„Ich war, ich bin ein Glied“

Wer nach Walter Flex sucht, auch wenn schwer vorstellbar, daß irgendwer noch nach Walter Flex sucht, wird ungewollt auf Walter Flex stoßen, wenn etwa auf der Suche nach „Was keiner wagt“, und wird dann zu lesen bekommen, beispielsweise das von dem „Flex-Kult im Nationalsozialismus“, das von der Anpreisung seines Bruders Konrad Buch „Walter Flex – Ein Lebensbild“,

Walter Flex ein Lebensbild. genannt der Heldensänger des großen Krieges von Bruder Konrad Flex – „walter flex, dichtete und sang als er 1914 in den krieg zog. er dichtete und sang draußen an der front unter donner der kanonen. zwischen den schlachten schrieb er sein ergreifendes buch wanderer zwischen beiden welten, bei seinem heldentode auf der insel desel fand man in seiner kartentasche ein kapitale seines geplanten romanes wolf eschenlohr. der krieg tötete nicht den dichter in ihm , sondern das erlbenis an der front ließ ihn in die höhe wachsen. walter flex wurde heldensänger des großen krieges. das stärkste und schönste aber in ihm blieb auch im kampfgewühl sein reines und reifes menschentum. von diesem menschentum erzählt uns dr. konrad flex , des dichters bruder in seinem lebensbild, warm herzlich und innig im ton. wir erleben den dichter im schoße seiner familie, seiner jugendheimat und begleiten ihn in die berufsausbildung, in den beruf nehmen an seinen dichterischen plänen , hoffnungen, erfolgen teil, gehen mit ihm an die front und werden zeugen seines heldenmütigen sterbens. der dichter und der bruder läßt uns ahnen von den innersten gottgewirkten triebkräften , die für den dichter im soldatengewand maßgebend waren.“

eines Buches, dem die Gunst des Erscheines nur in der Mordszeit der Nationalsozialisten zuteil werden konnte.

Manche, die jetzt den Namen Walter Flex nicht selbst lesen, sondern vorgelesen bekommen, dabei nur so nebenher zuhören, werden nicht an Dichtung denken und fragen: Walter?Flex? Von Walter gibt’s auch eine Flex? Nein, von der in Thüringen gegründeten Waffenfabrik Walther gibt es keine Flex, aber u. v. a. m. die „P38“ … und wenn von dem Unternehmen Walther selbst zu lesen ist, am 1. November 2023, auf seiner Website,

Eine dünne Mappe Alles
Was Fritz Walther aus den
Kriegswirren retten
In der Nähe von Ulm der Neustart
Die Geschichte Fritz Walther wie
Damals sein Vater vor dem Nichts
Eine kleine Schusterwerkstatt

werden manche an Dichtung denken und darangehen, wie es bei Lyrik üblich ist, versuchen zu interpretieren, Fragen zu stellen. Wie groß war das Gebäude, aus dem Walther die „dünne Mappe mit Konstruktionszeichnungen und die Rechte an über 80 Patenten aus den Kriegswirren retten konnte“, war es eines in einem industriellen Komplex, nah oder fern von Ulm, in Neuengamme?

Nun, da es geklärt ist, daß nicht von einer Flex der Walther-Werke mit ihren Pistolen die Rede ist, sondern von Walter-ohne-h-Flex, kann weiter von ihm und seines Bruders Dichtung —

Und dann kommt Walter Flex wieder hervor, Jahrzehnte nach den massenmörderischen Verwüstungen und dem Untergang der Nationalsozialistinnen, wenn von einem per Haftbefehl gesuchten alternativen Budenburschen zu lesen ist, im Oktober 2023,

berichtet wird von dem per Haftbefehl gesuchten Parallelgesellschaftlichen und seiner parallelgesellschaftlichen Burschenschaft, denen Walter Flex —

Wäre Walter Flex nicht 1917 in einem Lazarett gestorben, hätte er gelebt, um irgendwelche Jahre zu nennen, gelebt bis 1945, gelebt bis 1975, und hätte er nach 1917 keine einzige Zeile mehr geschrieben, er wäre wohl dennoch zum lebenden Aushängeschild des deutschen reiches geworden,

wohl auch aufgenommen in Gottes Liste der Begnadeten, ihm treuergeben für alle Zeilen, die er ihm gesinnungsgemäß schrieb bis 1917 —

Aber, das darf durchaus angenommen werden, dieses ihm zugerüstete Deutschland hätte ihn erst so recht zu seiner gesinnungsgemäßen Höchstform auflaufen lassen, zu seinen reifsten Versgeschenken an ihn, seinen Heimatvolke gemachten …

