Ob es denn eine verzeihliche Nachlässigkeit sei, Biographisches zu verschweigen, wie beim Papalagi Erich Scheurmann, wurde im vorherigen Kapitel gefragt, ohne darauf eine Antwort zu geben, so bleibt nur eines, ehe eine Antwort gegeben werden kann, weiter zu fragen, ob es denn eine verzeihliche Nachlässigkeit noch sein kann, wenn auch bei einem weiteren Schreibenden Biographisches mehr verschwiegen als angegeben wird, wie bei einem unter B gereihten?
Auf „Projekt Gutenberg-DE“ ist am 10. Oktober 2023 dies, nur dies zu lesen:
Rudolf Hans Bartsch wurde am 11. Februar 1873 in Graz, Steiermark, geboren und starb am 7. Februar 1952 ebendort. Er war ein österreichischer Offizier und Schriftsteller. Bartsch schrieb seit 1908 Romane und Novellen, die nach Aussagen heutiger Kritiker das alte Österreich oft sentimental verklären. Nach Gero von Wilpert »ein überaus fruchtbarer, unkritischer Erzähler aus dem alten Österreich mit gefühlsselig-liebenswürdigen Romanen und Novellen, herzigen und bittersüßen Liebesgeschichten von spielerischer Leichtlebigkeit …« Bereits für seine ersten Werke wurde er sehr positiv rezensiert, für »Zwölf aus der Steiermark« wurde er von dem einflußreichen Kritiker Hermann Bahr als »die neue Stimme Österreichs« gelobt.
Verschwiegen also das, was heutzutage sogar auf der Website der Stadt Graz zu lesen ist:
Nach dem sog. „Anschluss“ wurde er gezielt durch die Nationalsozialisten gefördert, u. a. erfuhr der stark antisemitische Roman „Brüder im Sturm“ (1940) durch die Nationalsozialisten eine Neuauflage. Zu seinem 70. Geburtstag übermittelte der RSK-Präsident seine persönlichen Glückwünsche. Zum Reichsparteitag in Nürnberg war Bartsch als Ehrengast geladen. Karl Holz beschreibt Bartsch 1938: „Also in der sogen. illegalen Zeit, [habe ich ihn] als einen absolut deutschgesinnten Mann und als begeisterten Verehrer des Führers kennen gelernt. Für diese Gesinnung bürge ich. Sie spricht ja auch aus allen seinen Werken.“ (BDC 19.11.1938) Kurz nach dem sog. „Anschluss“ stellte er außerdem ein Ansuchen an die Wiedergutmachungsstelle der Landesleitung der NSDAP Wien, weil er sich in einem zwanzig Jahre langen Rechtsstreit von einem jüdischen Anwalt hintergangen fühlte. Schlussendlich bekam er 1.300 RM zugesprochen (vgl. BAUR/GRADWOHL-SCHLACHER, S. 76f). Ab 1938 nahm seine Publikationstätigkeit stark ab. Im Juli 1939 wurde Bartsch verhaftet, da er in der Sommerfrische in Seewalchen einen randalierenden Hausbesorger erschossen hatte. Ende Juli kam er durch Fürsprache Ginzkeys wieder frei. Obwohl Bartsch ideologisch in die „Blutund Boden-Literatur“ der Nationalsozialisten passt, wich er, laut Kuchling, von deren politischen programmatischen Konzepten in einigen Punkten ab. Ab 1949 gewährte ihm die Stadt Graz eine Ehrenrente, die 1951 nochmals erhöht wurde. Im selben Jahr erhielt Bartsch den Peter-Rosegger-Preis verliehen (vgl. KUCHLING 71-73).
Er, Bartsch, wurde einmal verhaftet, nicht wegen seines Widerstands, sondern weil er einen Menschen erschossen hat, aber er kam wieder frei. Davon wurde schon einmal erzählt. Und nicht nur das.
Es sind noch unter weitere Buchstaben geordnete Schreibende, deren Biographien ausgebürstet, so daß die Frage, ob es denn eine verzeihliche Nachlässigkeit sei, Biographisches derart auszubürsten, zur Frage führt, ob denn diese erste nicht durch eine andere Frage abzulösen, anders zu stellen ist, die beinahe schon so etwas wie eine Antwort ist.
Da aber heute in Kärnten dieser Dienstag wie ein Feiertag begangen wird, nämlich der 10.-Oktober-Tag, soll diese Frage jetzt einmal nicht weiter beschäftigen, sondern von Josef Friedrich Perkonig erzählt werden.
