Volkskanzls Spielplan: Theodor Körner, Oper

Wie wurde sofort höchst philosophisch gemutmaßt, daß die Zugewinne einer Partei auf den Spielplan in diesem Land Auswirkung werde haben können, die Zugewinne einer Partei, die jene in diesem Land, die an einer Landleitkultur sich denkend versuchen, nicht zur Leitkultur zugehörig meinen, Änderung des Landspielplans erwirken könnten, aber wie würden extreme Zugewinne der Parlamentspartei, die die Leitkultur dieses Landes exemplarisch erfüllt, den Landesspielplan ändern, und das nicht erst vielleicht in ein paar Jahren, sondern sofort, mit dem Tage, an dem diese Parlamentspartei zur Regierungspartei nicht gewählt, aber, wie stets, zur Regierungspartei gemacht, diese Partei, die dem Lande eine Volkskanzl

Wie ohne ihr Zutun, ohne ihr Diktat, ganz der dem Lande eingeschriebenen Leitkultur gemäß verpflichtet, plötzlich, und doch nicht so plötzlich, wie es scheinen mag, sondern über Jahre vorbereitend eingeschlichen, eilfertige Geschäfterei, ihr zu gefallen, auf dem Spielplan beispielsweise der Wiener Staatsoper:

„Theodor Körner“

Auf dem Spielplan der Theater in der Stadt und auf dem Land in Österreich nicht vielleicht in ein paar Jahren, sondern gleich:

„Theodor Körner. Große vaterländische Oper in 5 Akten und einem Vorspiel: Des Königs Aufruf. Dichtung von Louise Otto. Musik von Wendelin Weißheimer.“

Es werden Berufene augenblicklich sich einfinden, zu erklären, wie aktuell diese Oper, deren Notwendigkeit, diese aufzuführen, und wer könnte ihnen je noch widersprechen, bezeugt allein schon deren Vorspiel mit dem Ks Aufruf die Aktualität, ihre Wiedergabe der Gegenwart, mit seinem vielleicht bittersten Vers von den sieben Jahren, die der Menschen Los dieses Landes —

Aus der Zukunft eine staatsoperliche Ankündigung, gar schlicht, ganz dem Stile einer Volkskanzl verschrieben, mit Worten aus dem Vorspiel —

Freier Platz einer deutschen Residenz.

Erster Bürger. Dort zieh’n sie hin – und erst wenn sie vorüber , darf man ein Wort zu seinem Nachbar wagen . Zweiter Bürger. `s ist schlimme Zeit ! Was hat man sich zu sagen ?! Die alten Leiden – die alten Klagen ! Dritter Bürger. Was hilft`s , darüber Worte noch verlieren ? So lange wir`s im Vaterland ertragen , Daß sich die Fremden drinn als Herrn geberden , So lang wird`s nie den Deutschen besser werden. Erster Bürger. Still still ! Ihr wagt ein unbesonnen Wort ! Zweiter Bürger. Sprecht Ihr so kühn , geh‘ ich lieber fort . Dritter Bürger. Ja , das ist Eure Art ! Ihr zittert schon , Beginnt man nur vom Vaterland zu sprechen . Zweiter Bürger. Für solches Wort ward oft der Tod zum Lohn . Erster Bürger. In diesen Tagen ist das – ein Verbrechen . Dritter Bürger (gewahrt rechts Andere kommend). Dort kommen andre noch von unsern Freunden ; Sie scheinen aufgeregt , — was mag es geben ? Erster Bürger. Auch haben sie zwei Fremde in der Mitte . Zweiter Bürger: Es scheint , sie bringen eine wicht’ge Nachricht . Lüzow. Es ist so , wie ich sage , Freunde, Bürger ! Dies Blatt Papier , das in der Hand ich trage , Es ist ein Aufruf von dem Preußenkönig , gerichtet an die deutsche Nation . Erster Bürger. Der wagt das kühne Wort schon wieder ! Dritter Bürger. Fährt Euch auf‘s Neu‘ ein Schrecken in die Glieder ? Was sagt der Aufruf ?– laßt’s uns hören ! Mehrere aus dem Volk. Laßt hören – sagt es noch einmal ! Lüzow. So hat ein deutscher Fürst noch nie gesprochen . Gleich oben steh’n die Worte : „An mein Volk !“ Mehrere. „Mein Volk – mein Volk !“ Dritter Bürger. — — — — Es sprachen deutsche Fürsten Bisher ja immer nur von Unterthanen , Daß muß `was Großes zu bedeuten haben !

Mehrere. Das muß `was Großes zu bedeuten haben ! Lüzow. Und weiter heißt es in dem Blatt : (Er entrollt das Pergament.) Was Ihr seit sieben Jahren habt ertragen , Bleibt Euer Loos für alle Zeit , Wenn wir zu Boden nicht die Feinde schlagen , nicht muthig ziehen in den Streit ! Es ist ein Kampf für alle höchsten Güter , Für Freiheit , Ehre , Unabhängigkeit ! Warf einst die Schweiz die Unterdrücker nieder , Und hat der Niederländer sich befreit , So wirst auch du , mein Volk , den Sieg erringen , Bist Du bereit , die Opfer darzubringen , Durch die allein die Rettung kann gescheh’n : * „Deutschland muß siegen oder untergeh’n ! “ Das Volk (mit erwachender Begeisterung). „Deutschland muß siegen oder untergeh’n ! “ Körner. Gepriesen sei, Verkünder naher Freiheit! Gepriesen Deines wackern Königs Wort ! Erster Bürger. Daß klingt recht schön – doch ist es kaum zu glauben , Daß wirklich so ein König sprechen sollte . Lüzow. Echt ist das Dokument , kein Zweifel gilt . Erster Bürger. Doch nimmer ist ein solcher Kampf zu wagen . Zweiter Bürger. Die besten Truppen wurden ja geschlagen , Wie kann der Bürger da an Siege denken ?! Mehrere. Es ist umsonst , es ist zu spät , Zu mächtig herrscht der Feind im Land , Ein Wort ist bald im Wind verweht , Ein Aufruf ist kein Siegespfand !