Die Gunst seiner Verbreitung hat Walter Flex nie verlassen, bis zum Heute herauf, wurde ihm nie entzogen, auch mit dem „Projekt Gutenberg-DE“, einem Projekt, das nicht der sogenannten Parallelgesellschaft zugeschlagen werden kann, wird ihm, Walter Flex, die Gunst erwiesen, ihn vor dem Vergessen zu bewahren,

dem Erinnern anheimzugeben, Lesende zu schenken, das, gerade in Österreich, ein Magazin als ihre gesinnungsgemäße Pflicht auf dessen Schild geschrieben hat, seiner gesinnungsgemäß recht liebsten Dichtung weiter die Verbreitung als Beitrag zu sichern, für künftige Wiedertage des …

„Wolf Eschenlohr“, eine der Schriften des Walter Flex, auf „Projekt Gutenberg-DE“ veröffentlicht, zu der sein Bruder Konrad eine Einleitung schrieb, ist zu lesen am 1. November 2023, aus der ein paar Zeilen doch zu zitieren sind:

Die Antwort, die der Dichter damals gab, läßt sich in Verbindung mit späteren Äußerungen wie folgt zusammenfassen: Wie der Einzelne, so sind auch die Völker auf dieser Erde vergänglich. Aber so wenig man von dem Menschen sagen kann, sein irdisches Leben sei zwecklos, weil es nicht ewig ist, so wenig kann man es von dem Volke. Bei den Völkern wie bei den Einzelnen liegt der Wert des Lebens nicht in der Dauer, sondern im Inhalt. Der höchste Lebensinhalt aber besteht für den Einzelnen wie für das Volk, das ja nichts ist als die Vielen in organischer Verknüpfung, in der Hingabe an die Gesamtheit. Der Zweck der Gesamtheit liegt darin, diese Hingabe zu ermöglichen und dadurch dem Einzelnen wie dem Volke den höchsten sittlichen Lebensinhalt zu geben. Die Erreichung dieses Zweckes ist unabhängig davon, daß die irdische Erscheinungsform des Volkes vergänglich ist. Darum behält die Hingabe ans Vaterland ihren Ewigkeitswert für Ich und Volk, ob auch das Vaterland untergeht. Dem gleichen Gedanken wird in der zweiten Bismarcknovelle Ausdruck gegeben: »Umsonst? Es mag enden, wie es will – Ihr werdet Euer Brandenburg! Brandenburg! nicht umsonst gejubelt haben. Hat nicht der tote Begriff Vaterland lebendige Schönheit und Taten gezeitigt? Haben nicht tausend junge Menschen durch tausend Stunden menschlichen Lebens nicht an Leichtes und Leeres und Arges gedacht, sondern sind mit warmen und festen Herzen durch Tage und Nächte gegangen? Kann eine Zeit ›umsonst‹ sein, die aus dem sprödesten der Stoffe, aus dem menschlichen, Kunstwerke gemacht und sie auch denen offenbart hat, die sie wie Barbaren zertrümmern mußten?« Auch diese Ideen gewannen durch den Krieg vertieftes Leben. Schon im »Wanderer« klingt das Wort vom Schwerttod der Völker an. In dem Briefe vom 28. April 1917 heißt es: »Was ich von der ›Ewigkeit des deutschen Volkes‹ und von der welterlösenden Sendung des Deutschtums geschrieben habe, … ist ein sittlicher Glaube, der sich selbst in der Niederlage oder, wie Ernst Wurche gesagt haben würde, im Heldentode eines Volkes verwirklichen kann.« Unter den Notizen zum »Wolf Eschenlohr« aber findet sich die Stelle: »Sieg oder Tod darf keine Phrase sein. Im Kampf um die gerechte Sache muß ein Volk auch den eigenen Tod erleiden können, ohne an der sittlichen Weltordnung irre zu werden.

Der Endsieg des bösen Prinzips ist nur ein scheinbarer, das gute Prinzip hat sich zum Höchsten eben im Tode entwickelt und seine feinste Blüte getrieben, um derentwillen das Volk geschaffen worden war.«

Will man den Gedankeninhalt des »Wolf Eschenlohr« in einen Satz zusammenfassen, so kann man wohl sagen: Er sollte das Siegeslied jenes »unbeugsamen und zu keiner Konzession bereiten Idealismus« werden, der in allem Grauen des Krieges, im Tode und selbst im Gedanken an den Untergang des eigenen Volkes den Ewigkeitsglauben an Gotteskindschaft und Menschenbruderschaft festhält.

