Ehrengrab des Nationalsozialismus

Zur heutigen Veranstaltung, 8. Oktober 2025, in Lustenau, in der das Buch „Hitlers queere Künstlerin Stephanie Hollenstein — Malerin und Soldat“ von Nina Schedlmayer vorgestellt und aus diesem gelesen werden wird, um 19.30 Uhr im „Dock 20“, das 1971 als „Galerie Hollenstein“ eröffnet wurde und nun den Namen „Kunstraum und Sammlung Hollenstein“ trägt, stellt sich die Frage ein, sind die Gebeine der Stephanie Hollenstein nach wie vor in einem „Ehrengrab“ auf dem Friedhof der Pfarrkirche in Lustenau gebettet?

Mitten in ihren Vorbereitungen für die dritte Ausstellung, bei der ihre Arbeiten den Schwerpunkt bilden sollten and wo ihr der Baldur-von-Schirach-Preis überreicht werden sollte, starb sie am 24. Mai 1944 infolge eines Herzinfarkts. Die Vernissage wurde in eine Gedenkfeier umgewandelt, in deren Mittelpunkt eine blumengeschmückte Büste von Stephanie Hollenstein stand, die die Bildhauerin und Vereinsmitglied Gusty Mundt (1890 – 1967) von ihr gemacht hatte. Bei der Feier spielte ein Quartett der Wiener Philharmoniker. Ihr Leichnam wurde nach Lustenau überführt und nach einer Beerdigungszeremonie voller Nazifanfaren in einem Ehrengrab am Friedhof der Pfarrkirche beigesetzt.

STEPHANIE HOLLENSTEIN Malerin, Patriotin, Paradoxon von Evelyn Kain

Es dürfte nach wie vor ein „Ehrengrab“ sein, respektive, es wird oder soll als „Ehrengrab“ wahrgenommen werden, jedenfalls nach den wenigen Ergebnissen, die zur Suche danach sich einstellen, die keinen Hinweis auf eine Aberkennung des „Ehrengrabes“ enthalten. Zum „Ehrengrab“ würde es auch passen, daß im Rathauspark nicht nur von Stephanie Hollenstein eine Büste aufgestellt wurde, geschaffen von Udo Rabensteiner, nach 2000.

Darum geht es aber nicht, Stephanie Hollenstein ihr „Ehrengrab“ zu nehmen.

Es ist jedoch nicht nur ein „Ehrengrab“ für Stephanie Hollenstein, es ist ein „Ehrengrab“ des Nationalsozialismus für Stephanie Hollenstein, und es ist ein „Ehrengrab“ für den Nationalsozialismus selbst. Denn. Auf dem Grabstein steht und ist bis heute herauf zu lesen: „PRÄSIDENTIN DER BILD. KÜNSTLER“. Sie, Stephanie Hollenstein, war also „Präsidentin“ von …

Den „Anschluss“ Österreichs an den Nationalsozialismus sah Hollenstein als große Change für ihre künstlerische und persönliche Karriere. Die Ideen des Nationalsozialismus trug sie mit Überzeugung mit, bereits vor 1938 engagierte sie sich für die in Österreich verbotene nationalsozialistische Bewegung. Am 1. Mai 1938 ließ sie sich als offizielles Mitglied der Partei registrieren. Ihr patriotischer Einsatz im Ersten Weltkrieg, ihre bäuerliche Herkunft sowie ihre Vorliebe für die Darstellung heroischer Männlichkeit und idyllischer Landschaften machten sie für die nationalsozialistische Ideologie anschlussfähig. Diese ideologische Nähe ermöglichte es ihr, ihre künstlerische Laufbahn im Dritten Reich zu fördern und auszubauen – auch wenn ihr expressiver Malstil und ihre Homosexualität in deutlichem Widerspruch zu den propagierten ästhetischen und moralischen Normen des Regimes standen. Bereits 1936 war Hollenstein wegen einer Auseinandersetzung aus der „Wiener Frauenkunst“ ausgetreten. 1939 wurde sie zur neuen Präsidentin der „Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs“, in die alle österreichischen Zusammenschlüsse von Künstlerinnen eingegliedert wurden. Durch die fortschreitende Arisierung wurde der Verein in „Vereinigung bildender Künstlerinnen des Reichsgaue der Ostmark (im großdeutschen Reich)“ umbenannt. Hollenstein widmet sich in den folgenden Jahren vor allem den kulturpolitischen Anliegen des Vereins, wie der Suche nach einem Grundstück für den Bau eines Ausstellungshauses. Dieses Vorhaben konnte allerdings nicht umgesetzt werden. Noch vor dem Kriegsende starb Stephanie Hollenstein 1944 nach längerer Krankheit in Wien während der Vorbereitungen zu einer großen Ausstellung, die daraufhin zu einer Gedenkfeier für sie wurde.

Geschichte Wiki Wien. 8. Oktober 2025.

