Es gibt Bücher, die sind so gewichtig, daß nicht mehr als zu einer Fußnote darin geschrieben werden kann.
Genauer. Es sind zwei Fußnoten. Zwei Fußnoten zu einem Satz, zu diesem Satz, auf der Seite 239:
„Im Juni werfen die Bachmann-Lesungen im Stadthaus die Besetzung des benachbarten Palais Reitschulgasse 4 ab. Eine Gruppe von Autoren280 schließt sich mit linksradikalen Freaks und Student*innen281 zusammen, um ein freies Kulturzentrum in der Stadt zu erzwingen.“
Mit der Fußnote „280“ nennt Wolfgang Koch die „Autoren“ bei ihren Namen, er zählt sie auf. Mit der Fußnote „281“ nennt Wolfgang Koch die „linksradikalen Freaks und Student*innen“ bei ihren Namen, er zählt sie auf.
Hans Triebnig wird in der Fußnote „281“ genannt.
Wenn Hans Triebnig in einer Fußnote zu nennen ist, wie in diesem Buch …
Jeden
Tag
Cowboy
Viktor Rogy
Der Kunstrebell vom
Wörthersee
… dann nur in der Fußnote „280“, bei den „Autoren“, dann nur in der Fußnote „280“ als Autor unter den „Autoren“.
Als wen Wolfgang Koch Hans Triebnig ansieht, darüber kann nur spekuliert werden, ob als einen „linksradikalen Freak“ oder als einen „Studenten“, zu ungenau ist die Angabe von Wolfgang Koch, um es mit Bestimmtheit sagen zu können. Mit Bestimmtheit aber kann gesagt werden, Hans Triebnig war zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 1979, kein Student, aber ein Autor. Und so gehört der Name Hans Triebnig, wenn schon in einer Fußnote genannt, in die Fußnote der „Autoren“. Und in der Fußnote der „Autoren“ gehört Hans Triebnig an erster Stelle genannt, um der Geschichte dieser Besetzung mit einem Mindestmaß – auch in einer derart verkürzten Darstellung – an Genauigkeit sich anzunähern.
Die Fußnote „280“ ist durch den fehlenden Namen Hans Triebnig mangelhaft, und auch durch einen Namen zu viel. Ehe gemeint wird, es werde hier zu viel geunkt, nur noch dies. Dieser Satz
Im Juni werfen die Bachmann-Lesungen im Stadthaus die Besetzung des benachbarten Palais Reitschulgasse 4 ab. Eine Gruppe von Autoren schließt sich mit linksradikalen Freaks und Student*innen zusammen, um ein freies Kulturzentrum in der Stadt zu erzwingen.
kommt ohne eine einzige Fußnote aus. Wenngleich es ein Satz ist in einer seltsam anmutenden Formulierung, so hat dieser doch seine Berechtigung als Beitrag zur Beschreibung der Atmosphäre, der Aufbrüche zu dieser Zeit in Klagenfurt, in Kärnten, auch wenn Viktor Rogy mit dem alten Haus in der Reitschulgasse 4 nichts zu tun hatte. Schließlich, von einem Ereignis in einem Satz zu erzählen, das ist eine schwere Aufgabe. Wer sich einer solchen stellt, verdient Nachsicht.
Es gibt Bücher, die sind so gewichtig, daß über sie nicht mehr als zu einer Fußnote in diesen geschrieben werden kann.
Noch genauer. Es sind vier Fußnoten. Ein Satz auf Seite 239. Und zwei Absätze auf Seite 247. In der Fußnote „301“ wird Hans Triebnig unter die Namen gereiht, zu denen er gehört. Die Fußnote „302“ gehört zu dem Absatz mit einer seltsam anmutenden Beschreibung von Hans Triebnig. In diesem Absatz darf Hans Triebnig zwar als Theaterstückschreibender auftreten —
Es ist, als würden die zwei Fußnoten ohne die zwei Absätze auskommen, so wie der Satz ein paar Seiten davor ohne die Fußnoten …

Es wäre wohl angeraten gewesen, mit Hans Triebnig zu sprechen. Es wäre von ihm Genaues zu erfahren gewesen, über die Monate der Reitschulgasse, über die Ereignisse und der damit einhergehenden Sensation um die Nockberge … Aber es bleibt dafür Zeit, Zeit für ein nächstes Buch. Zu Hans Triebnig. Mit dem Titel: Hans Triebnig, eine Musiknote.
Bis es dieses Buch aber gibt, ein paar Ausschnitte, was Hans Triebnig alles ist, vielleicht schon eine erste Sammlung zum Gebrauch als Ausgangsmaterial für Hans Triebnig eine Musiknote …


Es sind noch viele Bücher zu schreiben.
Es sind keine Bücher mehr zu schreiben. Aber viele der Schreibenden sind stets auf der Suche nach Themen, um Bücher dennoch zu schreiben, und finden kein Thema.
Eines wäre, ein Buch über Verfehlungen zu schreiben.
Über die Verfehlungen der Schreibenden von Biographien.
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