Der Schulfreund

Mit jener Person, die am 1. April 2024 in der Tageszeitung des österreichischen Medienstandards über Johannes Mario Simmel schreibt, kann dieses Kapitel nicht gleich begonnen werden, sondern mit dem Buch „Lauter Lügen“ von einem in Villach wirkenden und aus Villach kommenden Filosofen, dessen Buchtitel ein Plagiat des Titels eines Theaterstückes aus 1937, geschrieben von einem „fördernden Mitglied der SS“, von Hans Schweikart, verfilmt 1938, unter der „Spielleitung“ von Heinz Rühmann.

Und der Spielleiter antwortete einmal auf die Frage, es war seine Antwort anläßlich eines seiner letzten Fernsehauftritte vor seinem Tod vor dreißig Jahren, ob er in seinem Leben, wenn er es könnte, irgend etwas anders machen würde, er, Heinz Rühmann, antwortete, er würde alles wieder so machen, alles in seinem Leben würde er wieder so machen, wie er es gemacht habe, der Freund der Menschenbrecher, der einst sang, er breche die Herzen … und schon isse hin, er würde alles wieder so machen, wie er es gemacht habe, und er war gerührt, das Publikum im Saal stand ebenso gerührt ihm zu Ehren applaudierend auf. Dieser Schauspieler, der einst auch Spielleiter war, spielte 1960 im Film „Mein Schulfreund“ den Geldbriefträger, der einen Brief an Hermann Göring schreibt, mit dem sein Unglück, ausgelöst durch das totalitäre Massenmordregime, dessen hilfsreichster Schauspieler er war, auf weit über ein Jahrzehnt hinaus beginnt. Johannes Mario Simmel schrieb an dem Drehbuch mit.

Der Spielleiter schrieb keinen Brief an Hermann Göring mit der Bitte, den Krieg zu beenden, er nahm von Hermann Göring einen Rat an, der ihn, Heinz Rühmann, persönlich nicht ins Unglück stürzte, sondern erfolgreiche Zeiten bescherte, so war es ihm etwa vergönt, „private Weihnachtsfilme“ der Kinder von Joseph Goebbels zu drehen, aber auch, um noch einen Film als Beispiel anzuführen, weil in diesem auch ein Brief eine Rolle spielt, den Komödianten mitten in der Zeit von Auschwitz zu geben, in der „Feuerzangenbowle“, mit der Heinz Rühmann in die „Wolfsschanze“ reisen durfte, um diesen Film persönlich Adolf Hitler vorzuführen, der diesen persönlich „für das deutsche Volk“ freigab, nachdem Hermann Göring ihm, Hitler, bestätigte, die „Feuerzangenbowle“ sei … Und Joseph Goebbels wußte nur zu recht, wie seine Gesinnung zu verbreiten ist, am besten so, daß kein Mensch je dabei daran denkt, es werde seine Gesinnung verbreitet …

Und wie verehrt die Schauspielerinnen, die ihm dabei halfen, seine Gesinnung zu verbreiten, heutzutage noch sind, mußte augenblicklich beim Lesen des Namens von Zarah Leander in „Rassenideologie in der ‚Feuerzangenbowle'“ gedacht werden, die dem Team der bis vor kurzem gewesenen Vizepräsidentin der österreichischen Nationalbank sofort einfällt, wenn seine Vizepräsidentin mit angeschlagener Stimme spricht — sie klinge dann wie Zarah Leander …

Von dem Wort „Völkerwanderung“ werden wohl zu viele meinen, es sei eines aus der Gegenwart, so oft wie es heutzutage eingesetzt wird, dabei …

Das alles wäre ohne Johannes Mario Simmel nicht eingefallen. Ohne die Verfilmung seines Theaterstückes „Ein Schulfreund“, das in keinem Bücherregal ungelesen stehen sollte

Und auch das fällt gleich wieder ein, beim Namen Johannes Mario Simmel, so kurz vor den Wahlen 2024 zum Europäischen Parlament, wenn die Haiderischen wie vor weit über zwei Jahrzehnten genauso gegen die Europäische Union —

Empfindliche Niederlagen hatte Haider bereits Mitte der 90er mit Klagen gegen den Schriftsteller Johannes Mario Simmel und den grünen Politiker Peter Pilz erlitten. Simmel hatte ihm „skrupellose und mörderische Hetze gegen Ausländer“ vorgeworfen. Das Gericht wertete dies als harte, aber akzeptable Kritik. Pilz hatte Haider als „politischen Ziehvater und Ideologen des rechtsextremen Terrorismus“ bezeichnet. Das Gericht ließ dies als politische Wertung gelten.

