den schon errichteten und weiter geplanten zu errichtenden Zäunen, von Tränengas und Schlagstocken gegen Menschen auf der Flucht, die nach Europa kommen, Asyl benötigen.
Und weil das in Österreich geschrieben wird, kann die derzeitige Sicherheitsministerin und der derzeitige Außeninte genannt werden, stellvertretend nicht nur für viele Politiker und Politikerinnen, für Medienmenschen, für nicht wenige der sogenannten Bevölkerung in Österreich, sondern in Europa, in der Europäischen Union, die alle zusammen nicht einmal auf dem Niveau des 8. Jahrhunderts sich befinden.
Ein paar Zeilen aus „Der Hunger“ von Martín Caparrós machen ihre Niveaulosigkeit, ihre Einfalt, ihr Barbarentum, ihre Einfallslosigkeit und so weiter und so fort schmerzlich deutlich:
»Im 8. Jahrhundert sind Tausende von Flüchtlingen aus dem persischen Reich vor die Tore Bombays gezogen und haben den König von Maharshtra um Asyl gebeten; der König schickte ihnen ans Antwort eine randvolle Schale Milch: Das war seine Art, ihnen mitzuteilen, dass er ihnen zwar gerne helfen würde, aber dass sein Reich nun mal voll sei. Der Anführer der Parsen gab Zucker in die Schale und sandte sie zurück: Das war seine Art, dem König mitzuteilen, sie würden sein Reich nicht weiter füllen, sondern nur Gutes oder mehr Würze bringen. Es scheint, als wäre die List der Parsen hier die Lösung: dem Vollen noch etwas hinzufügen. Der Zug setzte seine Fahrt fort.«
Wie vornehm es doch zuging im 8. Jahrhundert. Auf beiden Seiten. Wenn es damals das Lied „We are the Champions“ bereits gegeben hätte, Asylgebende und Asylsuchende hätten alle Berechtigung gehabt, es zu singen. Heute ist dieses Lied so etwas wie ein weltweite Hymne für viele Gelegenheiten, die es aber vielleicht nie gegeben hätte, wäre im acht Jahrhundert es so zugegangen wie im 21. Jahrhundert …
Für jene unter Ihnen, die das hier lesen und meinen aus dem Wort „List“ herauslesen zu können, es wäre dann den Menschen in Indien durch Parsen Leid und Schmerz zugefügt worden und Elend ausgebrochen, muß gesagt werden, es ist bloß ein nicht ganz glücklich gewähltes Wort, passender wäre es vielleicht von einer angemessen niveauvollen Antwort der Parsinnen zu sprechen.
Es will auch nicht konkret von den Fluchtgründen erzählt werden – nur so viel, die Gründe der Flucht und Asylsuche im 8. Jahrhundert sind die, die im 21. Jahrhundert die Schlagzeilen der Medien beherrschen – immer noch … und das stellt der Menschheit insgesamt ein vernichtendes Zeugnis aus.