*Diese wie alle in der Folge durch „ “ bezeichneten Stellen sind Th. Körners Dichtungen entnommen.

Körner. Ein mächt’ger König hat gesprochen , Die Sclavenkette ist gebrochen ; „Er hofft auf die gerechte Sache , Hofft , daß sein treues Volk erwache , Hofft auf des großen Gottes Rache Und hat den Rächer nicht verkannt : “ Nun hoffe Du , mein Vaterland , Hoffe Du , mein theures Vaterland : O hört den Ruf an’s deutsche Volk , Bedenkt des Vaterlandes Schmach : „Daß vor des Wüthrichs Ungewittern Die Fürsten seiner Völker zittern , Daß ihre heil’gen Worte splittern , Und daß sein Ruf kein Hören fand :“ Nun folge Du , mein Vaterland , Folge Du , mein theures Vaterland. Erster Bürger. Wer ist der Jüngling mit der kecken Stirne ? Zweiter Bürger. Nicht richtig scheint es mir in seinem Hirne ! Erster Bürger. Sieh nur, wie wild uns keck er um sich blickt. Dritter Bürger. Ein Dichter ist’s – der Zriny = Dichter Körner. Schon leuchtet ihm der Ruhm auf seinen Pfaden Ein echter Dichter ist’s von Gottes Gnaden. Erster Bürger. Den Dichtern ist es leicht zu Ruhm zu kommen , Zweiter Bürger. Sie singen wohl : wir opfern Gut und Blut , Beide. Doch werden sie beim Wort genommen, Dann ist dahin der kühne Heldenmuth. Körner. O Feige ! hört und achtet wohl , Wie Deutschlands Sänger singen will : „Die Knechte will er helfen niederschlagen , Den fremden Herrscher aus den Grenzen jagen , Auf seinem Liede kühn die freien Söhne tragen “ Zu der Vergeltung Rachekampf ! So singt er seinem Vaterland , Giebt Gut und Blut für’s theure Vaterland . Das Volk. Dem Sänger Heil , der mit dem Schwert Die Leyer tauscht. Die Zeit ist da ! das Volk ist aufgerufen Durch eines Königs hocherhebend Wort ; Der Mahnruf schallet von des Thrones Stufen Bis in die Hütten , in die niedern , fort : „Zerbrecht die Pflugschar , laßt den Meißel fallen , Die Leyer still , den Webstuhl ruhig steh’n, Verlasset Eure Höfe, Eure Hallen , Vor dessen Antlitz Eure Fahen wallen : Er will sein Volk in Waffenrüstung seh’n ! Frisch auf , mein Volk , die Flammenzeichen rauchen ! Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht , Du sollst den Stahl in Feindesherzen tauchen , Frisch auf , mein Volk, die Flammenzeichen rauchen ! Die Saat ist reif ; ihr Schnitter zaudert nicht , Das höchste Heil , das letzte , liegt im Schwerte ; Drück Dir den Speer in’s treue Herz hinein , Der Freiheit eine Gasse ! – Chor. Der Freiheit eine Gasse ! Körner. Wasch die Erde , Dein deutsches Land , mit Deinem Blute rein ! Chor. Wasch die Erde , Dein deutsches Land , mit Deinem Blute rein ! “

Lüzow. Greift nicht der Bürger endlich selbst zum Schwerte, Wird Deutschland immer Frankreichs Sclave sein. Dritter und anderer Bürger. Ja , er hat Recht ! Damit es besser werde, Muß Jeder sich dem Vaterlande weih’n. Lüzow, Körner und das ganze Volk. „In’s Feld, in’s Feld ! Die Rachegeister mahnen ; Auf , deutsches Volk! Zum Krieg , zum Krieg ! “ Lüzow. Noch herrscht der Fremde überall im Lande. Dies Königswort zeigt uns die rechte Bahn. Körner mit dem Volke. „In’s Feld, in’s Feld ! Hoch flattern unsre Fahnen ! Sie führen uns zum Sieg , zum Sieg ! “ Lüzow. Uns zu erretten aus der Knechtschaft Schande , Folg ich dem Ruf und geh‘ Euch gern voran , Und Alle, die des Landes Noth mag rühren , Will ich als Freischaar zu dem Heere führen. Wer hier es mit dem Volke redlich meint , Hat sich mit mir zu einem Bund geeint. Körner. So folg ich Euch ; laß ich auch hier zurück Der Kunst Triumpfe und der Liebe Glück. Viele aus dem Volke. Freiwillig folg auch ich den deutschen Fahnen , Die uns den Weg zu der Erlösung bahnen ! (Trommenwirbel.) Lüzow. Horch ! Es nahet die Patrouille ! Verberget Euch vor ihrem Blick. Alle. Nicht lange mehr wird Eure Herrschaft dauern , Es nahet bald der Tag , der alle Leiden rächt. Lüzow. So gehe jetzt ein Jeder zu den Seinen , Abschied zu nehmen und dann seit bereit , Daß wir im Stillen wieder uns vereinen , Um fort zu ziehen in den heil’gen Streit ; Der Losung denkt, der Freiheit , die wir meinen : , Deutschland muß siegen oder untergeh’n ! Alle (mit großer Begeisterung). Deutschland muß siegen oder untergeh’n!“ (Der Vorhang fällt.)