Dies aus der „Rheinischen Post“ vom 8. Mai 2001. Kurz ist es her, daß auch aus der „Rheinischen Post“ zitiert wurde, in einem anderen, aber dazugehörigen Zusammenhang …

Die Rezension von Alexander Kluy — nun, es reicht vollkommen dieser gegenüberzustellen, um zu wissen, was von dieser zu halten ist, was Heinz Sichrovsky am 3. April zum 100. Geburtstag von Johannes Mario Simmel schreibt.

Die Kritik ignorierte ihn über die Jahrzehnte als Trivialisten, bis sich sein diesbezügliches Schicksal verblüffend wendete: Eventuell aus Langeweile, vielleicht auch, um ihn gegen andere auszuspielen, begannen ihn die Kritikerpäpste Marcel Reich-Ranicki und Joachim Kaiser quasi über Nacht jenseits aller Verhältnisse zu loben. Simmels Romane waren Ende der Achtzigerjahre immer umfangreicher geworden, auch die dickleibigen Anmerkungsteile machten die Lektüre nicht einfacher. Er schrieb gegen die Verbrechen der Genforschung („Doch mit den Clowns kamen die Tränen“) und der Umweltzerstörer („Im Frühling singt zum letzten Mal die Lerche“) und verschwand dann zügig aus der Wahrnehmung. Ein Vermächtnis im Rang eines Schelmenstücks hinterließ er noch: In einem News-Interview bezichtigte er 1996 den FPÖ-Führer Jörg Haider „skrupelloser und mörderischer Hetze“ gegen Ausländer. Haider klagte, und Simmel wurde in einem Fallbeispiel grenzsalomonischer österreichischer Gerechtigkeit freigesprochen:

Zu Johannes Mario Simmel werden auch Diplomarbeiten geschrieben, und das nicht vor Jahrzehnten, Alexander Kluy kann, der nicht nur Rezensionen, sondern auch Bücher schreiben soll, in seinen Sätzen geantwortet werden:

Heute […] zu lesen ist, obschon Graf-Grossmann oft das Gegenteil behauptet und einen Lesetest mit zwei Frauen Mitte 20 durchführte, kaum mehr zu goutieren. Da braucht es, nicht nur weil die Romane adipös sind, in Österreich eine Jahresproduktion Wein aus dem Kamptal, in der Schweiz ein Leseplätzchen bei einem Absinth-Brauer im Val de Travers, in Deutschland den hierfür endlich erlaubten eignen Cannabisvorrat. Wird diese Biografie […] vom Gegenteil und von seinem Œuvre überzeugen? Wohl kaum. […] gehört in die Riege […] Patina […] (Alexander Kluy, 1.4.2024)

Das einzige Aufmerkenswerte an dieser Rezenzension ist seine

Sein Vater war Kaufmann, zum Luthertum konvertierter Jude und Sozialdemokrat. 1938 floh er nach Großbritannien, arbeitete für die BBC, vielleicht auch für den Geheimdienst, und starb Anfang 1945. Da hatte seine Frau, ihren Sohn Johannes und dessen jüngere Schwester Eva, von den Nazis als „Mischlinge“ eingestuft, mit enormen Komplikationen und aufreibenden Anstrengungen in Wien durch die Nazi-Jahre gebracht.

Unterstellung, der Vater von Johannes Mario Simmel hätte für den „Geheimdienst“ gearbeitet, eingeschränkt mit einem „vielleicht“, wohl um sich bei Antretenmüssen eines Beweises, herausreden zu können, er habe ja eh, ach nur gemeint, vielleicht … Diese Rezension ist nicht vielleicht, sondern bestimmt nicht nur inhaltlich, sondern bis in ihre Formulierungen hinein bedenkenlos geschrieben, und vielleicht noch abgründiger, einem jüdischen Menschen zu unterstellen, er habe …