Das Gewicht der Rede

Am 17. September 2025 schreibt eine der Strippen auf der Konzernplattform X dies, und das ist aus einem einzigen Grund zu erwähnen, weil es bis zum heutigen Tag zu dieser frühen Stunde am 18. September 2025 von über fünfundvierzigtausend Menschen bereits aufgerufen, von zweitausendvierhundertvierundsiebig Menschen mit einem „Herz“ markiert wurde:

Was für eine Witzfigur, das ist ja unerträglich, der soll ein Land repräsentieren, der steht einer der größten und stolzesten Nationen vor, steht in einer Reihe mit Kanzlern und Kaisern als Staatschef, das gibt es ja nicht was ist das für ein erbärmlicher Witz, leben wir in einer Simulation oder was, das kann doch keiner erst nehmen und meinen, ich meine, wann wird dieser schlechte Witz aufgelöst?

In der Reihe von welchen „Kanzlern“ und „Kaisern“? Gesinnungsgemäß wird die Strippe wohl zuerst an den Österreicher und an den zweiten Wilhelm gedacht haben, das durchaus naheliegt bei ihrer Reaktion auf die Rede von Bundeskanzler Friedrich Merz in der Synagoge in der Reichenbachstraße am 15. September 2025.

Für solch eine harte Strippe darf ein Mann keine Gefühle haben, schon gar nicht wenn er eine Rede hält, deshalb wohl diese Verunglimpfung von Friedrich Merz. Nein, das ist nicht wahr. Auch für eine Strippe darf ein Mann Emotionen zeigen, auch dann, wenn er eine Rede hält, darf er in Tränen ausbrechen, aber nur ein Mann der ein rechter Mann im österreichischen Parlament gesinnungsgemäß gedenkt

Oh, wie stolzgerührt würde die Strippe die Tränen ihres ersten nun habenden Nationalratspräsidenten gelobt haben, der für sie wohl einer in der Reihe ihrer …

Auf die Rede von Bundeskanzler Friedrich Merz reagiert die Strippe mit Derartigem und läßt sich dazu von KI ein diffamierendes Bild erstellen, das hier jedoch nicht wiedergegeben werden soll, sondern anstelle des Strippenbildes Bilder einer Frau, aus ihrer Rede in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2025 am 9. Juli 2025 im Bundestag der Bundesrepublik Deutschland, die für die Strippe wohl eine recht würdige Kanzlerin in der Reihe ihrer Kanzler und Kaiser

Das sagt sie am 9. Juli 2025 im Bundestag, auf die als Kanzlerin in ihrer Reihe die Strippe recht stolz

Haben Sie [Bundeskanzler Friedrich Merz] dafür im Winter Wahlkampf gemacht, um im Bundesverfassungsgericht radikallinke Ideologin zu installieren, damit sie das höchste deutsche Gericht als Werkzeug für linke Staatsdeformation missbrauchen können, damit sie die Gewaltenteilung beschädigen und aushebeln können. Die SPD, von der Sie sich die Sozialfinanz und Wirtschaftspolitik diktieren lassen, rückt in ihrer Untergangspanik immer weiter nach links und klammert sich an die antidemokratische Wahnidee, die stärkste Oppositionskraft im deutschen Bundestag durch ein Parteienverbot zu beseitigen, beseitigen, mich zu beseitigen, die Kollegen dort zu beseitigen. Das ist der Sprachduktus ihrer Kandidatin für das höchste Gericht Frauke Brosius-Gersdorf, die lediglich bedauert, dass man unsere 10 Millionen Wähler nicht beseitigen kann. Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Sprachduktus erinnert mich an ganz dunkle Zeiten. An ganz dunkle Zeiten. Dabei sollten es gerade die Sozialdemokraten aus ihrer Parteiengeschichte kennen. Mit dem Verbot konkurrierender Parteien beginnt jede Diktatur.