Dr. Konrad Flex, im März 1919 in Eisenach

Eisenach, Eisenach,
immer wieder Eisenach
mit seiner Wart
weiter
und weiter rundum
mehr und immer mehr
aufwerfende Hügelchen

Und der in Eisenach Geborene läßt seinen Eschenlohr

Die schwarze Fahne mit dem grauweißen Kreuz war ihm nicht fremd. Er kannte sie gut, die alte Kriegsfahne der Burschenschaft aus verschollenen Revolutionsjahren. Sein Großvater hatte sie den Bundesbrüdern vorausgetragen in den Zeiten, als der Traum vom deutschen Reiche Hochverrat gewesen war. Erzählungen, gierig in frühesten Kindheitstagen aufgesogen, Altmännergeschichten von Bütteldiensten und Brudertreue, Festungshaft und Kerkermauern umwitterten sie wie ein uraltes Schlachtenbanner. Im Geiste sah er den Großvater als Jüngling durch die Straßen von Erlangen schreiten, die schwarzweiße Fahne in Händen und das schwarzrotgoldene Band als ein verbotenes und verhohlenes Heiligtum auf der blanken heißen Brust unter dem kühlen Hemde. Wolf Eschenlohrs Augen hafteten still an der alten Fahne wie in ratloser Verwunderung. Es sah sich an, als fragte er sie schweigsam und dringlich aus: Was willst du von uns? Was willst du heute von mir, du Kampf- und Leidenszeugin verklungener Zeiten? Nur einmal von zehn zu zehn Jahren entfaltete sich die Sturmfahne der Burschenschaft bei den Jubelfeiern des Bundes über der nachwachsenden Jugend als schweigsame Mahnung aus harter Vergangenheit. Alte Fahne, was hat deinen Schlaf mitten zwischen den Festen gestört? Was entrollst du mit einmal in festlosen Tagen Kreuz und schwarze Seide? Was willst du von uns? Wolf Eschenlohr wußte wohl, warum die Burschenschaft ihre Fahnen wie zu einer Jubelfeier entfaltete. Die Erlanger Arminia rüstete den Brüdern das Abschiedsfest, ehe sie zum Kampfe an die Grenzen zögen nach Osten und Westen und auf die Stahlplanken der deutschen Schiffe.

die Fahne befragen, erzählen von —

Wolf Eschenlohr hätte sich am liebsten losgerissen. Aber er fand keinen Vorwand. Der junge jüdische Student mit seiner gutmütigen spöttischen Fistelstimme war vor Jahr und Tag in Sekunda und Prima sein täglicher Umgang gewesen, mit dem er auf dem Schulweg bis in Hausflur und Garten hinein schülerhaft hitzige Streitreden über Gott und Unsterblichkeit getrieben hatte. Heute lüstete es ihn nicht nach Zergliederung und Verteidigung dessen, was er empfand. Aber schon schritt Hirschberg neben ihm auf dem alten Schulweg unter den Kastanien der Wallpromenade und sprach auf ihn ein. »Ich will dir was sagen, Eschenlohr. Ich weiß recht gut, wie’s in dir aussieht. Du bist noch zu heiß für eine kalte Dusche. Aber eins sag‘ ich dir trotzdem: vergiß auch die andern nicht!« »Welche andern?« Hirschberg blieb stehen und blinzelte Eschenlohr durch die verschwitzten Gläser seines schiefsitzenden Goldzwickers an. »Nu,« sagte er behaglich, »die andern eben, die Herrschaften, die sich’s jetzt schon an den Fingern ausrechnen, wieviel sie an dem Zinksarg verdienen, in dem sie uns wieder nach Hause schaffen. Selig sind, die leeren Herzens sind, denn sie werden volle Beutel haben. Selig sind die Kaltschnäuzigen, denn sie sind nicht totzukriegen. Selig sind die Idealisten, denn sie soll der Teufel holen!« »Pfui!« sagte Wolf Eschenlohr. Es war ihm, als hätte er einen Schlag empfangen. Die Augen wurden ihm groß und die Haut spannte sich über seinen Schläfen, daß das blaue Geäder sichtbar wurde. »Püh!« lächelte Hirschberg. »Ihr heizt das Blut jetzt mit Begeisterung. Die andern wissen, daß wir im Winter Wolle brauchen werden. Na, nichts für ungut, Eschenlohr! Ich bin noch der Alte. Du weißt, ich halte mir gern den Kopf kühl und bin auch bei Fieber für kalte Abreibungen.« »Du meldest dich doch auch freiwillig –?« fragte Eschenlohr mit beginnender Streitlust. »Jawohl, Verehrtester. Aber das Notwendige tun und sich dafür begeistern ist zweierlei. Übrigens stände mir das schöne Feuer auch schlecht, wenn ich jetzt da drinnen, hager und haarig, meine Affenähnlichkeit zur Schau stelle. Aber meine Sehnen und Knochen nehmen sie doch. Auf Wiedersehen, alter Junge. Du weißt, ein Schubiak bin ich nicht.

