Amazon: „Wer gegen uns?“

„Eine Squadra – die Jungen sind eine Squadra, ein Trupp. Sie sind zu viert, aber auch wenn sie bloß zu dritt oder sogar nur zu zweit wären, es wäre das gleiche: Sie wären ein Trupp, eine Squadra.“ „Nessun dolore“, der italienische Titel dieses Romans von Domenico Di Tullio über das neofaschistische Projekt CasaPound, heißt wörtlich „Keine Schmerzen“. Bei edition nordost erscheint das Buch unter dem Titel „Wer gegen uns?“ Es geht darin um die Geschichte junger Männer und Frauen, die vor der Wahl stehen, entweder einen bürgerlichen Weg einzuschlagen oder die Chance ihres Lebens zu ergreifen und Teil einer ebenso kompromißlosen wie faszinierenden Bewegung zu werden – Teil des Projekts CasaPound Italia. Wer sich von der Eingangsszene, dem Totengedenken an drei junge Kameraden auf der Via Acca Larenzia (immer am 7. Januar), nicht in diesen Roman ziehen läßt, ist blind und taub für die Gründungsmythen politischer Alternativen. „Sie sind also zu siebt. Es könnten auch noch mehr sein, aber ihre Zahl ist kein Problem. Das ist die erste Regel, die sie dir beibringen: Manches muß getan werden, ohne Ausnahme. Auch der halbe Meter Rundholz, den jene ab und zu bei sich tragen, erlaubt keine Ausnahme von dieser Regel. Frederico parkt ohne Eile am Bürgersteig und schaltet den Motor aus, während Nico sich schon die Handschuhe angezogen hat …“

So wird auf Amazon ein Roman angepriesen, diesen zu kaufen. So wird dieser Roman von „Nationaler Sozialismus Heute“ angepriesen, diesen zu kaufen. Beide, Amazon und „N.S. Heute“ preisen diesen Roman an mit der Propaganda des Verlages, der diesen Roman herausbrachte.

Wer diese übernommene Propaganda auf Amazon liest, könnte denken, das ist ein kritischer Roman über Neofaschismus, wenngleich bereits ein paar Zeilen weiter das Grübeln einsetzen müßte, ob das tatsächlich ein kritischer Roman über Neofaschismus ist, wenn von einer „faszinierenden Bewegung“ …

Es ist kein kritischer Roman. Es ist ein Propagandaroman. Denn. Der Autor ist

Teil von CasaPound Italia, an dessen Entwicklungsprozeß Di Tullio als Anwalt dieses großen Projekts mitwirkt.

Der Autor ist einer von ihnen. Wie der Verlag schreibt, „Teil einer ebenso kompromißlosen wie faszinierenden Bewegung werden – Teil von CasaPound Italia, an dessen Entwicklungsprozeß Di Tullio als Anwalt dieses großen Projekts mitwirkt.“

Domenico Di Tullio ist also Teil dieser neofaschistischen Gruppe. Diese Information aber verschweigt Amazon seiner Kundschaft, eine nicht unwichtige Information, um gleich zu erfahren, sofort wissen zu können, um was für eine Art Buch es sich bei diesem Roman handelt – um ein Propagandabuch.

Zu verschweigen, daß Tullio Teil dieser neofaschistischen Gruppe ist, ist so, als würde Amazon – das soll für einen Moment angenommen werden, verkaufte Amazon den Roman „Mein Kampf“ – verschweigen, daß der Autor des Progandabuches „Mein Kampf“ nicht Teil der nationalsozialistischen Gruppe gewesen sein. Heute sollte zwar ein jeder Mensch wissen, wer der Autor des Propagandabuches war, dennoch muß es immer dazu geschrieben werden, denn zu viele wollen sich nicht mehr erinnern, wer er war und vor allem was er tat.

Ehe Sie bemängeln wollen, daß auch hier gleich wieder in die Vergangenheit hinabgestiegen wird, Tullio gar mit dem Autor vom Schundpropagandaroman „Mein Kampf“ verglichen wird, muß Ihnen gesagt werden, es wird in keiner Weise verglichen, aber die Vergangenheit steigt herauf in die Gegenwart, und die ist in der Propaganda des Verlages, wie sie nicht nur von Amazon übernommen ist, gegenwärtig:

Es geht darin um die Geschichte junger Männer und Frauen, die vor der Wahl stehen, entweder einen bürgerlichen Weg einzuschlagen oder die Chance ihres Lebens zu ergreifen und Teil einer ebenso kompromißlosen wie faszinierenden Bewegung zu werden – Teil des Projekts CasaPound Italia.

Das ist ein Echo aus der Vergangenheit beispielsweise eines Satzes in „Wieviel Wahrheit braucht der Mensch? Über das Denkbare und das Lebbare“ von Rüdiger Safranski:

Ein bürgerliches Leben mit Arbeit, Zielstrebigkeit und Familiensinn lehnt er ab.

Das ist zu lesen im Kapitel „Metaphysik und Verbrechen“, in dem Rüdiger Safranski über einen damaligen Schundromanautor und seinen Propagandaminister, der sich auch am Roman versuchte, schreibt. Beide standen vor einer Wahl, und beide entschieden, „Teil einer ebenso kompromißlosen wie faszinierenden Bewegung zu werden“.