Wie anders hingegen Bundeskanzler Friedrich Merz am 15. September 2025 in der Synagoge in der Reichenbachstraße in München, dessen gesamte Rede hier und überall wiederzugeben ist, eine Rede an der zukünftig seine Handlungen zu messen sein werden, und seine Rede soll ob ihres Gewichts auch das letzte Wort in diesem Kapitel sein. Darum davor noch etwas zur Reihe der Strippe Kanzler und Kaiser. Der Österreicher als Kanzler setzte um, was schon dem Kaiser vorschwebte

[…]

So setzte er sich als junger Kronprinz im Jahr 1885 bei seinem Großvater, Kaiser Wilhelm I., für den bereits erwähnten Hof- und Domprediger Adolf Stöcker ein, der zu diesem Zeitpunkt in einem von einem jüdischen Zeitungsredakteur angestrengten Prozess wegen Beleidigung verurteilt worden war und daher nach dem Willen von Kaiser Wilhelm I. seine Stellung als Hofprediger aufgeben sollte. Prinz Wilhelm, der drei Jahre später als Wilhelm II. Kaiser wurde, schrieb am 5. August 1885 mit Erfolg an seinen Großvater: „Du wirst […] gelesen und gehört haben von der ganz unverantwortlichen und verwerflichen Weise, in welcher das gesammte Judenthum des Reiches, durch seine verdammte Presse unterstützt, sich auf den armen Stöcker stürzt und ihn mit Beleidigungen, Verläumdungen und Schmähungen überhäuft und ihm schließlich den großen Monsterprozess an den Hals gehängt hat. […] Jetzt […] {nach dem} Ausspruch des leider zu verjudeten Gerichtes [ist ein] wahrhafter Sturm der Entrüstung und Wuth in allen Schichten des Volkes entfesselt. […] Man glaubt es nicht, dass in unsrer Zeit solch ein Haufen Gemeinheit, Lüge und Bosheit sich zusammenfinden kann. Von allen Seiten brieflich aus der Ferne und Nähe tönt es mir entgegen ‚Ist der Kaiser davon orientiert? Weiß er wie es steht? Wie die Juden – hinter ihnen Socialisten und Fortschritt – alles dransetzen um Stöcker zu stürzen?’ Ja man sagt die Juden hätten es versucht sich im Kreise der Hofpersonen Freunde zu erwerben und dadurch bei Dir auch gegen Stöcker zu agiren! […] Stöcker ist […] die mächtigste Stütze, ist der tapferste, rücksichtslose Kämpfer für Deine Monarchie und Deinen Thron im Volk! […] O lieber Großpapa, es ist empörend wenn man beobachtet wie in unserem christlichen, deutschen, gut preußischen Lande das Judenthum in der schamlosesten, frechsten Weise sich erkühnt, alles verdrehend und corrumpirend sich an solche Männer heran zu wagen und sie zu stürzen sucht.“10

[…]

Ein weiteres Beispiel für den Umgang Wilhelms II. mit dem Thema Juden und Antisemitismus war das Verhältnis des Kaisers zum völkisch-nationalen Schriftsteller und Kulturphilosophen Houston Stewart Chamberlain (1855-1927). Um die Jahrhundert wende pflegte er mit ihm eine langjährige Korrespondenz, und über das im Jahr 1901 erschienene Hauptwerk des antisemitischen Schriftstellers und Schwiegersohns Richards Wagners „Die Grundlagen des XIX. Jahrhunderts“11 äußerte er sich begeistert und machte es zur Pflichtlektüre bei der Oberlehrerausbildung bzw. an preußischen Lehrerseminaren.12 Schließlich ist für den Zeitraum der Regierungszeit von Wilhelm II. eine antisemitische Äußerung dokumentiert, die er bei einem Besuch in Großbritannien gegenüber dem damaligen Außenminister Sir Edward Grey fallen ließ: „Es gibt viel zu viele Juden in meinem Land. Sie müssten ausgemerzt werden.“13

Wilhelm II. machte in diesem Zusammenhang, bei weitem nicht als Einziger in der Weimarer Republik,28 auch das deutsche und „internationale“ Judentum für die Niederlage im I. Weltkrieg und die nachfolgenden Ereignisse des November 1918 verantwortlich. Dabei sprach er auch von einer Weltverschwörung von „Juden, Freimaurern und Jesuiten.“ Sein Sturz sei das Werk der „Weisen von Zion“29 gewesen, der Weltkrieg sei durch jüdische Freimaurerlogen in Frankreich, England und Italien angezettelt worden.30

[…]

In einem Brief vom 2. Dezember 1919 an seinen einstigen Flügeladjutanten August von Mackensen kritisiert er – sich auf seine Abdankung beziehend – die Beteiligung von deutschen Juden – wie zum Beispiel des (U)SPD-Politiker Kurt Eisner in Bayern – an der Novemberrevolution 1918: „Die tiefste und gemeinste Schande, die je ein Volk in der Geschichte fertiggebracht, die Deutschen haben sie verübt an sich selbst. Angehetzt und verführt durch den ihnen verhassten Stamm Juda, der Gastrecht bei ihnen genoss! Das war sein Dank! Kein Deutscher vergesse das je, und ruhe nicht bis diese Schmarotzer vom Deutschen Boden vertilgt und ausgerottet sind! Dieser Giftpilz am Deutschen Eichbaum!“32

