In Austria, identity has a baptismal name: Karl.

Wird für „Der Herr Karl“ von Helmut Qualtinger und Carl Merz um eine kurze Inhaltsangabe ersucht, gefragt, ob dieser etwas mit der österreichischen Wirklichkeit zu tun habe, wer denn dieser „Herr Karl“ sei, wen der „Herr Karl“ verkörpere, wer seine Vorbilder seien, fallen Bezeichnungen, Zuschreibungen, beispielsweise „Durchschnittsbürger“, „Fleisch gewordener Wiener Opportunist“, „selbstgerechter Hausmeister-Typ voll bestialischer Gemütlichkeit“; schlicht wie kurz: der „Herr Karl“ ist für alle stets der sogenannte „kleine Mann von der Straße“, niemals aber der sogenannte „große Mann“ in seiner …

Dabei, wenn bedacht wird, wer dort vor allem verkehrte, wo Qualtinger und Merz ihre Männer als Vorbilder fanden, die sie zu einem „Herrn Karl“ bis zur Kenntlichkeit verdichteten. Es waren darunter „hochrangige Polizeibeamte“, „Schauspieler“, „Journalisten“, „Halbwelt“. Nicht auszuschließen, daß unter diesen Vorbildern auch Künstlerinnen waren, vielleicht sogar Josef Müllner, der Schöpfer des KL-Denkmals.

Der Inhalt von „Der Herr Karl“ kann auch ganz kurz anhand von ein paar Daten von Josef Müllner zwischen 1926 und 1949 etwa nüchtern erzählt werden, wo er überall dabei gewesen sein muß, um das zu erreichen, das „Der Herr Karl“ nicht erreichte, obgleich auch er versuchte, wie Qualtinger und Merz ihn eindrucksvoll erzählen lassen, ebenfalls überall dabei zu sein, überall mitzutun, wie es ihm die Zeitenläufte zu gebieten schienen.

Und wenn einst die Zusatztafel zur Zusatztafel zum KL-Denkmal mit dieser schlichten wie kurzen Aufzählung von Auszeichnungen aus dem Leben des Josef Müllner auf dem KL-Platz steht, können sogenannte Stadtführerinnen, Guides erzählen, und dabei auf diese Zusatztafel zeigen, daß dies in der kürzesten Fassung im Grunde der Inhalt von „Der Herr Karl“ ist, dem Werk über den Menschen in Österreich mit seiner Karl-Identität.

Vielleicht ist es aber gar nicht der einzelne Mensch in Österreich, der eine Karl-Identität besitzt, sondern Österreich ist es, das die Karl-Identität einzig besitzt, ein selbstgerechter Hausmeister-Typ mit bestialischer Gemütlichkeit als Durchschnittsstaat, der sich gegenüber Menschen opportunistisch verhält, wie es ihm die Zeitenläufte geboten erscheinen, sich stets dem jeweiligen ihm gezeigten Gesinnungsbild anzudienen, es ihm ermöglicht, beispielsweise gegenüber Josef Müllner bis heute herauf sich zu verhalten, wie er meint, daß Josef Müllner es von ihm erwartet, daß er, der Staat, sich ihm gegenüber zu verhalten hat, um sein Wohlwollen sich zu verdienen, zu sichern.

Menschgemäß ist es Unsinn oder zu einfach wie kurz gesagt, daß ein Staat eine Identität besitzt. Es sind die Menschen, die einem Staat eine Identität zuschreiben, die, wenn überhaupt so etwas wie eine Identität festgestellt werden kann, deren eigene ist, wie sie meinen, und sich selbst dabei mit dem Staat verwechseln. Kurz ist es her, daß ein Mensch mit einer solchen Identität im österreichischen Parlament eine Rede hielt und dabei ganz darin verblieb, die Zuschreibungen, wer „Der Herr Karl“ sei, fortzuschreiben, wenn er davon spricht,

„Erst wenn wir alle aufstehen, erst dann, wenn jeder im Wirtshaus aufsteht, wenn er hört, dass ein Witz gemacht wird oder dass verächtlich geredet wird, erst dann, wenn er aufsteht und dagegen auftritt, dann wird es uns gelingen, den Antisemitismus einzudämmen.“

wenn alle „im Wirtshaus dagegen aufstehen“, also nur in der Villa, im Palast der sogenannten „kleinen Leute“ und nicht dort auch, wo beispielsweise er, der Präsident, auftritt; denn dort wo er, der „große Mann“ hintritt, gibt es keinen Antisemitismus und auch keine Karl-Identität …