Am 11. Februar 1933 wird Rudolf Hans Bartsch sechzig Jahre alt …
Siehe du ewiger Deutscher der du schon in der Nibelunge Not
Sagen des Nordens raunen um seinen Kopf
Und nirgendwo andershin konnte dieser Dichter gehen als in das ewige Deutschland
denn nur es hat Raum und Sinn für so glückhaften Überfluß
an dichterischem Zustrom mit einer Frische ohnegleichen in die deutsche
Dichtung sprang da wanderte nicht nur der alte Peter Rosegger nach Graz
um dem neuen Dichter die Hand zu drücken Es gab einen regelrechten Aufruhr
im geistigen Deutschland denn da war plötzlich ein herrlicher Rebell
aus seiner Namenlosigkeit erwacht und hatte die unerhörte Kühnheit zu einem völlig
neuen Ton Dichter davon redet wie »das Glück des deutschen Menschen«
beschaffen sein muß wie es zu erlangen ist wie es Verzweifelnde zu erlösen
imstande wäre und jetzt da er in einem tröstlichen Buche ein Beispiel gibt
»wie wir unsere Armut tragen« sollen muß es endlich auch für die Blindesten
und Taubsten offenbar geworden sein was seines Amtes ist ein zeitloses Glück
zu lehren durch das die Menschen naturnäher naturwahrer geworden besser
und fröhlicher leben könnten eine der seltsamsten schönsten Gestalten im
geträumten Deutschland verdichtet ist aus Wunsch und Leiden
einer großen Zeit daß er also diese Geister mit beschatteten Stirnen von dem sanften
Lächeln menschlicher Schwäche angolden läßt Evangelium von irdischer Glückseligkeit
noch gedämpfter vortrug als dort wo sie nun vollendet und immer wieder neu bestätigt
die Lehre vom Glück des deutschen Menschen verkündet Diese Treue zu sich
Deutschland allein zu reden Und da war Einer der nur den Mund zu öffnen brauchte
und man hörte aus ihm wunderbar erneuert den Klang jenes ewigen Deutschland
Dieser Hang zum Geheimnis aber dieses gottesdienstliche Hingegebensein diese freudige
vertrauende Demut kommt aus deutschem Blute sie sind so deutsch und arteigen so seltsam
und wirklich gnadenhaft daß sie einer fremden Seele und Zunge nicht mitgeteilt werden können
sie können in eine andere Sprache nicht übersetzt werden weil sie nicht einmal in der Sprache
desjenigen der sie in seinem Blute ahnt gegenständlich zu sein vermögen Es ist ein verschollener
in unbewußter Eifersucht gehüteter Mythos der nicht beschworen werden kann der vielmehr von Anbeginn in der Berufung zugegen sein muß es ist das Geheimnis die Legende die das umfangreiche Werk von der anderen Welt abschlossen Es gibt nur noch einen Dichter freilich geographisch und geistig in einer herberen kühleren Landschaft daheim der so eigensinnig deutsch die dunklen Unterströme unnachahmlicher Wesenheit spüren läßt wie Bartsch Hermann Stehr Auch er ist natürlich dem Auslande unbekannt auch er leidet das scheinbar unwiderrufliche Schicksal des großen Deutschen Undank
Da ist das Baumrauschen in den »Zwölf aus der Steiermark« da ist das trauliche Klopfen und
Plappern der Klapoteze im »Deutschen Leid«
Auf seinem Grabstein könnte einstens die Inschrift stehen
»Die Jahreszeiten waren seine erlauchten Ahnen sein Bruder war der große Pan«

Josef Friedrich Perkonig, der dies zum sechzigsten Geburtstag von Rudolf Hans Bartsch schrieb, mußte ein Jahr weniger als zwei Jahrzehnte darauf warten, daß er seine Grabinschrift auf dem Grabstein seines Gelobten endlich lesen konnte, dem er seine Grabinschrift bereits zu seinem sechzigsten Geburtstag verfaßte, wie sehr mußte Josef Friedrich Perkonig seinen Hochgelobten schon mit sechzig Jahren unter die Erde gewünscht haben, daß ihm, Perkonig, zum sechzigsten Geburtstag seines Hochgelobten eine Grabinschrift einfällt.
Josef Friedrich Perkonig hatte dann doch noch neunzehn Jahre Zeit, an seiner Grabinschrift zu feilen, bis Rudolf Hans Bartsch, sein Hochgelobter, endlich unter der Erde, genauer, endlich Asche in einer Urne … und so wurde seine Inschrift etwas länger, noch dichterischer, wie diese am Ehrengrab von Rudolf Hans Bartsch
Die Gestirne waren seine Uhr
Die Winde sein Atem
Die Jahreszeiten seine Herzschläge
Sein Bruder war der große Pan
J. F. Perkonig
Hier ruht die Asche des steirischen Heimatdichters
Rudolf Hans Bartsch
Ihrem Ehrenbürger – die Stadt Graz
auf dem grazerischen Schloßhügel …

Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.