… einer nationalsozialistischen Vereinigung. Und soher ist ihr „Ehrengrab“ auch ein „Ehrengrab“ für den Nationalsozialismus. Ob das so leicht berichtigt werden kann, historisch genau auf den Grabstein geschrieben werden kann, wenn der Friedhof doch unter Denkmalschutz

Was ihr und ihrer Gesinnungsgemeinschaft zu ihren Ehren gereicht, steht nicht auf dem Grabstein: Nationalsozialistin und Antisemitin

Die biographische Darstellung von Stephanie Hollenstein durch „Österreichisches Biographisches Lexikon“ ist wieder einmal eine Darstellung von solch einer Erlesenheit, daß diese nicht vorenthalten werden darf, wie sie am heutigen Tag zu lesen ist:

1923 wurde sie Mitgl. der „Vereinigung bildender Künstlerinnen Österr. “, nach deren Spaltung (1926) trat H. der fortschrittlichen Gruppe, die sich „Wr. Frauenkunst“ nannte, bei (1943 deren Vorsitzende). H., die wiederholt im Auslande ausstellte, war vorwiegend Landschafterin, doch sind auch ihre Porträts beachtenswert. Alle ihre Arbeiten sind expressiv und spiegeln das Temperament ihrer Schöpferin wider. Sie wirken in ihrem gesteigerten Rhythmus fast dramat., bleiben aber stets naturverbunden.

Sie, Stephanie Hollenstein, sei also, so steht es im Lexikon, also der „fortschrittlichen Gruppe“ beigetreten und „1943 deren Vorsitzende“ —

Hierzu kann nur weiter

Evelyn Kain, Professorin für Kunstgeschichte am Ripon College, Wisconsin, besitzt ein Doktorat der Universität Wien. Diese Aufsatz ist im Jahres-Bericht des Vorarlberger Museum-Vereins 2001, S. 157-176, veröffentlicht worden. Die ursprüngliche englische Version ist im Woman’s Art Journal 22, 2001, S. 27- 33, unter dem Titel: „Stephanie Hollenstein. Painter, Patriot, Paradox“ erschienen.

auch Evelyn Kain zitiert werden:

1938 wurden alle Vereinigungen von professionellen Künstlerinnen zwangsweise in die Vereinigung von Frauen der bildenden Künste in der Ostmark eingegliedert, was dazu dienen sollte, diese von jüdischen Mitgliedern zu „reinigen“. Im Juli des darauffolgenden Jahres wurde Hollenstein zur Präsidentin der arisierten Vereinigung ernannt. Bei der ersten Ausstellung dieser Gruppe im Jahr 1941 erläuterte Stephanie Hollenstein in ihrer Eröffnungsrede das Leitmotiv der neu gegründeten Organisation: „Förderung aller Talente, insbesondere jedoch von begabten, jungen Künstlern; Pflege der Tradition, um einen Beitrag zum kulturellen Leben Wiens zu leisten. Möge die Liebe zum Großdeutschen Vaterland und zur Kunst das Leitmotiv dieser Organisation sein.“30 Betrachtet man diese Äußerung von Hollenstein isoliert, so scheint sie im Widerspruch zu ihrer Verteidigung des Kubismus von Bechtold zu sein. Stellt man sie jedoch in Zusammenhang mit ihrem Ehrgeiz und Patriotismus, so passt sie wieder
ins Bild. Wie Emil Nolde (1867 – 1956), einer der weinigen frühen, modernen expressionistischen deutschen Malern, der offen für den Faschismus eintrat und dessen Autobiographie Jahre der Kämpfe (1934) sich in der Bibliothek von Hollenstein befand, sah sie keinen Konflikt zwischen der Moderne und dem Faschismus. Im Gegensatz zu Nolde und Bechtold wurden ihre Werke jedoch nicht als „entartet“ abgestempelt. Ironischerweise gelang es Hollenstein, sich unter dem totalitären Regime Privilegien zu schaffen, die in der Monarchie oder der Republik nicht möglich waren; eines dieser Privilegien war ein garantierter Ausstellungsraum für Künstlerinnen. Sie überredete auch Gauleiter Baldur von Schirach und Reichsminister Arthur Seyss Inquart, Preisgelder für Mitglieder der Vereinigung vorzusehen, was eine weitere Neuheit für reine Frauenorganisationen war. (Beide Männer wurden später vom Nürnberger Militärtribunal verurteilt; Seyss-Inquart wurde hingerichtet). Schirach eröffnete Ausstellungen und überreichte persönlich die nach ihm benannten Preise. Hollenstein war wesentlich an der Organisation der drei Ausstellungen währende des Krieges 1941, 1942 und 1944 beteiligt, und zwar auch noch, nachdem sie 1943 ihre Präsidentschaft wegen gesundheitlicher Probleme niedergelegt hatte.

Das Leben der Künstlerin ging nahtlos in die faschistische Periode über. Hollenstein, die bereits zu den frühen, illegalen Mitgliedern der Nationalsozialistischen Partei gehörte, trat am 1. Mai 1938 offiziell dieser Partei – mit der Mitglieds-Nummer 6,240.350 – bei.28 Erstaunlicherweise wurde ihr Bild Positano, città morte aus ihrer expressionistischsten Neapel-Periode 1938 in die „Große Deutsche Kunstausstellung“ in München aufgenommen. Sie stellte auch an anderen Nazi Stätten aus, darunter auch im Hermann-Göbel-Haus der Kunst in Ulm. 1939 wurde ein, dem Bild Spullersee sehr ähnliches, Gemälde in „Berg und Menschen“ in einer Wanderausstellung von Wien und Berlin gezeigt. Etliche Mitglieder des Nazi Regimes kauften Bilder von Stephanie Hollenstein.