[…]

In einem Brief an einen amerikanischen Freund – Poultney Bigelow – im Jahr 1927 wird der Antisemitismus von Wilhelm II. ebenfalls deutlich: „Die hebräische Rasse ist mein Erz-Feind im Inland wie auch im Ausland; sind was sie sind und immer waren: Lügenschmiede und Drahtzieher von Unruhen, Revolution und Umsturz, indem sie mit Hilfe ihres vergifteten, ätzenden, satirischen Geistes Niederträchtigkeit verbreiten. Wenn die Welt einmal erwacht, muss ihnen die verdiente Strafe zugemessen werden.“38

[…]

Im selben Jahr schrieb er an denselben Adressaten: „Die Presse, Juden und Mücken“ (…) seien „eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muss“. Dabei fügte er eigenhändig hinzu: „Ich glaube, das Beste wäre Gas.“39

[…]

Neben seiner zweiten Ehefrau44, Prinzessin Hermine Reuß, war es der viertälteste Sohn von Wilhelm II., Prinz August Wilhelm von Preußen, der sich zunächst aktiv den antidemokratischen und deutschnationalen Kräften in der Weimarer Republik anschloss, ehe er der NDASP sowie der SA beitrat. Er war u.a. Spitzenkandidat der NSDAP für die preußischen Landtagswahlen im April 1932 und engagierte sich an herausragender Stelle für die Nationalsozialisten. Mit seinem Engagement öffnete er den Nationalsozialisten auch jene Kreise des Adels, die zuvor dem Nationalsozialismus noch abwartend gegenüberstanden hatten. Schon bald, nach dem „Röhmputsch45 im Juni 1934, wurde der Prinz von den Nationalsozialisten fallengelassen.46

Judenfeindschaft und Antisemitismus bei Kaiser Wilhelm II. – Ausarbeitung – © 2007 Deutscher Bundestag WD 1 – 172/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages

Auch das ist davor noch zu erwähnen, der Denkmalschutz,

zu dem nicht nur das Denkmalgeschützte auf dem KL-Platz in Wien sogleich einfällt, das im nächsten Jahr gesäubert und herausgeputzt werden soll, und dann auch sein sich im kunschak’schen Denkmal selbst verewigter nationalsozialistischer Schöpfer in seinem Glanz wieder erstrahlen wird.

Als makabere Kuriosität bleibt der Einspruch des Münchner Denkmalschutzamtes zurück, das zunächst darauf bestanden hatte, die Synagoge nicht nach den ursprünglichen Plänen des Architekten Meyerstein zu rekonstruieren. Sie sollte nach dem provisorischen Zustand des Jahres 1947 rekonstruiert werden. Oberbürgermeister Dieter Reiter räumte in seiner Ansprache deshalb ein, „die Begeisterung der Denkmalschützer war überschaubar, als es dann doch anders kam“.

Initiatorin Rachel Salamander schilderte schließlich, wie mühselig es gewesen sei, die Synagoge zu restaurieren. Sie und ihre Mitstreiter hätten sich an den ursprünglichen Plänen des Architekten Gustav Meyerstein orientiert, der das Haus im Bauhaus-Stil errichtet hatte.

Welt. „Das hätte einfach nicht passieren dürfen.“ Festakt in Synagoge. 16. September 2025

Auch das sollte davor noch nicht unerwähnt bleiben.

Und dann überraschte Reiter die Gäste in seiner Ansprache mit einer echten Nachricht: Der Terroranschlag auf das jüdische Seniorenheim neben der „Reichenbach“ im Jahr 1970 werde von der Generalstaatsanwaltschaft wieder untersucht. Es gebe neue Hinweise auf mögliche Täter.

Welt. „Das hätte einfach nicht passieren dürfen.“ Festakt in Synagoge. 16. September 2025

So kann aus etwas Ungutem einer Strippe doch auch etwas Gutes werden, die Wiedergabe der Rede eines Kanzlers,

und nach dem Lesen der gesamten Rede von Friedrich Merz wird das am Beginn Zitierte einer der Strippen der Generation 1790 schon gänzlich vergessen sein, und in Erinnerung bleiben wird das Gewichtige der Rede des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland.

