Weltexperte Rau-Hans Rauscher: „Europa, wo man sie einfach nicht braucht.“

Rau - Hans Rauscher - Weltexperte

Fünfhundert ertrunkene Hunde, bereits die Mutmaßung, bis zu fünfhundert, oder gar schlimmer noch, fünfhundert Welpen könnten ertrunken sein, bereits ohne definitive Bestätigung, daß fünfhundert Welpen starben, hätte wohl tagelang in Österreich heute Aufmacher zur Folge: größte Anteilnahme, größte Trauer, Lebensberichte eines jeden ertrunkenen Hundes, Aufrufe, der toten Welpen in einem Staatsakt zu gedenken, das Organisieren eines Trauergebetsmarsches über alle Dörfer und Städte des Landes, um der Bevölkerung die Gelegenheit ihrer Anteilnahme, ihres Abschiednehmens, ihrer Solidarität mit den armen ertrunkenen Hunden und Welpen …

Im Neusiedler See sind nicht fünfhundert Hunde ertrunken, sind keine Welpen ertränkt worden.

Im Mittelmeer aber sind wieder Menschen ertrunken. Es sollen bis zu fünfhundert Menschen ertrunken sein.

In Österreich heute aber nicht eine einzige Zeile an den zwei vergangenen Tagen darüber. Eine der zwei Zeitungen, die beide den Namen Umsonst führen könnten, bringt dafür am letzten Donnerstag auf das Titelblatt: „Sarrazin rechnet jetzt mit Flüchtlingen ab“. Und die zweite Umsonst: „TV-Star tappt in Sex-Falle“. Die Zeitung der Republik vergräbt es in einer kurzen Spalte auf der Seite ihrer ausländischen Berichte, als ob in Österreich heute noch wer lesen möchte, was in der Welt … bis auf Hans Rauscher menschgemäß.

Hans Rauscher interessiert, was in der Welt vorgeht. Hans Rauscher kennt sich in der Welt aus. Hans Rauscher hat, wie es heutzutage so schön heißt, Expertise. Auch Lösungskompetenz, wie es heutzutage ebenfalls so schön heißt.

In Österreich heute ist in der als Qualitätsmedium bekannten Tageszeitung am letzten Freitag auf der Titelseite rau zu lesen:

„[I]n Europa, wo man sie einfach nicht braucht.“

Das schreibt Hans Rauscher im Zusammenhang mit den rund fünfhundert Menschen, die eben erst wieder ertrunken sind, sterben mußten, weil … Hans Rauscher erklärt das profund. Hans Rauscher ist auch ein geeichter Kenner der Geschichte des Kontinents Afrika, er weiß bestimmt, wie es zu Korruption und Inkompetenz gekommen ist. Vielleicht hat er beim Abfassen von „Bestechung“ beispielsweise „Die Verdammten dieser Erde“ von Frantz Fanon aus dem Regal geholt, vielleicht auch als Mann stets auf der Höhe der Zeit an „Kritik der schwarzen Vernunft“ von Achille Mbembe gedacht, nicht nur gedacht, sondern sich beim Schreiben davon leiten lassen.

Das also ist Österreich heute. Wenn Menschen sterben, steht im Nachruf auf sie: „Wo man sie nicht braucht“. So rau also ist es heute geworden, aber nicht nur in Österreich. Anderseits, obgleich diese Menschen wissen, daß „sie einfach nicht …“, besitzen sie trotzdem, wenn schon sonst nichts, die Frechheit:

„Sie kommen trotzdem.“

„Trotzdem kommen sie“ und auferlegen, ungezogen wie sie wohl sind, Europa eine

„Selbst wenn man die apokalyptischen Szenarien von Abermillionen Flüchtlingen für übertrieben hält, ist das eine immense Bewährungsprobe für Europa.“

„Bewährungsprobe“ – oh du von diesen Menschen raugeplagtes Europa, weshalb straft dich für deine Unschuld die Vorsehung nur mit solch immensen …

Als Günter Grass vor bald fünfzig Jahren den Roman „örtlich betäubt“ schrieb, reichte es in seiner Vorstellung noch aus, wohl mit seinem Blick auf die damalige Gegenwart, nur einen Hund öffentlich verbrennen lassen zu wollen, um auf das Leid durch Napalm aufmerksam zu machen. Heute würde Günter Grass, um das Leid und Elend und Sterben von Menschen bewußt zu machen, wohl einen Roman schreiben, in dem fünfhundert Hunde oder gar tausend Welpen im Neusiedler See ertränkt werden. Und als Titel könnte Günter Grass wohl nur einen wählen: „kontinental betäubt“ …

Nein, das ist ungerecht, also Österreich gegenüber ungerecht, Österreich heute ist doch ein recht gutes Land, mit recht guten Menschen, die schon rechten Anteil nehmen, wenn nur einem einzigen Pudel etwas Schreckliches zustößt, des Pudels Leid wird sofort ausführlich berichtet, und wie herzensgut die tiervernarrten Menschen sind, darüber legten sie erst gestern wieder vor dem Hause ihres höchsten Schutzherrn dieses Landes recht beredtes Zeugnis