Verbrechen sind kein Schicksal

Damit nicht gesagt werden kann, es sei nicht bemerkt worden, daß Bundespräsident Alexander Van der Bellen etwas zum Gedenktag am 2. August 2020 gesagt hätte.

Nun, er hat etwas gesagt. Er hat eine Videobotschaft abgesetzt. Seinem Gewissen hat er soher ein feines Ruhekissen aufgeschüttelt. Wenn aber nicht zufällig an diesem 2. August eine Tageszeitung gelesen worden wäre, in der von dieser Videobotschaft berichtet worden ist, mit einer Verlinkung zur Videobotschaft des Bundespräsidenten, es wäre vollkommen untergegangen, daß er etwas zum Gedenktag gesagt hat. Es wird, so wird er fortan sagen können, ihm kein Mensch vorhalten können, er hätte geschwiegen.

Er schweigt nicht, und schweigt durch sein Nichtschweigen dennoch.

Wer in Zukunft diese Videobotschaft suchen wird, weil davon gehört, es solle solch eine Videobotschaft geben, wird lange suchen müssen, um diese zu finden, vielleicht wird auch die Suche sogar vergebens sein. Denn. Wo die Videobotschaft von Alexander Van der Bellen nicht zu finden ist, ist auf den sogenannten offiziellen Kanälen des Bundespräsidenten, also nicht veröffentlicht auf der offiziellen Website des Bundespräsidenten, nicht aufzufinden auf dem Youtube-Kanal des Bundespräsidenten, nicht auf seinem Twitter-Account.

In diesem Artikel vom 2. August wird die Videobotschaft des Bundespräsidenten zusammengefaßt:

„Lange Zeit sei das Schicksal der Roma und Sinti ‚verdrängt, verschwiegen und vergessen‘ worden, fuhr der Bundespräsident fort. Auch heute noch sei ihre Kultur ‚mit Klischees und Vorurteilen belastet‘. Die Zeitzeugen unter den Roma und Sinti, die aus der NS-Zeit berichten könnten, würden heute immer weniger.“

„Schicksal verdrängt, verschwiegen und vergessen“ … Wie lieblich! Wie rührend der Bundespräsident spricht. Vielleicht findet sich ein Mensch, der dem Bundespräsidenten es bei einer passenden Gelegenheit persönlich sagen kann:

Verbrechen sind kein Schicksal.

„Als Bundespräsident denke ich da besonders an meine eigene Heimat, Österreich.“

In seiner Videobotschaft denkt Alexander Van der Bellen also „besonders an meine eigene Heimat“, an das Portschyland, das Österreich ist. Und auf diesem Grund müßte er wohl deutlichere Worte finden, Worte, die nicht von „Schicksal“ sprechen, sondern von Verbrechen mannigfacher Art, bis hin zum Massenmord.

Was ihm etwa am 6. August 2020 so leicht über die Lippen kommt, verbreitet auf Twitter, mit über 196 Tausend „Followern“, zu den Atombombenabwürfen vor 75 Jahren, und auch auf der offiziellen Website des Bundespräsidenten, wäre endlich und wichtig auf den offiziellen Kanälen eines österreichischen Bundespräsidenten zum breitesten und offiziellen Eingeständnis not, in etwas abgeänderter Form seiner Bekanntgabe zu Hiroshima und Nagasaki:

„Im Namen der Republik Österreich“ entschuldige ich mich bei den Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen und bei deren Nachkommen, die auch 75 Jahre nach dem Untergang der massenmörderischen Totaldiktatur Opfer dieser grauenvollen Gesinnung sind.

Das mindert zwar nicht das Leid, die Verfolgungen, die Diffamierungen würden damit nicht aufhören, aber es wäre doch ein wesentlicherer Beitrag von einem Bundespräsidenten als dieses Schweigen durch Nichtschweigen, sofern er sich selbst zuhört, was er sagt:

„Das Gedenken sehe er auch als Auftrag der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft: ‚Wir müssen dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbock, Hass und Gewalt nie wieder als politische Instrumente eingesetzt werden‘, unterstrich Van der Bellen.“

„Menschenverachtung, Sündenbock, Hass und Gewalt“ werden nach wie vor „als politische Instrumente eingesetzt“. Und gerade in diesem Artikel über seine Videobotschaft wird auch davon berichtet, von einem Mandatar

„Sie verwies auf ein derzeit in staatsanwaltlicher Prüfung befindliches Video mit Hassaussagen gegen Roma und Sinti, die ein steirischer FPÖ-Mandatar im Internet geteilt hatte, und Beschmierungen wie etwa ‚Roma raus‘. Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat den steirischen FPÖ-Vizeklubobmann Stefan Hermann wegen Verdachts der Verhetzung bei der Staatsanwaltschaft Graz angezeigt. Die Sachverhaltsdarstellung bezieht sich auf ein von ihm geteiltes Video auf Facebook, bei dem es sich laut SOS Mitmensch um ein „Anti-Roma-Hassvideo“ handle. Darin seien „wüste Beschimpfungen gegen Roma und Sinti“ zu sehen.“

der Partei, die für kurz gewesene Regierungspartei wieder einmal, angelobt so leichthin in harmonischer Zeremonie von Alexander Van der Bellen.

Wenn das sein „Gedenken“ ist, wenn das sein „Auftrag“ ist, wenn das seine „Gestaltung von Gegenwart und Zukunft“ ist …

PPS In seiner Videobotschaft spricht Alexander Van der Bellen auch davon, daß die „Zeitzeugen“ immer weniger werden. Wohin sie nie eingeladen werden, davon erzählt der Herr Bundespräsident nichts …

PS Wenn Sie einer oder eine von den 31 Abonnentinnen von „European Holocaust Memorial Day for Sinti and Roma“ sind, dann werden Sie die Videobotschaft des österreichischen Bundespräsidenten bereits kennen, wenn nicht, und Sie wollen diese Videobotschaft doch finden, dann klicken Sie auf diesen Link: https://www.youtube.com/watch?v=K1-0mU8KDLA

Und Sie werden unter dem Video eine befremdliche Information lesen:

„Sadly, Youtube does not allow you to upload subtitles in Romani.“

Befremdlich aber nur, wenn die Gegenwart, die Bedingungen, unter denen Menschen, für die am liebsten noch als Bezeichnung „Zigeuner“ verwendet wird, nicht nur in Österreich, im 21. Jahrhundert europaweit zu leben haben – verdrängt, verschwiegen, vergessen …