Friedrich Merz, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Rede am 15. September 2025 in der Synagoge Reichenbach:

Es war ein Freudenfest, als vor ziemlich genau 94 Jahren, am 5. September 1931 die Synagoge Reichenbachstraße eingeweiht wurde. Zum ersten Mal eingeweiht wurde, wie nur wir Nachgeborenen bis heute wissen. Ein feierlicher Akt war in der Zeitung der Bayerischen israelitischen Gemeinde zu lesen, an dem die gesamte jüdische Gemeinde München ohne Unterschiede der Richtungen teilnahm.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen annehmen, dass es gleichzeitig trotzdem ein Tag wachsender Sorgen und Furcht für die Feiernden war, dass sich die versammelte Festgemeinschaft untereinander gefragt hat, ob und wie lange Jüdinnen und Juden in Deutschland wohl noch sicher leben können, denn schon wenige Tage später, am 12. September 1931, am Abend des jüdischen Neujahrsfestes wird es am Berliner Kurfüstendamm schwere antisemitische Ausschreitungen geben, verübt von Hunderten von SA-Mitgliedern. Und diese Ausschreitungen waren kein Einzelfall. Straßengewalt gegen Jüdinnen und Juden. Übergriffe auf jüdische Geschäfte häuften sich ab 1930. Der Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft nahm zu. Und so bezeichnete das Jüdische Echo die Einweihung der Synagoge Reichenbachstraße 1931 als Ausdruck eines jüdischen Lebenswillens und einer jüdischen Lebenskraft, die sich selbst unter widrigsten Verhältnissen die Bedingungen schafft, die das jüdische Leben braucht.

7 Jahre, sieben kurze Jahre gab es dann jüdisches Leben, jüdischen Gottesdienst, jüdisches Gebet in dieser Synagoge unter immer widrigeren Umständen, bis 1938 die Synagoge von einem entfesselten Mob entweiht, geschändet, verwüstet wurde. Sie wurde nur deshalb nicht niedergebrannt, weil man Schäden an den umliegenden, und so hieß es, nichtjüdischen Häusern befürchtete. Wir wissen im Rückblick, dass die Novemberprogrome von 1938 nur der Auftakt waren für das Menschheitsverbrechen der Shoa, für den Versuch der systematischen, geradezu industrialisierten Auslöschung des jüdischen Volkes. Eine Tat, die so monströs, die so radikal böse ist, dass sie, um mit der großen deutschjüdischen Denkerin Hanna Arendt zu sprechen, „einfach nicht hätte passieren dürfen unter uns Menschen“.

Liebe Frau Salamander, Sie sind aufgewachsen als Tochter von Überlebenden der Shoa in einem, Sie haben es gerade in Ihrer Rede schon gesagt, Displaced Persons Camp bei München. Und Sie haben in einem Ihrer Bücher geschrieben, dass Sie als Kind immer wieder diese eine Frage stellten, ob denn den Juden niemand geholfen habe, ohne ein Festhalten an der Hoffnung auf eine positive Antwort, so schreiben Sie weiter, ohne ein Festhalten an der naiven Hilfserwartung des Kindes, wären wir doch als Menschen verloren.

Auch heute noch müssen wir das Entsetzen darüber zulassen, dass wir allermeisten eben nicht geholfen haben. Denn nur so können wir beginnen zu verstehen, was es heißt, dass sich unmittelbar nach dem Krieg Jüdinnen und Juden, Überlebende, Kinder der Überlebenden, trotz allem entschieden haben, in Deutschland, in München, in anderen deutschen Städten und Gemeinden zu bleiben, dorthin zurückzukehren, sich gar dort wieder zu beheimaten in dem Land, von dem die Shoa ausgegangen war. Wir sagen nun heute gern, das sei ein Wunder, denn es sprengt unsere gewohnten Maßstäbe, dass das möglich war und ist die Rückkehr jüdischen Lebens nach Deutschland. Aber natürlich war es kein Wunder, sondern es war das Ergebnis von Entscheidungen von Menschen jüdischer Abstimmung, Abstammung, die ein dennoch gesprochen haben, die nicht bereit waren, ihr Land mehr noch aber uns alle als Menschen verloren zu geben.

