Es ist seit langem ohnehin klar, daß die freiheitliche Gemein-Schaft ihre besonderen Vorgänger, ihre recht speziellen Vorbilder hat, denen sie nachschreibt, nacheifert, nachtradiert. Ein Beispiel kann heute wieder gegeben, das anschaulich die Frage beantwortet: Woher haben das Freiheitliche? Das Abwälzen von Schuld auf andere. Das Anprangern der Medien. Das Abschieben jedweder Verantwortung. Das Jammern und das Selbstmitleid, wie ungerecht und hart die ganze Welt zu ihnen ist. Kurz und recht: diese Anschauung, immer sind es die anderen, diese Selbsteinschätzung, die Freiheitlichen wären ja gut, aber da gibt es diese anderen, ach, wenn es die doch nicht gäbe …

Zur Zeit: „Feindschaft des Feuilletons der Salonblätter“; Müller-Guttenbrunn: „Feindselige Presse. Von tausend Feinden befehdete Theater. Judenpresse.“
Von einem Adam Müller-Guttenbrunn werden Freiheitliche wohl auch recht viele Anregungen sich geholt haben und immer noch holen. In der aktuellen Ausgabe 8 der freiheitichen ZZ wird er wohl nicht umsonst zur Wiederlektüre empfohlen, und Helge Morgengrauen schreibt eine Empfehlung, die Adam Müller-Guttenbrunn selbst nicht anders hätte schreiben können …
Daß Adam Müller-Guttenbrunn in der gesinnungsmäßigen Tradition der Wiederempfehlungen der freiheitlichen ZZ steht, muß im Grunde nicht besonders erwähnt werden. Die freiheitliche ZZ setzt auch 2014 diesen Gesinnungskurs fort, zu all den literarischen Lieblingen, die auch Lieblinge von beispielsweise einem Adolf Hitler waren, kommt also Adam Müller-Guttenbrunn hinzu. Deutschnational, antisemitisch – was und wer kommt für die freiheitliche ZZ zur Wiederlektüre sonst denn schon in Frage? Ihre gesinnungsgemäßen Nachgeborenen, die mit dem Glück hadern, Nachgeborene zu sein …
Wer mehr über Adam Müller-Guttenbrunn erfahren möchte, wird „Wikipedia“ als Quelle empfohlen. „Wikipedia“ wurde hier bis vor kurzem nicht als Quelle verwendet. Aber seit erfahren wurde, daß in den Kreisen, in den sich auch die freiheitliche Gemein-Schaft bewegt, „Wikipedia“ als „deutschfeindlich und linksextrem“ eingestuft wird, macht es eine Freude, „Wikipedia“ zu nennen, um allein dadurch schon zeigen zu können, wie aberwitzig es in diesen Kreisen recht hoch hergeht …
Adam Müller-Guttenbrunn führte zwei Theater in den Ruin. Aber er sieht bei sich keine Schuld. Wie bekannt ist das von den Freiheitlichen, wird an die Wörtherseebühne gedacht und in Ermangelung einer zweiten in den Ruin zu führenden Bühne fanden die Freiheitlichen dazu eine Bank zum Ruinieren, aber wie für Adam Müller-Guttenbrunn sind auch für die Freiheitlichen alle anderen dafür verantwortlich zu machen, als Schuldige hinzustellen, nur die Freiheitlichen und er sind frei von – Reflexion.
Für jene, die es interessiert, was die Freiheitlichen vor einhundertzwölf Jahren schrieben, als sie noch Adam Müller-Guttenbrunn hießen und die Ehre hatte, daß ein Karl Kraus sich mit ihm beschäftigt, ist hier aus der Fackel Nr. 146 aus dem Jahre 1903 bereitgestellt:
Das Jubiläumstheater samt Denkschrift von Adam Müller-Guttenbrunn an Karl Lueger
Aber Adam Müller-Guttenbrunn ist nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ein Bankrotteur, sondern auch in literarischer. Die freiheitliche Gemein-Schaft scheint gesinnungsgemäß und traditionell unverändert eine Vorliebe für den Bankrott jedweder Art zu haben. Die Vorliebe für den literarischen Bankrott wird ihnen niemand zum Vorwurf machen, dieser ist wenigstens nicht direkt und unmittelbar etwa in wirtschaftlicher Hinsicht gefährlich, wenn auch nie harmlos, die Vorliebe für den wirtschaftlichen Bankrott ist aber hypergefährlich.
Was für ein literarischer Bankrotteur zusätzlich zum wirtschaftlichen Bankrotteur Adam Müller-Guttenbrunn, der sich auch als Abgeordneter versuchte, war, dafür reicht als Beispiel ein Ausschnitt aus dem von Helge Morgengrauen empfohlenen Roman „Meister Jakob und seine Kinder“, der auch nicht besser wäre, würde in diesem von einem „Tellerschwab'“ erzählt werden …
Zum zweitenmal schon pfiff der Tellerjud vor dem Hause.
Was der Mensch zu solcher Zeit nur will? Ist doch keine
Seele daheim. Wer denkt jetzt an sein Geschirr!
Die Frau Eva meldete sich nicht. Aber der fahrende Hausierer
sah sie Wasserschöpfen und kam herzu. »Liebe Bas’,
ich hab schönes Porzellan. Ich geb’ es billig in der schlechten
Zeit. Gar kein Geschäft!«
»Ich kaaf nix.« »Ach, wer kann das wissen. Ihr habt Töchter, schöne
Töchter, ihr werdet im Fasching Porzellan brauchen, aber
dann wird’s teurer sein.«
»Des hot Zeit. Häb jetzt kein Geld für solche Sache!«
»Verlang’ ich denn a Geld von Euch? Ihr gebt mir zehn
alte Zinnteller und ich geb Euch zehn schöne Porzellanteller.
