Generation 1790

Es hat schon einmal wer von der „Generation 1790“ geschrieben, vor bald einhundert Jahren.

Seine „Generation 1790“ jedoch war tatsächlich die Generation von 1790, und diese hatte

nichts mit der Generation 1790 der im 21. Jahrhundert Lebenden gemein.

Ernst Friedrich Heilborn war es, der 1927 in „Zwischen zwei Revolutionen“ über die „Generation 1790“ im ersten Band „Der Geist der Schinkelzeit“ im Kapitel „Drei Generationen – Zwei Städte“ schrieb.

Im zweiten Band von 1929, zur Vollständigkeit gesagt, der kulturgeschichtlichen Darstellung Deutschlands zwischen der französischen Revolution von 1789 und der deutschen Revolution von 1919 und dazwischen eingezwängt die Märzrevolution 1848 geht es um den „Geist der Bismarckzeit„.

Die Generation 1790

Den Generationen zwischen den beiden Revolutionen nachsinnend, denkt man gern an die Familie Humboldt, denn sie ist wie ein freistehender, doch geschützter Baum, in gutes Erdreich gesetzt, und wohl vermag man zwischen seiner Verästelung die Jahres-, seien es Generationenringe, abzulesen. Jetzt aber, 1790, sind Wilhelm und Caroline Humboldt selber jung, und hinter ihnen erkennt man den langen Zug derer, die mit ihnen gemeinsam ins Leben wallfahrten.

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Diese Generation hat ihre eigene Ethik, und aus ihr leuchtet das Humanitätsideal. »Der Mensch schafft immer insoviel Gutes, als er in sich gut wird.« Religiosität ist noch nicht, wozu Schleiermacher sie rief, Sinn für die Unendlichkeit, sondern vielmehr die Stimme des Menschentums im Menschen.

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Zum Prüfstein aller Religion wird – und das empfindet man denn freilich als ein Beglückendes – die Toleranz. »Nichts ist vermessener, als anderer Empfindungen despotisieren zu wollen, besonders über religiöse Gegenstände«, schreibt Caroline, sie betont es und kommt oft mit anderen Worten darauf zurück, er seinerseits dehnt das Gefühl auch auf die Häretiker der menschlichen Gesellschaft aus und erkennt im Verbrecher den Schwerzurichtenden.

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Mit dieser Generation von 1790 steht man geistig auf einer Höhe, von der es denn nur Abstieg gibt.

Mit der im 21. Jahrhundert lebenden Generation 1790 „steht man geistig auf“ keiner „Höhe“, so kann es denn mit ihr auch keinen „Abstieg“ geben, und dennoch kann es mit ihr wieder zu einem Abstieg kommen, wenngleich es nicht ihr Verdienst und ihre Leistung sein wird, sondern es mit der massenhaften Übereinkunft fortschreitet, von der auch im 21. Jahrhundert noch vorhandenen geistigen Höhe abzusteigen, geradeweg in den Untergang