„Goldzwicker“ kosten Geld, wohl viel Geld, und woher es nehmen? Nun, davon erzählt Walter Flex in „Der Wanderer zwischen beiden Welten“, wie auch am 1. November 2023 auf „Projekt Gutenberg-DE“ zu lesen:

Mein Blick fiel zufällig auf Ernst Wurche. Er saß still in seiner Ecke, aber seine hellen, frohen Augen spielten mit der Maisonne um die Wette über die aufgeschlagenen Seiten eines Büchleins, das ihm auf den Knien lag. Es war sein Neues Testament. »Ernstel, schläfst du?« neckte ich ihn, da er’s so ganz verschmähte, an unsern Gesprächen teilzunehmen. Er sah voll und herzlich auf. Dann rückte er mir mit einer raschen, fröhlichen Bewegung das schwarze Bändchen hin und tippte mit dem Finger auf eine Zeilenreihe. »Der mit der Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten«, las ich. Ich glaubte ihn zu verstehen. »Italien?« fragte ich. Er nickte und tippte auf eine andere Stelle. »Da ging hin einer mit Namen Judas Ischarioth und sprach: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten . . . .« Ich nickte ihm zu, da warf er rasch ein paar Blätter herum. »Und das wird das Ende sein!« Sein Zeigefinger lag auf dem kläglichen Wort des Verräters: »Ich habe übel getan, daß ich unschuldig Blut verraten habe.« Und weiter: » Sie sprachen: Was geht uns das an! Da siehe du zu!« Keine Spur eines finsteren Eiferers lag in seinem offenen Blick und seiner frohen Gebärde. Seine Seele war weit und voll Sonne, und er las die Bibelstellen nicht anders als in dem hellen, starken Geiste, mit dem wir Kriegsfreiwilligen den Mondregenbogen an Gottes Himmel schauten, als wir nach Frankreich hinausfuhren. Sein Christentum war ganz Kraft und Leben. Die religiöse Erweckung aus Feigheit war ihm erbärmlich. Er hatte eine stille, herzliche Verachtung für das draußen und daheim wuchernde Angst-Christentum und die Gebetspanik der Feigen. Von ihnen sagte er einmal: »Sie suchen immer in Gottes Willen hineinzupfuschen. Gottes Wille ist ihnen nicht so heilig wie ihr bißchen Leben. Man sollte immer nur um Kraft beten. Der Mensch soll nach Gottes Hand greifen, nicht nach Pfennigen in seiner Hand.« Sein Gott war mit einem Schwerte gegürtet, und auch sein Christus trug wohl ein helles Schwert. wenn er mit ihm in den Kampf schritt. Zur Stunde sah er seine blanke Schneide gegen die verräterischen Bundesgenossen fliegen.

»Wie es dem Manne geziemt, in kräftiger Lebensmitte zuweilen an den Tod zu denken, so mag er auch in beschaulicher Stunde das sichere Ende seines Vaterlandes ins Auge fassen, damit er die Gegenwart desselben um so inbrünstiger liebe; denn alles ist vergänglich und dem Wechsel unterworfen auf dieser Erde. Oder sind nicht viel größere Nationen untergegangen, als wir sind? Oder wollt Ihr einst ein Dasein dahinschleppen wie der ewige Jude, der nicht sterben kann, dienstbar allen neu aufgeschossenen Völkern, er, der die Ägypter, die Griechen und Römer begraben hat?

Und auch seinen „Kriegsgesängen“ wird auf „Projekt Gutenberg-DE“ die Gunst erwiesen, weiter und wieder veröffentlicht, wie einst und jetzt, so ein Titel von ihm, wie einst und jetzt wieder weiter und weiter, für ein Gedicht, mit dem er sein neues Sein feiert: „Ich bin nicht mehr ich selbst. Ich war, ich bin ein Glied“ …

Die Entscheidung, dies Flex’sche zu ziterieren oder nicht zu zitieren, kann nur so ausfallen, es kann zitiert werden, aber nur noch doppelt durchgestrichen —