„Berührende Zeilen erhielt dieser Tage“ …
… eine Tageszeitung, die derart von diesen Zeilen gerührt ist, daß sie diese sofort am 9. August ’20 veröffentlichen muß, um alle im Lande Österreich mit diesen „berührenden Zeilen“ von Tassilo Wallentin …
In diesen „berührenden Zeilen“ geht es um und wieder einmal um eine „gendergerechte Sprache“, wie so oft. Aus welcher Flasche der Geist steigt, der Tassilo Wallentin diese „berührenden Zeilen“ diktiert, ist schlicht wie kurz ausgemacht, wenn er als seinen Kronzeugen Martin Luther, diesen Antiziganisten und Antisemiten, aufruft und anruft.
Wieder einmal wurde beispielsweise mit der letzten Rechtschreibreform so eindrucksvoll beweisen, ein weiteres Mal so eindrucksvoll bewiesen, daß die Sprache das einzige Medium sei, „in dem die Demokratie schon immer geherrscht hat“. Nur ein dem Luther Ebenbürtiger in Sprachbeherrschung wie Hans Magnus Enzensberger ist zu solch einer tiefen Erkenntnis fähig und zurecht von Tassilo W. in den Reim, den sich Tassilo Wallentin auf die Sprache macht, aufgenommen fein säuberlich in den Kinderbrief.
Und auch die „berührenden Zeilen“ von Heinz S. sogleich am Sonntage dieses Monats im Jahr ’20 veröffentlicht. Wobei zu vermuten ist, daß er, Heinz S., diese nicht selbst geschrieben hat, weil er noch zu klein ist, er vielleicht noch nicht einmal eingeschult ist, er aber seinem Vati es ganz aufgeregt erzählt haben wird, seine „gute Idee“ … und sein Vati, Sichrovsky, ganz „berührt“ und gerührt davon und von seinem Sohn Heinz, einfach wie kurz sich dazu entschlossen hat, es für seinen kleinen tapferen Rittersohn aufzuschreiben und an die „Kronen Zeitung“ zu schicken. Und als der Vati, Sichrovsky, mit dem Aufschreiben der „guten Idee“ seines Sohnes fertig ward, das Brieflein in ein Kuvertlein gesteckt, ausrief: Mein Sohn, seht, „ein eigenes Hirn“! Was für ein Sprachschöpfer: „Kret*in“ …
Was für Sohn! Auch Mutti Sichrovsky muß ganz von ihm eingenommen sein, vielleicht haben Vati und Mutti zusammen aufgeschrieben, was ihr Sohnemann ihnen aufgesagt, Papi hat es geschrieben und Mutti darauf geachtet, daß es streng nach der von Millionen beschlossenen, ah, demokratisch beschlossenen Rechtschreibreform geschrieben … So klein er ist, so er noch gar nicht selber schreiben kann, und er denkt schon darüber nach, was der Kanzler alles zu „widerrufen“ hätte …
Für ein Kapitel, in dem es um „Kinderbriefe“ geht, kann es wohl keinen besseren Schluß geben, als einen mit einer Aufgabe als Hausübung. Ist das Unbehagen daran gerechtfertigt, wenn Menschen sprachlich durch Sonderzeichen wie „*“, „_“ ausgedrückt werden? Und wenn ja, warum? Gibt es optimalere Lösungen dafür, als Menschen durch Sonderzeichen vorzuführen? Ist die Variante mit Sonderzeichen ein rührender, aber hilfloser Versuch auf dem Weg zu einer optimalen Lösung, oder ein Abgrund, der den Menschen, die um sprachliche Gleichbehandlung sich bemühen, selbst nicht bewußt ist, den wahrzunehmen sie nicht gewillt sind? Kann es eine vorzügliche sprachliche Gleichbehandlung je geben ohne eine tatsächliche Gleichbehandlung in der Wirklichkeit, ohne tatsächlich gelebte Gleichbehandlung in Staat und Gesellschaft?

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