Ware gegen Ware. Ich nehm’ auch Getreide.
»Zinn?« fragte sie.« Unser altes Zinng’schirr is am Bode
hinnerm Schornstein. Bis Ihr wieder einmal kommt.«
»Ich hol mer’s selber herunter«, sagte der Händler geschmeidig
und drang in den Hof. Die Bas’ Eva begoß ihr
Linnen und dachte nach. Es lagen sicher zwölf oder fünfzehn
Teller und ein paar Schüsseln droben. Sie hatte sie
einst mitbekommen in ihre Aussteuer, aber sie waren seither
ganz aus der Mode gekommen. Die Kinder hatten noch
gegessen aus den alten Erbstücken, die weiß Gott woher
stammten. Und jetzt sollte man sie hergeben? Aber der Tellerjud
hat recht, sie wird Porzellan brauchen in kommender
Zeit. Schon für die Hochzeit der Anmerich. Der Händler,
ein kleiner alter Jude von polnischem Aussehen, in Kaftan
und Löckchen, wartete geduldig. Und als die Gießkanne
der Bas’ Eva leer war, sagte sie: »Ihr wollt mei’ Zinn. Zeigt
mer amol Euer Parzlan! Es hot mich schon amol einer an
g’schmiert mit weißlackierte Teller, die irden gewesen sein.
So ein G’lumpert nehm ich nit wieder.«
»Aber bitte, liebe Bas’, kommt doch zu meinem Wagen
hinaus. Ich zeig’ Euch, was ich hab’. Alles Wiener Porzellan.
Echte Ware.«
Und die Bas’ Eva folgte ihm zu seinem mit einer Plache
überspannten Wagen, in der er zwischen Stroh- und Heuschichten
seine gebrechlichen Schätze geborgen hatte. Sie
war nicht unbefriedigt. Die geblumten Muster, die roten, die
er ihr zeigte, mochten sich auf einer Hochzeitstafel ganz gut
machen. Aber was tat sie mit zwölf oder fünfzehn dieser
gebrechlichen Teller, wenn sie an eine große Hochzeit dachte.
»Kommt zu meinem Mann«, sagte sie und ging voraus.
»Nehmt einen Teller mit und eine Schüssel.«
Sie rief den Meister, der, mit einem braunledernen
Schurzfell angetan, alsbald aus der Werkstatt trat. Und sie
sagte ihm, um was sich’s handelte. Er zuckte die Achseln.
»Des G’schirr g’hert dir. Mach’ was du glaubst. Man müßt’
sich’s halt noch amol angucke.«
Der alte Jude kroch in der Preß bereitwillig die Bodenstiege
hinauf und die Bas’ Eva hinter ihm. Sie zeigte ihm,
wo alles stand, und er trug es hinab. Viermal machte er den
Weg und die Bas’ Eva entdeckte auch noch ein paar Zinnkannen,
die sie mitnahm. Als alles von Staub und Ruß befreit
auf einer leeren Hackbank stand und der Meister es
genau ansah, machte er ein bedenkliches Gesicht. Das war
Nürnberger Ware. 200 Jahre alt. Und da und dort war der
Namenszug der Vorfahren in das Geschirr eingeprägt und
eingeritzt. »Des willscht du hergebe?« fragte er seine Eva.
»Und was kriegscht du dafür?«
»Ich will nit«, erwiderte sie, »aber was tut mer damit? Und
schönes Parzlan werd m’r im Fasching vielleicht brauche.«
»Was du kriegscht dafür?« fragte er geärgert.
Die Bas’ Eva sah den Tellerjuden an: »Na, sagt’s!«
Der Händler wand sich, er roch, daß ihm das gute Geschäft
zu entgleiten drohte. Dann sagte er resolut: »Herr
Meister, ich geb’ zwei solche schöne neue Teller für einen
alten.«
»Nicht für fünfe«, sagte Meister Jakob. »Das Geschirr ist
uns überhaupt nit feil.« Er hatte indessen auch das Fabrikzeichen
von Mömpelgard auf den Schüsseln gefunden und
auf ein paar Tellern eine gar feine Engelmarke. »Das sein
Andenke. Die b’halte mer«, sagte er zu seiner Frau.
»In Gottes Namen, so geb’ ich drei von den geblumten
schönen Tellern für einen«, wandte sich der Händler an die
Hausfrau.
»Na, hört Ihr«, rief diese und stemmte die Arme auf die
Hüften, »und zuerscht habt Ihr mir nur ein’ einzige’ gebote?
Die Sach g’fällt m’r jetzt selber nit.«
»Mein erstes Geschäft heute, das soll man nit loslassen,
sonst hat man den ganzen Tag kein Glück!« flehte der Händler.
»Naa, naa, geiht mit Gott; ich tausch nix und kaaf nix.«
»Liebe Bas’ . . . «
»Adjes«, sagte der Meister.
Alsbald hörte man wieder die Holzpfeife des Tellerjuden
auf der Gasse, und sein Wagen knarrte weiter. Er wird andere
Häuser finden, in denen man sich leichter trennt von
dem alten Gelumpe. Pech, daß der Mann auch daheim war.