Auf dem Weg nach Kiel zwingt ein Radwechsel vor der Stadtpfarrkirche in Villach zu einem kurzen Aufenthalt. An einem Tag des Biertums und Brauchamts im Juli 2025. Während des Radwechsels stets vor Augen das „Kriegsdenkmal“ auf dem Kirchtagsturm. Vor zehn Jahren mußte schon einmal in Villach eine Pause eingelegt werden, auch damals war das „Kriegsdenkmal“ nicht zu übersehen, dieses von einem „aktiven NSDAP-Mitglied“ an die Kirche Geschlagene …
In Kärnten bekannt wurde Kerndle 1923 zunächst als Bildhauer durch die Planung und Ausführung des Kriegerdenkmals an der Südseite des Turms der Stadtpfarrkirche St.Jakob, Villach, Kirchplatz 9 und 12, dessen Anlage bereits frühe faschistoide Züge aufweist. Weitere Kriegerdenkmäler lassen Einflüsse des nationalsozialistischen Gedankenguts erkennen.
Architekturzentrum Wien
Das „Kriegsdenkmal“ wurde inzwischen verändert, einer villacherischen „Erinnerungskultur“ gemäß verändert; so wird Villach fortan berühmt sein für Villacher Erinnerungskultur wie Villacher Fasching … Und wie wurde die „frühe faschistoide Züge“ aufweis[ende] Anlage“ verkleidet?
Am dritten Tage des herrschenden 80. Villacher Hochamts ist in „Mein Bezirk“ zu lesen, am 29. Juli 2025:
Text schon mal hinterfragt?
Friedliches Kriegsdenkmal am Stadtpfarrturm
Auf der Südseite des Turms befindet sich ein Denkmal, das aus dem Jahre 1923 stammt und an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs erinnert. 2018 wurde es renoviert, da es deutliche Abnützungserscheinungen gezeigt hat. Was wenigen aufgefallen sein dürfte, ist, dass das Denkmal im Zuge dessen inhaltlich erweitert wurde. Zwei Gedenktafeln, die sich rechts der monumentalen Schwertspitze am Kirchturm befinden, wurden in ein großflächig getextetes Gedicht der 1904 verstorbenen jüdischen Dichterin Friederike Kempner eingebettet.
„Denn Friede ist Pflicht“
Der Text lautet: „Frieden. Immer kämpfen, immer streiten. Und das lohnt doch wahrlich nicht. Und das Recht hat viele Seiten. Und der Frieden, er ist Pflicht.“ „Mit diesen Zeilen wollen wir – gerade im sehr ernsten Kontext des Krieges – auf das Wichtigste überhaupt hinweisen: Frieden“, erklärt Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) auf Anfrage von MeinBezirk. Für das Konzept ist Architekt Roland Winkler verantwortlich. Die Gesamtkosten für Sanierung und Erweiterung des denkmalgeschützten Objekts haben sich im Jahr 2018 auf 25.000 Euro belaufen.
Wiki würdigt das Kunstwerk
Auch auf der Wikipedia-Seite über Friederike Kempner wird Winklers künstlerisch spektakuläre Kempner-Rezeption gewürdigt. „Zum Denkmal aus dem Jahre 1923 in seiner zeittypisch heroischen Ausführung gehören zwei alte, ebenfalls zeittypische Texttafeln. All das sollte bei der Sanierung erhalten bleiben (Denkmalschutz). Winkler bettete nun die alten Tafeln in einen großflächigen Steinhintergrund mit einem Text ein, der lange vor dem Ersten Weltkrieg verfasst wurde: einem Text von Friederike Kempner“, ist da zu lesen. Eine klare Ansage der Stadt Villach: „Wenn wir den Krieg aus Denkmalschutzgründen nicht vom Kirchturm entfernen können, betten wir ihn eben in Frieden ein“ – frei zitierte Mutmaßung von Peter Kleinrath. Auf Kempners Grabplatte am alten jüdischen Friedhof in Breslau steht übrigens passend dazu zu lesen: „Ihr Leben war geistiger Arbeit und Werken der Nächstenliebe geweiht.“
Kein Zitat, keine Mutmaßung, aber auf die „frei zitierte Mutmaßung von Peter Kleinrath“ könnte folgen: Wenn wir den Faschismus aus Denkmalschutzgründen nicht vom Kirchturm entfernen können, betten wir uns eben in ihm uns ein …
Was Roland Winkler veranlaßte, gerade einen Vers von Friederike Kempner zu nehmen, kann nur gemutmaßt werden, vielleicht war es der Begriff „Pflicht“, das die kerndleischen frühen nationalsozialistischen Worte in einem einzigen Wort
„Den Söhnen der Stadt, die im großen Krieg 1914-1918 für Heimat und Deutschtum ruhmwürdigen Todes gestorben sind, zu Ehr und Dank und ewigem Gedächtnis. Und alle, die je dieser Stadt entstammen, / Wird euer leuchtendes Vorbild entflammen / Zu Opfersinn und zu Heldenmut / Für Heimat und Volk, unser höchstes Gut.“
den Entstammten zum leuchtenden Vorbilde in Ehr zu entflammen im ewigen Gedächtnis Deutschtums —
Vielleicht aber wollte Roland Winkler bloß, daß das Lachen nicht aufhören möge, und es ward viel gelacht worden über die Gedichte von Friederike Kempner; in einer Sitzung des Villacher Faschings wäre es wohl ein Kracher, ihre Gedichte und auch die Parodien ihrer Gedichte vorzutragen …
Einer, so dichtete einst es Friederike Kempner, hat den „Frieden“ als „Pflicht“ aus seinen „reinen Händen“ anheimgegeben:
Der Zar
Aus des Zaren reinen Händen
Nimmt die Welt den Frieden an,
Und die Völker alle wie ein Mann
Ihm den reichsten Segen spenden.