Sie, liebe Frau Salamander und Sie, liebe Frau Knobloch, können davon erzählen, welchen Einsatz es gefordert hat. wieder Orte und Räume zu schaffen für jüdisches Leben in Deutschland. 1945 schon wurde die israelitische Kultusgemeinde in München wieder gegründet. 1947 ist diese Synagoge, wir haben es gehört, ein zweites Mal eingeweiht worden. Es war erneut eine Eröffnung unter widrigsten Bedingungen. In der jungen Bundesrepublik Deutschland beschwieg man den Nationalsozialismus und seine furchtbaren Verbrechen weitgehend. Es gab lange Jahre keine Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld, schlimmer noch, es gab wenig Empathie mit den Opfern. Und es gab weiterhin Antisemitismus in vielen Köpfen. Heute 94 Jahre nach der Ersteinweihung können wir nun die dritte Eröffnung der Synagoge Reichenbachstraße feiern. Sie ist wiederum möglich geworden, nur durch Einsatz und harte Arbeit, die vor allem Ihnen, Frau Dr. Salamander, unser allergrößter Dank gebührt. Sie haben es gesagt, die Synagoge Reichenbachstraße, wie wir sie heute wirklich bestaunen können, wiederhergestellt in ihrer ganz ursprünglichen Pracht, Schönheit und modernen Formensprache, ist eine der ganz wenigen Synagogen im Bauhausstil, die es in Europa überhaupt gibt, sie ist ein wahres Kunstdenkmal und sie ist jetzt schon ein Ort von kunsthistorischer Bedeutung, ein nationales Erbe, weil wir hier in Beziehung treten können mit dem Judentum in Deutschland eben vor der Zeit des Nationalsozialismus und damit übrigens auch mit dem jüdisch-christlichen Wurzelwerk des kulturellen Lebens in Deutschland und in ganz Europa.

Das Bauhaus ist eben nicht denkbar ohne seine jüdischen Künstlerinnen und Künstler, wie überhaupt deutsche, die europäische Kunst, Philosophie, Literatur, Musik mit ihrem ganzen Reichtum nicht denkbar ist ohne jüdische Tradition, jüdisches Denken, jüdische Theologie.

Auch insofern ist es also für uns alle heute ein Anlass zur Freude und auch ein Anlass zur großen Zuversicht, heute hier versammelt zu sein und gemeinsam feststellen zu können, diese neue alte Synagoge ist wieder einmal mehr Ausdruck jüdischer Lebenskraft in Deutschland. Und gleichzeitig müssen wir uns der Tatsache stellen, dass Sie, dass die Jüdinnen und Juden in ganz Deutschland diesen Freudentag, die dritte Eröffnung der Synagoge, wieder unter widrigsten Bedingungen feiern müssen, unter neuen widrigsten Bedingungen. Polizistinnen und Polizisten stehen vor der Synagoge. Wir alle haben sie passiert. Die Gottesdienste, die hier ab heute gefeiert werden, die Kulturveranstaltungen, sie werden ausnahmslos unter Polizeischutz stehen. Polizei steht deutschlandweit vor jüdischen Kindergärten, Schulen, Restaurants, Cafés. Antisemitismus war eben nie aus der Bundesrepublik Deutschland verschwunden. Das wissen viele von Ihnen aus bitter eigener Erfahrung. Und daran erinnert uns übrigens auch die Gedenktafel, wenige Meter von diesem Platz hier entfernt. Die Namen der fünf Männer und zwei Frauen stehen darauf, die 1970 bei dem Brandanschlag auf das Altenheim der israelitischen Kultusgemeinde ums Leben gekommen sind, das hier im Vorderhaus gelegen war. Zwei von ihnen waren Überlebende der Konzentrationslager. Sie, Frau Knobloch, kannten viele der Bewohnerinnen und Bewohner dieses Altenheims. Sie können von dem Entsetzen erzählen, den dieser Anschlag damals ausgelöst hat, nicht nur, aber auch und vor allem in den jüdischen Gemeinden. Und seitdem, seit 1970, stehen jüdische Einrichtungen in ganz Deutschland unter Polizeischutz. Das heißt, es gibt eine ganze Generation von Jüdinnen und Juden in Deutschland, die öffentliches jüdisches Leben nur so kennt, unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen.

