Einst Pflichtlektüre in einer Volkskanzl

So weit wird es wohl nicht gehen, daß aus den Lehrplänen die Evolution, das Periodensystem der Elemente, Energiequellen verschwinden, wie in einem Land, das dennoch weiter als Demokratie verkauft wird, eine mit der sich noch weiter zu verbinden, kurz ist es her, auch der Österreichs Staatsspitze ein heißer Wunsch

Dies ist nicht das einzige Land, dessen Führer

beispielsweise die Evolution nicht mehr zu unterrichten wünscht

Und was in einem weiteren Land, das von seinem Führer auch weiter als Demokratie verkauft wird, alles nicht mehr, dies alles aufzuzählen, ist nicht notwendig, ein paar Klicks genügen, um auch über diesen Führer alles zu erfahren, was ihm keine Schule der Menschen mehr sein will.

Und seit es diesen Führer in einem weiteren Land gibt, ist manches zur Pflichtlektüre geworden, gewiß aber auch einiges,

das mit Bestimmtheit je keine Pflichtlektüre in der chinesischen Kolonie, aber, das würde nicht überraschen, auf einen Index

Und was auf einen Index kommt, ist im harmlosen Fall, wenn es denn so genannt werden darf, ein Aus-den-Regalen-Nehmen von Büchern mit finanziellen Einbußen für die Schreibenden,

im schlimmsten Fall zum Verbrennen, das für die Schreibenden selbst lebensbedrohlich werden kann, mit tödlichen Folgen.

Bei dem einen und anderem oben erwähnten Land setzt sich, auch in Österreich, die Begrifflichkeit durch, von „illiberalen Demokratien“ zu sprechen, wie zur Eigenberuhigung, „illiberal“ aber doch weiter „Demokratien“, mit denen sich zu verbinden, „Demokratien“ aber noch „liberale“ keine Verbiegung ihrer Demokratien, deren Gewissen weiter unbefleckt bleiben können. Von „liberaler Demokratie“ zu sprechen ist zum einen ein gedankenloses Nachsprechen der „Illiberalen“, die die Marke „illiberale Demokratie“ aufbrachten, eine „illiberale Demokratie“ ist keine Demokratie, und das hilflose Entgegentreten mit „liberaler Demokratie“ ist im Grunde schon die Aufgabe der Demokratie.

Denn. Demokratie ist Demokratie, ohne Beiwort, ohne Beschränkung, ohne Einhegung, sonst ist sie keine Demokratie.

Es gibt auch in Österreich

Begehren, noch bescheiden als Empfehlungen,

Anpreisungen als „Fundgrube“,

aber wenn die Volkskanzl kommen sollte, wieder gemacht und wieder nicht gewählt, dann könnte es auch zu Pflichtlektüren kommen; von den möglichen Spielplänen wurde schon erzählt …

Für die Erwachsenen in der Nacht zum Genuß auf der Bühne das „Melodrama Theodor Körner“ mit weberischen Gassenhauer und für Schüler als Pflichtlektüre; und wenn das Lehrpersonal modern, dann die Pflichtlektüre für Schülerinnen mit den Schwertmelodien von Carl Maria von Weber

Wenn dies eines Tages, stellen Sie sich vor, dies eines Tages an österreichischen Schulen, stellen Sie sich vor, Pflichtlektüre, dann ist es nicht unvorstellbar, daß es in Österreich so weit kommen kann, wie es jetzt schon in den illiberalen und also demokratielosen Staaten gekommen ist, auch in den Schulen …

Oberjäger. (Wickelt sich fest in seinen Mantel und legt sich bei dem Wachtfeuer nieder.) Der Lieutenant hat Recht ! Schlaft, daß morgen die Schwerter nicht bleiern wiegen. Gute Nacht !
Einzelne Reiter. (Durcheinander.) Gute Nacht !
Körner. (Tritt, sobald die Musik verklungen, vollständig gerüstet aus der letzten Coulisse links, geht, die Arme verschränkt, langsamen Schrittes zum Wachtfeuer, wo er im tiefsten Ernste die Schläfer betrachtet.) Wie sie so ruhig schlafen ! — — — — — — —
Ehe die Sonne ihre Höhe erreicht, ist Mancher der Erde entrückt ; Mancher steht vor seinem Richter, — Mancher ! – Mancher ! — — — — — Die üppige Blüthe kraftvoller Jugend ist für Viele zum Grabe gereift ; — Mancher, den jetzt ich noch, ein Bildnis der Vollendung, schaue, wird morgen verstümmelt auf dem Felde liegen, und unter den Hufen unserer Rosse den erlösenden Tod herbeisehnen ! — — — — — Und sie schlafen ! — — — — —