Wollen all‘ die Waffen strecken,
Niemals sich mit Blut beflecken;
Denn was niemals vor ihm war,
Will und schafft der junge Zar.
Und es lächelt die Geschichte,
Sonst so ernsthaft im Gerichte.
Edler Zar, bist Gott gesandt,
Schaffst das größte Vaterland.
„Wollen all‘ die Waffen strecken, niemals sich mit Blut beflecken;“ … Für diesen Vers hat sich Roland Winkler nicht entschieden, vielleicht weil darin die „Pflicht“ fehlt? Die „Pflicht“, die in diesem Lande zu erfüllen, heilig ist. Wem die „Pflicht“ Ehr‘ und Treu‘ ist, diesen hat Friederike Kempner ein Denkmallied gesetzt:
Das Burschenlied
Die Poesie ist ein Gebiet,
Wo alle Blüten treiben.
Jetzt soll ich gar ein Burschenlied
Für die Studenten schreiben.
Wohlan, es sei, ich fange an,
Und schreib‘, so gut ich schreiben kann.
Ich lob‘ mir die Studentenschaft,
Die brav, fidel und bieder,
Mit hellem Geist und Mut und Kraft
Hoch hält die deutschen Lieder.
Mit Liedern zieht er in die Welt,
Ein solcher Bursche ist ein Held.
Im schmucken, reichgestickten Kleid,
Mit Humpen und mit Degen
Ist gern geseh’n er weit und breit,
Auf allen deutschen Wegen.
Ein solcher Bursche ist ein Held,
Er zieht als Sieger durch die Welt.
Und zeigt man ihm ein böses Weib,
Die Braut ihm zu ersetzen,
Weicht tausend Schritte er vom Leib,
Er läßt sich nichts verhetzen.
Mit achtzehn Jahr‘ hat er gefreit,
Und damals war er grundgescheit.
Studenten, unsere Zukunft einst
Hängt ab von eurem Werden,
Ob’s freund- und friedlich wird dereinst,
Ob’s heimlich wird auf Erden.
Und Eins noch hänget von euch ab,
Ob man lebendig muß ins Grab! –
Ob Nacht, ob Finsternis, ob Licht,
In eurer Hand wird’s liegen.
Vergeßt der großen Ahnen nicht,
Dann wird das Rechte siegen.
Die Burschenschaft, sie ist ein Held,
Und ihr gehört die ganze Welt.
Zu den „denkmalgeschützten“ Worten des Karl Maria Kerndle hätte der kempnerische Vers gepaßt, freilich auch zum ganzen Land weit über Kärnten hinaus: „Vergeßt der großen Ahnen nicht, dann wird das Rechte siegen. Die Burschenschaft, sie ist ein Held, und ihr gehört die ganze Welt.“
Lange nach dem Radwechsel, auf der raschen Weiterfahrt, Villach weit schon hinter sich gelassen, fallen doch noch die vor zehn Jahren gesehenen weiteren Tafeln auf der Villacher Kirche ein; was wohl aus diesen inzwischen geworden ist, ob sie noch hängen, ob sie wer mit Versen auch aus dem 19. Jahrhundert recht schon verziert hat, ob sie auch, wenn sie es noch nicht waren, nun denkmalgeschützt —
die verslosen, aber mit so vielen Orten angeschriebenen Tafeln, wohin sie überall pflichtgemäß kamen, also bis vor 80 Jahren, es dann vor achtzig Jahren Schluß war mit „die ganze Welt“ …



Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.