Kein Schach

Es hat nun der christschwarze Landeshauptmann der Steiermark wieder das Schachspiel ins Gerede gebracht, indem er nach dem Absturz seiner Partei in der steiermärkischen Landtagswahl klagte, er sei „das Bauernopfer der Republik“, und er bedankte sich dafür bei Alexander Van der Bellen, den er für den Absturz seiner Partei verantwortlich macht, weil dieser nicht den Festungsobersten mit dem Regierungsbildungsauftrag

Angefangen hat, wieder angefangen hat damit Alexander Van der Bellen, das Schachspiel zu bemühen, mit seiner Bemühung, ein „Patt“ herbeizureden, mit einem „Patt“ sich herauszureden, und dabei versuchte, einzureden, das sei in Österreich eine neue Situation, dabei redete er nur nach, was vor fünfundzwanzig Jahren Bundespräsident Thomas Klestil … Vor fünfundzwanzig Jahren traf ein „Patt“ wohl zu, worauf nicht mehr näher einzugehen zu werden braucht, fünfundzwanzig Jahre später trifft es nicht zu, denn …

Alexander Van der Bellen sei es darum gegangen, so sagte er, „keine wertvolle Zeit“ zu verlieren. Die Zeit ist verlorengegangen. Die Zeit wäre nicht verlorengegangen, hätte Alexander Van der Bellen den Regierungsbildungsauftrag gleich dem Festungsobersten der stimmenstärksten Parlamentspartei erteilt; an einem halben Nachmittag wäre das mit drei Telefonaten des Festungsobersten erledigt gewesen, der Obmann der ÖVP hätte sein Nein zu Koalitionsverhandlungen telefonisch dem Festungsobersten mitteilen können, der Obmann der SPÖ hätte sein Nein zu Koalitionsverhandlungen telefonisch dem Festungsobersten mitteilen können und der Festungsoberste hätte Alexander Van der Bellen dann in seinem dritten Telefonat nur noch mitteilen können, es stehe ihm keine Partei für seine Koalitonsverhandlungen zur Verfügung, er müsse den Auftrag zur Regierungsbildung zurücklegen.

Von Anfang an bestand die Möglichkeit einer Koalition, somit alles andere als ein „Patt“, von ÖVP, SPÖ, NEOS und auch von ÖVP, SPÖ und GRÜNE. Und desselben Nachmittags hätten diese Parteien bereits mit Koalitonsverhandlungen beginnen können und Alexander Van der Bellen in unvergeudeter wertvoller Zeit eine Koalitonsvereinbarung mit einer soliden Mehrheit im Parlament vorlegen können, es wäre Alexander Van der Bellen nur noch eines geblieben, diese Koalition mit welchen drei Parteien auch immer, ausgenommen der Partei des Festungsobersten, anzugeloben.

Stattdessen aber vermeint allen voran Alexander Van der Bellen eine Schachpartie eröffnen zu müssen, eine Partie war es wohl, aber keine Schachpartie, denn das Schachspiel setzt zwingend voraus, viele, sehr viele, äußerst viele Züge vorauszudenken, aber welche Züge dachte allen voran Alexander Van der Bellen voraus? Wie es scheint, keinen einzigen. Es ist eher mit einer Kegelpartie zu vergleichen, bei der eine Kugel geworfen wird, in der Hoffnung, zu treffen. Getroffen wurde — nichts. Wer vermeint, Schach zu spielen, aber tatsächlich kegelt, kann beim Kegelschachscheiben bloß verlieren, wenn die Kugel eine Schachfigur, zum Beispiel ein „Bauer“ geworfen wird, mit der statt einem Kegel oder gar vielen Kegeln eine Kugel nur getroffen wird, und am Ende zumeist nichts getroffen wird.

In der derzeitigen österreichischen Politik wird nicht Schach gespielt, es wird gekegelt. Beim Kegeln müssen keine Züge, nicht einmal ein Zug vorausgedacht werden, und allen voran begann Alexander Van der Bellen mit dem Kegeln. Denn hätte er Schach gespielt, dann hätte er die Züge vorausgesehen, die kommen hätten können, und die auch gekommen sind …

Wenn für einen Moment angenommen werden will, und auch, daß er Schach spielt, Alexander Van der Bellen möchte nicht den Festungsobersten gar als Bundeskanzler in einer Regierung, möchte nicht dessen Partei als Regierungspartei, dann wäre es ein schlechter Zug gewesen, den er mit seinem Auftrag, die „drei stimmenstärksten Parteien“ sollen auf „Parteienchef-Ebene“ „Gespräche“ führen, um eine mögliche „Zusammenarbeit“ zu sondieren, denn diese „Gespräche“ hätten auch damit enden können, daß die ÖVP doch mit der FPÖ eine Koalition … Und dann? Ein Wurf ins Leere. Und was dann? Das war ein Zug und zugleich die Rücknahme eines Zugs, denn der stimmenstärksten Parlamentspartei nicht den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen und zugleich diese Partei im Spiel um eine Regierungsbeteiligung zu belassen,

das er mit seinem Auftrag, die drei, nur die drei stimmenstärksten Parteien haben auf Parteienchef-Ebene zu sondieren, getan hat.

Er spielt nicht Schach, er kegelt. Und beim Kegeln geht es gemütlich zu, so gemütlich, beim Schach hingegen hätte er dies vorausgehen, daß der nun abgestürzte Landeshauptmann in der Steiermark in aller Gemütlichkeit die Ausrede wird kegeln können, die Verantwortung ins Leere schießen wird können, er habe alles gegeben, aber er sei das Bauernopfer der Republik geworden, weil eben allen voran Alexander Van der Bellen — Hätte er, Alexander Van der Bellen, Schach gespielt, hätte er diesen Zug kommen gesehen, daß auch nach diesen von ihm den drei stimmenstärksten Parteien auf Parteienchef-Ebene verordneten Gesprächen es zu keiner Zusammenarbeit auf Regierungsebene mit der Partei des Festungsobersten kommen wird, stattdessen zu einer, das Ergebnis ist bekannt, zwischen SPÖ, ÖVP und NEOS.

Ein Ergebnis, das vorausgesagt, das vorausgesehen wurde. Ja, es gibt fern vom Ballhausplatz, fern von der Hofburg Schachspielende in diesem Land.

Aber auch diese drei Parteien hätten sich eine Anleihe nehmen können, wie es vor fünfundzwanzig Jahren war, damals kümmerte es einem christschwarzen Obmann wenig, was ein Bundespräsident sagt, und präsentiert ihm ein Koalitionsabkommen mit einer soliden Mehrheit im Parlament, wenngleich diese dem Bundespräsidenten zuwider ist. Offensichtlich fehlt es ihnen an gestalterischer Energie, der Schwung zum Voranschreiten, gehen stattdessen beschwingt zum Kegeln auf die Hofburgbahn, und hoffen …

Was aber am Ende tatsächlich gekegelt wird, vermag noch nicht gesagt werden, denn beim Kegeln können keine Züge vorausgedacht werden, besonders nicht von den Spielerinnen, es bleibt nur zu hoffen oder zu befürchten, daß nicht doch wer von den Spielern Schach spielt, heimlich noch, auch wenn das derzeitige parteipolitische Personal nicht den Eindruck erweckt, es könnte Schach spielen. In diesem Fall, im Fall der nächsten Regierung in Österreich aber —