The secret of a typo

Es wird schlicht wie kurz ein Tippfehler sein, daß CNN „Kurtz“ statt „Kurz“ schreibt. Ein bedeutungsloser Tippfehler, weniger nicht.

Und doch kann ein Tippfehler anregen, Überlegungen anzustellen, gerade jetzt, in dieser überreich verordneten Zeit für Nebensächlichkeiten, die Cholera ist wieder früh am Vormittag zubereitet, auch schon in das vorgeheizte Backrohr geschoben

Ein Tippfehler kann bleibenden Wert erhalten. Wie etwa jener Fehler, der einem Drucker passierte, als er einen Vers von W. H. Auden (der übrigens im gleichen Ort lebte wie Josef Weinheber, in einem niederösterreichischen) durch einen einzigen anderen Buchstaben veränderte. Wystan Hugh Auden beließ seinen Vers

„And the poets have names for the sea.“

aber fortan in der Tippfehlerfassung des Druckers:

„And the ports have names for the sea.“

Ob es tatsächlich bloß ein Tippfehler war oder vielleicht doch eine bewußte und vornehm zarte Verbesserung der Zeile von Auden — das wird ein ewiges Geheimnis des Druckers bleiben.

Wie aber kommt es zu Tippfehlern? Schludrigkeit? Ja, durchaus. Gerade von Wien aus ist es aber nicht ungewöhnlich, nach der Bedeutung von „Versprechern“ zu fragen, was sich hinter einer sprachlichen Fehlleistung alles verbergen könne, so kann auch nach der Bedeutung von Vertippern gefragt werden, schließlich können auch diese sprachliche Fehlleistungen sein.

Was brachte CNN dazu, dem zurzeitigen Bundeskanzler in Österreich den Namen „Kurtz“ zu geben? Diktierte dem Mitarbeiter von CNN seine in diesem Moment nicht bewußte Erinnerung an seine Lektüre von „Heart of Darkness“ den zusätzlichen, aber falschen Buchstaben im Namen von Kurz, was von der Figur Kurtz aus dem Roman „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad leitete die Mitarbeiterin von CNN beim Schreiben des Namens „Kurtz“ für „Kurz“?

Sind es einzelne Sätze aus dem Roman, die das unbewußt auslösten, „Kurtz“ statt „Kurz“ zu schreiben? Welche Sätze könnten dafür verantwortlich sein? Diese vielleicht, die hier als Ende des Kapitels zitiert werden?

Was auch immer den Tippfehler verursachte, oder, nicht den Tippfehler auslöste, Zeit ist vergangen, bei der Beschäftigung mit einem Tippfehler, einstweilen wird es Mittag, den Nachmittag dann mit dem Hinausschauen auf die Marienthalstraße …

Im Roman heißt es, er, Kurtz habe nicht im geringsten zu schreiben verstanden („that Kurtz really couldn’t write a bit“). Von Kurz kann gesagt werden, er versteht es, auf eine besondere Weise zu lesen; wenn ein Wort nur irgendwie nach seinem Namen aussieht, wird es schon von ihm weiter verbreitet, und er braucht dazu kein einziges Wort zu schreiben.

„This visitor informed me Kurtz’s proper sphere ought to have been politics ‚on the popular side‘. ‚[B]ut heavens! how that man could talk. He electrified large meetings. He had faith – don’t you see? – he had the faith. He could get himself to believe anything – anything. He would have been ap splendid leader of an extreme party.‘ ‚What party?‘ I asked. ‚Any party,‘ answered the other. ‚He was an – an – extremist.‘ Did I not think so? I assented.“

„Dieser Besucher erklärte mir, der Kurtz angemessene Wirkungsbereich sei die Politik gewesen, ‚ihre volkstümlichere Seite‘. ‚[D]och, Himmel! wie dieser Mann reden konnte! Er riß große Versammlungen mit sich fort. Er war erfüllt von Glauben – verstehen Sie? – erfüllt von Glauben. Er brachte es fertig, an alles zu glauben – alles. Er hätte einen glänzenden Führer einer extremistischen Partei abgegeben.‘ ‚Welcher Partei?‘ fragte ich. ‚Jeder beliebigen Partei‘, antwortete der andere. ‚Er war ein – ein – Extremist.‘ Ob ich nicht dieser Ansicht sei? Ich bejahte.“ 

„Tatsächlich sagte der Direktor später, die Methoden des Herrn Kurtz hätten den Distrikt zugrunde gerichtet. Ich enthalte mich einer Meinung in diesem Punkt, aber ich möchte euch darüber nicht im unklaren lassen, daß das Vorhandensein der Köpfe dort nicht eigentlich etwas mit Gewinst zu tun hatte. Sie zeigten nur an, daß Herrn Kurtz jegliche Hemmung in der Befriedigung seiner mannigfachen Lüste abging, daß ihm etwas fehlte – eine Winzigkeit, die, im Ernstfall, unter seiner großartigen Beredsamkeit nicht zu finden war. Ob er selbst um diese Unzulänglichkeit wußte, kann ich nicht sagen. Ich glaube, ihm kam sie zum Schluß doch noch zu Bewußtsein – ganz zum Schluß. Doch die Wildnis hatte ihn früher durchschaut und fürchterliche Rache an ihm genommen für diesen spukhaften Überfall. Ich denke, sie hat ihm Dinge über ihn selber zugeflüstert, die ihm unbekannt waren, Dinge, von denen er gar keinen Begriff hatte, ehe er mit dieser großen Einsamkeit zu Rate ging – und das Geflüster hatte sich als unwiderstehlich bestrickend erwiesen. Es hallte laut in ihm wider, weil er im Innersten hohl war …“


„‚I am not disclosing any trade secrets. In fact, the manager said afterwards that Mr Kurtz’s methods had ruined the disctrict. I have no opinion on that point, but I want you clearly to understand that there was nothing exactly profitable in these heads being there. They only showed that Mr Kurtz lacked restraint in the gratification of his varous lusts, that there was something wanting in him – some small matter which, when the pressing need arose, could not be foundt under his magnificent eloquence. Whether he knew of this defiency himself I can’t say. I think the knowledge had found him early, and had taken on him a terrible vengeance for the fantastic invasion. I think it had whispered to him things about himself which he did not know, things of which he had no conception till he took counsel with this great solitude – and the whisper had proved irresistbly fascinating It echoed loudly within him because he was hollow at the core …“

„The manager came out. He did me the honour to take me under the arm and lead me aside. ‚He is very low, very low‘, he said. He considered it nesessary to sigh, but neglected to be consistently sorrowful. ‚We have done all we could for him – haven’t we? But there is no disguising the fact, Mr Kurtz has done more harm than good to the Company.“

„Der Direktor trat heraus. Er erwies mir die Ehre, seinen Arm unter den meinen zu schieben und mich beiseite zu führen. ›Er ist sehr matt, sehr matt‹, sagte er. Er hielt einen Seufzer für angebracht, versäumte jedoch, eine entsprechend bekümmerte Miene aufzusetzen. ‚Wir haben für ihn alles getan, was in unserer Macht stand – oder nicht? Aber es läßt sich nicht verhehlen, daß Herr Kurtz der Handelsgesellschaft mehr geschadet als genutzt hat.'“