Rudolf Langthaler muß beim 21. Jahrhundert vorbei, nicht genug, auch beim 20. Jahrhundert muß Rudolf Langthaler schnell vorbei, um nach einer langen langen Tunnelfahrt ohne die geringste Beachtung der zahlreichen Hinweisschilder zu den Abfahrten in diese zwei Jahrhunderte endlich im 19. Jahrhundert und im 18. Jahrhundert anzukommen, in denen er die Zitate vermeint zu finden, mit denen es ihm möglich sein wird, einen Artikel mit der Überschrift „Die Religionsverächter“ zu schreiben … Und dann schreibt Rudolf Langthaler diesen Artikel. Aber was für einen Artikel! Einen Artikel, dessen Schlagzeile einer Ergänzung würdig ist:
Die Religionsverächter – Eine Themaverfehlung
Dieser langthalerische Artikel ist ein Beitrag in der aktuellen Debatte um das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien, das ab heute unterschrieben werden kann, und eben als Beitrag zu diesem Volksbegehren ein verfehlter … Denn es geht bei diesem Volksbegehren nicht um Theorie, nicht um Aufklärung, es geht um die Praxis, es geht um die vielen besonderen Erwähnungen der sogenannten anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften in österreichischen Gesetzen, es geht um die vielen den Organisierten Glauben eingeräumten gesetzlichen Sonderstellungen … Möglicherweise wäre ein Volksbegehren in bezug auf diese gesetzlichen Sonderstellungen gar nicht notwendig und es reichte aus, alle diese gesetzlichen Sonderstellungen dem österreichischen Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorzulegen … Wie viele von den gesetzlichen Sonderstellungen würden vor dem Verfassungsgerichtshof bestehen können? Aber dieses Volksbegehren geht noch über diese gesetzlichen Sonderstellungen hinaus, die ebenfalls nichts mit Aufklärung, mit Theorie zu tun haben, sondern mit Praxis, beispielsweise auch mit verbrecherischen Praktiken, mögen von diesen auch viele unter die gesetzliche Verjährung fallen …
Mit diesem Absatz ist der langthalerische Beitrag zur aktuellen Debatte um das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien vollständig als das erklärt, was er ist, eine Themaverfehlung.
Aber Rudolf Langthaler hat mit seiner Themaverfehlung dermaßen für Heiterkeit gesorgt, daß er sich ein Leckerli verdient hat …
Die Heiterkeit bei dieser Themaverfehlung setzt bereits mit dem ersten Absatz ein, in dem Rudolf Langthaler davon schreibt, daß Mangel an Bildung für verschiedene Formen des Aberglaubens … Was für ein Mangel an Bildung muß geherrscht haben, an den Höfen, in der päpstlichen Kurie, unter den Kardinälen und Päpsten, die sich beispielsweise astrologisch …
Noch erheiternder sind die vielen vielen Zitate, die Rudolf Langthaler in seinen Schaukasten der Bildung legt, um was mit diesen belegen zu können, um was mit diesen beweisen zu wollen … Nur eines, Zitate sind wie Statistiken, denen nur vertrauen kann, wer sie selbst erstellt hat –, im Falle von Zitaten muß, um genau zu sein, geschrieben werden, zu jedem Zitat läßt sich ein gegensätzliches Zitat finden, zu jedem Zitat einer bestimmten Person läßt sich ein anderes Zitat sogar von ebendieser Person finden … Die Frage nach der Bonität des Zitatenzusammenstellers ist nicht nur dadurch beantwortet, daß er bis ins 18. und ins 19. Jahrhundert muß, um Zitate zu finden, von denen er meint, sie dienen seinem Zweck am besten, sondern die von Rudolf Langthaler Zitierten beantworten selbst zusätzlich die Frage nach der Kreditwürdigkeit von Rudolf Langthaler endgültig, und sie stellen damit den „Religionsverächtern“ und den Religionsverächterinnen kein schlechtes Zeugnis aus …
Die Forderung und die Praxis von Organisierten Glauben ist nach wie vor der unbedingte Gehorsam … Es ist bereits Jahrzehnte her, daß sich einer auf Immanuel Kant berief, es war Adolf Eichmann, der aber hier nur aus einem Grund erwähnt wird, weil er die Bedenken von Miguel de Unamuno gegen Kant nachträglich bestätigte, der bereits 1916 schrieb:
War es denn nicht Kant, der mit dem ewigen Frieden, der da sagte, wenn die Menschheit als Ganzes im Begriffe wäre unterzugehen und es gäbe einen vom Gericht zum Tode Verurteilten, so müßte man ihn noch vor dem allgemeinen Untergang hinrichten? Ja, so sprach der gestrenge Mann, der kein Mitleid kannte. Und dann gab es Schüler von ihm, die sogar vom Recht auf Strafe sprachen.