Und doch habe ich glauben wollen, haben viele in Deutschland glauben wollen, dass es vielleicht eines Tages besser wird. Und dann kam der 7. Oktober 2023. Der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoa, eine gleichfalls monströse, eine barbarische Tat. Und wir blicken immer noch mit Fassungslosigkeit darauf, auf manchen deutschen Straßen wurde gefeiert. Meine Damen und Herren, an diesem Tag ist endgültig unübersehbar geworden. Wir haben in Politik und Gesellschaft zu lange die Augen davor verschlossen, dass von den Menschen, die in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind, ein beachtlicher Teil, ein Teil, aber ein beachtlicher Teil in Herkunftsländern sozialisiert wurde, in denen Antisemitismus geradezu Staatsdoktrin ist, Israel-Hass schon den Kindern in den Schulen vermittelt wird. Wir erleben seit dem 7. Oktober, Sie erleben seitdem eine neue Welle des Antisemitismus im alten und in neuem Gewand. Unverholen und dürftig versteckt in Worten und in Taten, in den sozialen Medien, an den Universitäten, im öffentlichen Raum. Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr mich das beschämt als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, aber auch als Deutscher, als Kind der Nachkriegsgeneration, ein Kind, das aufgewachsen ist, mit dem Nie-Wieder als Auftrag, als Pflicht, als Versprechen.

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, im Namen der Bundesregierung sagen, dass wir alles tun werden, was in unserer Macht steht, damit Jüdinnen und Juden in ganz Deutschland ohne Angst leben, feiern und studieren können, damit hier eine Generation jüdischer Kinder aufwachsen kann, die überall und jederzeit stolz von ihrem Judentum erzählen kann. Ich möchte in Richtung aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sagen, es liegt an uns allen wieder mehr den je dieses Nie-Wwieder als unser aller historische Pflicht mit Leben zu füllen. Und vor allem möchte ich Ihnen sagen, Frau Dr. Salamander zusammen mit den Initiatorinnen und Initiatoren der Initiative Synagoge Reichenbachstraße und überhaupt allen, die mitgewirkt haben an der Restaurierung dieses Gotteshauses: Ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich unter den neuen widrigsten Bedingungen an die Arbeit gemacht haben, dass Sie ein Zeichen gesetzt haben eben für die jüdische Lebenskraft. Für Hanna Arendt realisiert sich die Freiheit, die wir Menschen als Menschen haben, in unserer Fähigkeit jederzeit einen neuen Anfang machen zu können, die Initiative zu ergreifen, zu handeln, Neues in Bewegung zu setzen. Es ist ein großes Glück für die Bundesrepublik Deutschland, für diese Stadt München, sehr geehrte Frau Dr. Salamander, dass Sie immer wieder die Initiative ergriffen haben, zuletzt für die Wiederherstellung dieser Synagoge. Sie haben einmal gesagt, Sie würden es als Ihre Aufgabe und die Aufgabe Ihrer Generation sehen, der mit den Menschen vernichteten jüdischen Kultur ein neues Fundament zu legen, das jüdische Geistesleben in Deutschland wieder zu beheimaten. Das ist Ihnen an diesem Ort in geradezu eindrucksvoller Weise gelungen. Ich wünsche mir sehr, dass diese Synagoge Reichenbachstraße genau das wird, ein Ort der Heimat für jüdisches Leben, für jüdische Religiosität in Deutschland, der ausstrahlt auf die ganze Bundesrepublik. Ich wünsche mir sehr, dass die Synagoge Reichenbachstraße, dass alle Synagogen in Deutschland, dass jüdische Schulen und Kindergärten, das jüdisches Leben insgesamt in Deutschland eines Tages wieder ohne Polizeischutz auskommt. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass dies nun schon seit Jahrzehnten offenbar notwendig ist.

Ich sage deshalb von dieser Stelle aus, jeder Form des alten und des neuen Antisemitismus in Deutschland namens der gesamten Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland den Kampf an. Politisch ohnehin, aber auch strafrechtlich und in jeder gesetzgeberischen Form, die uns möglich ist und die notwendig sein sollte. Wir werden Antisemitismus auch nicht dulden im Gewand der vermeintlichen Freiheit, der Kunst, der Kultur und der Wissenschaft.

Und lassen Sie mich jetzt abschließen. Lassen Sie es mich abschließend so zum Ausdruck bringen. Dieses Versprechen schulden wir Ihnen, unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in ganz Deutschland und am heutigen Tag der israelitischen Kultusgemeinde in München und den Initiatoren und Mitwirkenden am Wiederaufbau der Synagoge Reichenbachstraße in ganz besonderer Weise. Dieses Versprechen schulden wir Ihnen ganz einfach als Dank für das großartige Geschenk, dass Sie uns heute allen hier in München mit der Wiedereröffnung dieses Gotteshauses machen. Herzlichen Dank.