Hier schaue her, armes Vaterland, suche Hoffnung auf der Stirne dieser Schläfer ! Tritt her, herzlose Tyrannei, tritt her und zittere vor der strafenden Nemesis : Schau‘ auf diesen Mund, der eine Stunde vor der Schlacht lächend köstlicher Küsse gedenkt, sieh‘ diese Linke die gramgebeugte Eltern von sich drängt, während die tapfere Rechte an Schwertesgriff sich trotzend ballt !

Ja, Vaterland, deine Sache ist gerecht : Dieser Schläfer Handwerk ist blutig, doch schuldig sind sie nicht; sie wirst Du nimmer fragen, himmlische Gerechtigkeit : „Wer hieß Euch morden ?“ Nimmer wirst Du fragen : „Wieviel des Blutes klebte an Euren Schwertern ?“ — — Wer, den Fuß im Grabe, schlafen kann, wer in dem letzten Traume dieser Welt seiner Lieben gedenkt und abwehrend nach dem Schwerte greift, wer lächeln kann, wenn schon die Posaunen zum Gerichte rufen und der giftige Odem der Verwesung ihn umgibt, der kann nicht schuldig sein : Er siegt in der gerechten Sache, oder geht unter als Held ! — — Legt dem jungen Löwen Ketten an, — er wird sie tragen, dann wird er sie brechen, wie morsche Stränge, und Wehe dem, der der erwachten Natur entgegentritt: Mit seinem Leben muß die Tyrannei er zahlen !

Ein weiser Schöpfer gab dem Thiere den Drang nach Freiheit, — soll der Mensch sich knechten lassen ? –

Soll er im eisernen Joche Gesetze gehorchen, die eine fremde Hand dictirt?

Nein, nein, das willst Du nicht, Schöpfer des Löwen ; Du hast auch diese Brust geschaffen, Du kenn’st ihr Drängen und richtest nicht, wenn für Freiheit und Recht alle Saaten mit Blut getränkt, Du richtest nicht, selbst wenn eine Welt darüber zu Schanden ginge. — — — — — — — — — — —
Dem großen Werke habt Ihr Euch geweiht, frei wollt Ihr leben oder sterben den Helden auf den Trümmern einer Nation : So kämpfet denn, wie Männer, siegt oder fallet als Helden, und Euer Schlaf wird der der Unschuld sein, möge er auch währen bis zu dem jüngsten Tag ; — Ihr lebt und werdet ewig leben in dem Herzen einer dankbaren Nachwelt !

(Kleine Pause, während welcher Körner tief ergriffen nach dem Vordergrunde geht.)

Die Nacht ist schon weit vorgerückt und noch finde ich keine Ruhe !

(Setzt sich an den Fuß der Eiche und legt den Ezakow ab.)

Das Herz ist mir so voll, trübe Bilder beengen die Brust : Ich weiß nicht was, aber ich fühle ein Etwas in mir, das mich zur Wehmuth stimmt. — — Ist es Furcht ? — — Nein, nein: Bis jetzt habe ich sie nicht gekannt, warum sollte sie denn heute Raum gewinnen ? — — — Ist es der Gedanke an das Elternhaus ? — — Was mögen sie machen ? Wird der Vater, wie sonst, noch bei der Lampe sitzen und in Büchern und Acten sich vertiefen, oder ist er im Geiste bei seinem Theodor?