Einem Religionsverächter oder einer Religionsverächterin könnte bei den von Rudolf Langthaler Genannten einfallen, hinkünftig genau von diesen Zitate anzuführen, etwa von Georg Christoph Lichtenberg:
Daß ich etwas, ehe ich es glaube, erst durch meine Vernunft laufen lasse, ist mir nicht ein Haar wunderbarer, als daß ich erst etwas im Vorhof meiner Kehle kaue, ehe ich es hinunterschlucke. Es ist sonderbar, so etwas zu sagen, und für unsere Zeiten zu hell, aber ich fürchte, es ist für zweihundert Jahre von hier ab gerechnet zu dunkel.
Ist es nicht sonderbar, daß jedermann sein eigener Arzt, auch sein eigener Advokat sein darf, sobald er aber sein eigener Priester sein will, so schreit man Jammer und Weh über ihn, und die Götter der Erde mischen sich darein.
[M]ischt sich doch offenbar eine große Menge von frommem, unphilosohischem Unsinn. Der Auswurf, was muß das für ein Wesen sein, das das alles gemacht hat! ist doch nicht viel besser als der, was mag das für ein Bergwerk sein, in welchem der Mond ist gefunden worden.
Vielleicht begeht oft ein katholischer Beichtvater größere Sünden im Beichtstuhle als er zu vergeben hat.
Und ebenfalls von Jean Paul, der über das Treiben in den sakralen Bauten beispielsweise nicht erst bei Karl-Heinz Deschner nachlesen mußte:
Die Missionare fischen lieber Perlen als Menschen.
Die Theologie gestattet der Vernunft nur Fastenspeisen.
Der „Weg zum Himmel“, bei dem „die neuen Teologen“, wie Jean Paul noch zu beobachten imstande war, „eine Wegreparatur vorgenommen“ haben, ist wieder sehr sanierungsbedürftig –, das aber sieht Rudolf Langthaler vor angestrengter Suche nach den „geistigen Wegbereitern“ der Religonsverächter und Religionsverächterinnen nicht, und, seine Suche bleibt auch eine erfolglose, vor allem deshalb, weil keine „geistigen Wegbereiter“ nötig sind, um beispielsweise das Gerechtfertigte von gesetzlichen Sonderstellungen der Organisierten Glauben in einem Volksbegehren abzufragen … Ein Nein auf die Frage von Lichtenberg, ob geglaubt werde, daß Schlehenhecken Orangen getragen haben, kann als Antwort darauf auch von einem Rudolf Langthaler vermutet werden, ebenso ein sein Ja auf die unmittelbar darauf von Lichtenberg gestellte Frage, ob geglaubt werde, daß es Menschen gab, die Gottes Sohn waren … Womit die „geistigen Webgereiter“ von (auch) Rudolf Langthaler identifiziert sind, jedoch die Wege, die sie bereitet haben, waren von Beginn an mangelhaft, nur, wenn überhaupt, stolpernd, auf allen Vieren und letztlich immer nur auf den Knien …
Zitate, Zitate, Zitate – die Worte, die Worte, die Worte … Womit W. C. Williams die Freundlichkeit besitzt, mit seinem Titel eines Gedichtbandes zum auch von Rudolf Langthaler genannten Gottfried Keller zu kommen, um mit einem seinem Gedicht zu schließen, das hier nicht einfach als ein weiteres Zitat …
Ich hab in kalten Wintertagen
Ich hab in kalten Wintertagen,
In dunkler, hoffnungsarmer Zeit
Ganz aus dem Sinne dich geschlagen,
O Trugbild der Unsterblichkeit.Nun, da der Sommer glüht und glänzet,
Nun seh ich, daß ich wohlgetan!
Aufs neu hab ich das Haupt bekränzet,
Im Grabe aber ruht der Wahn.Ich fahre auf dem klaren Strome,
Er rinnt mir kühlend durch die Hand,
Ich schau hinauf zum blauen Dome
Und such – kein beßres Vaterland.Nun erst versteh ich, die da blühet,
O Lilie, deinen stillen Gruß:
Ich weiß, wie sehr das Herz auch glühet,
Daß ich wie du vergehen muß!Seid mir gegrüßt, ihr holden Rosen,
In eures Dasein flücht’gem Glück!
Ich wende mich vom Schrankenlosen
Zu eurer Anmut froh zurück!Zu glühn, zu blühn und ganz zu leben,
Das lehret euer Duft und Schein,
Und willig dann sich hinzugeben
Dem ewigen Nimmerwiedersein!
PS Für einen Moment war daran gedacht, auch den Beitrag von Norbert Leser in der Tageszeitung „Die Presse“ mit der Schlagzeile „Bruno Kreisky, Franz Olah und die heutigen Religionshasser“ -, aber es setzte sich doch raschest die Überzeugung durch, zu Norbert Leser nicht mehr schreiben zu wollen, als bereits geschrieben wurde: Diskursniveau von Norbert Leser jenes von Karl Tropper?
| Platz für das Zitate-Spiel: „Du sagst eines, ich sage eines, er sie es sagt eines, wir ihr sie sagen eines“: | ||
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