Wird die Mutter die Sorge um den Sohn im Schlafe vergessen haben, oder sitzt sie weinend auf ihrem Lager ? — — — Und Toni ? — — (Starrt gedankenvoll vor sich hin, fährt dann plötzlich betroffen in die Höhe.) Wer ruft ? Wer nennt meinen Namen ? — — — — — Niemand ? — — — Ich hörte deutlich „Theodor“ rufen und, wie mir schien, von lieber Stimme ! — — Giebt es Ahnungen ? (Kleine Pause, dreht sich dann erschrocken rasch um.) Ich komme ! Wer ruft ? (Geht suchend nach dem Hintergrunde, kehrt dann in den Vordergrund zurück; erschrickt plötzlich und ruft mit schmerzvoller Sehnsucht.) Toni ! — — — — — — (Mit unheimlichem Gefühle.) Keine Antwort ? — — — — Sollte es ein Lebewohl gewesen sein ? — — — — Dunkle Gottheit, darf die Seele den Leib verlassen, um den Geliebten zu umschweben ? — — — — — Giebt es Ahnungen ? — — — — — — — —

(Gefaßt, mit Gefühl.) Sollte es ein letzter Gruß gewesen sein, so lebet wohl, alle meine Lieben, lebt wohl und zürnt mir nicht : Ich konnte euch den Schmerz nicht sparen ! – Nicht jugendlicher Uebermuth zwang mir aus Euren Armen, nicht war es die Ehrfurcht, die mir die Leyer entriß und mit dem Schwerte mich waffnete, nein, es war ein heiliges Drängen, es war die Vaterlandsliebe, die mich in’s Feld geführt !

(Der Morgen dämmert.)

Die Erde, die unseren Hermann trug, war deutsche Erde, und deutsch soll sie sein, so lange ein deutscher Arm noch ringen kann : Für Deutschlands Freiheit zerschellte ich die Leyer, für Deutschlands Freiheit muß ich siegen oder bluten !

(Klopft auf die Brust.) Es ist hinweg, ich athme wieder frei ! (Setzt sich wieder an den Fuß der Eiche, und blickt gedankenvoll in die nach und nach emporsteigende Sonne.)

„Ahnungsgrauend, todesmuthig;
„Bricht der große Morgen an ;
„Und die Sonne kalt und blutig,
„ Leuchtet uns’rer blut’gen Bahn.
„In der nächsten Stunde Schooße
„Liegt das Schicksal einer Welt :
„Und es zittern schon die Loose,
„Und der eh’rne Würfel fällt !“

(Kleine Pause.)

Jetzt brichst du dir Bahn, hehres Licht ; rein, wie die Gottheit selbst, tritt’st du aus dem Nebelschleier neidischer Wolken und kündigst uns so freundlich die Gnade der allwaltenden Liebe ; doch, wenn dein Lauf vollendet, wirst du trüben Blickes scheidende Grüße auf ein Feld der Verwüstung senden, trauernd wirst du bleiche Lippen zum Abschiede küssen, um dann mit dem Schleier der Nacht das blutige Werk der eitlen Welt zu decken` — — — — — Vielleicht sind es auch meine Lippen, die du küssest ! — — — — —

(Er lehnt sich gegen den Eichbaum und nimmt aus der Brusttasche ein Notizbuch, in dem er liest und blättert; nach kleiner Pause schreibt er mit mehrfachen Unterbrechungen:

Es ist dies die Dichtung des Schwertliedes; eine säuselnde Musik hinter der Scene (conf. Partitut Kro. 5) begleitet den allmählig begeisterter werdenden Dichter mit der bekannten Melodie des Schwertlieds; um die in der Handlung entstehende Leere nicht zu fühlbar werden zu lassen, ist das Erwachen des Tages in möglichster Pracht und Ausdehnung zu geben, als: Sonnenaufgang, entferntes Glockengeläute; nach zwei Versen schweigt die Musik.)

(Trompetensignal hinter der Scene.)

(Körner wird weder durch das Signal, noch durch die Unterhaltung der erwachenden Reiter gestört, und dichtet ruhig weiter.)

Oberjäger. Heda ! Auf ! Der Hahn hat gekräht !
Alle. (Erheben sich dehnend und streckend.)
2 r Reiter. Das war ein göttlicher Schlaf !
4 r Reiter: Davon weiß ich just nichts zu sagen : Meine Knochen sind wie gerädert !
3 r Reiter: Das gewöhnt sich, Kleiner ! Der Schlaf war prächtig, nur ein Bischen kurz !
1 r Reiter. Gar nicht des Niederlegens werth !
Oberjäger. Kein Wunder, wenn man bis gegen Morgen tollt ; — doch jetzt zur Fütterung : Erst das Pferd und dann der Mann, das ist Reiter-Manier.
Alle. (Durch die letzte Coulisse links ab.)
(Kleine Pause, während welcher die Melodie des Schwertliedes von oben sich wiederholt ; nach einem Verse schweigt die Musik.)