Österreich, Opferreich

Wenn wer eine Reise tut, dann kann was erzählt werden, und erst recht, wenn Alexander Schallenberg eine Reise tut, dann gibt es was zu erzählen.

Diesmal was von seiner Reise in den Libanon.

Schallenberg zollte dem Mittelmeerland Anerkennung für die Aufnahme von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge. Österreich helfe hier mit humanitärer Hilfe, der Frage nach einer Aufnahme von Flüchtlingen nach Österreich erteilte er aber erneut eine Absage. “Langfristiges Ziel ist es, dass die Menschen in ihre Heimat zurückkehren, das ist auch das, was sie wollen.” Er spreche als Vertreter eines Landes, dass im Jahr 2015 “sehr stark Opfer der sogenannten Flüchtlingskrise war”. Zwar seien die Zahlen nicht vergleichbar, aber Österreich habe mehr als 120.000 Menschen aufnehmen müssen und wolle diese integrieren, was Jahre dauern werde.

Oh, Schallenberg, oh Österreich, immer Opfer, ewiges Opferreich …

Opferreich habe mehr als einhundertzwanzigtausend Menschen, so Schallenberg, aufnehmen müssen. Er reist nicht nur in Staaten, sondern auch in das Zahlenland, und wie die gemachten Eindrücke in bereisten Ländern in der Erinnerung durcheinanderkommen können, sich vermischen können, verwechselt werden können, falsch zugeordnet werden können, so können auch die vielen, vielen bestaunten Zahlen … das auch nicht verwundert, Einheimische des Zahlenlands sind die aus seiner Partei, wie spätestens seit dem Mann reichlich bekannt ist, der es nun noch einmal versuchen will, im Zahlenland heimisch zu werden, ohnehin nicht.

Von welcher Zahl spricht Alexander Schallenberg, wenn er die Zahl 120.000 nennt? Meint er die Zahl 120.000, die im September 2015 vom EU-Parlament als Quote beschlossen wurde?

Die EU-Abgeordneten billigten den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission ohne weitere Änderungen. Das heißt, dass die EU-Parlamentarier auf einem verbindlichen Verteilungsschlüssel beharrten, während unter den EU-Staaten zahlreiche Osteuropäer allenfalls freiwillige Zusagen akzeptieren wollen. Die legislative Entschließung wurde mit einer breiten Mehrheit von 372 Ja-Stimmen gegenüber 124 Nein-Stimmen und 54 Enthaltungen angenommen.

Österreich soll zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen

Den größten Anteil übernimmt Deutschland laut dem vom EU-Parlament gebilligten Plan mit 31.443 Flüchtlingen. Österreich soll zusätzlich 3.640 Flüchtlinge aufnehmen. Von insgesamt 120.000 Asylbewerbern kommen 54.000 aus Ungarn, 50.400 aus Griechenland und 15.600 aus Italien.

Oder. Meint er mit der Zahl 120.000 allein das Jahr 2015, in dem Opferreich …? 2015 gab es 85.798 Asyl-Erstanträge, also weit weniger als die von ihm genannte Zahl von 120.000 …

Von dem Wollen der Integration kann bei Anträgen bei weitem nicht gesprochen werden, es sind bloß Anträge, die einer Entscheidung harren, ob die Menschen im Opferreich aufgenommen werden oder nicht, ob ihre Anträge je für sie positiv entschieden werden. Vielleicht wird das Alexander Schallenberg noch eines Tages aufklären, welche Zahl ihm tatsächlich in den Schopf kam, als er die Zahl 120.000 nannte, ob ihm die Erinnerung einen Streich spielte, einen gefälligen Streich, mit dem die Fortschreibung der Opfergeschichte Österreichs um einiges leichter von der Hand …

Wer aber auf diesen Tag der Aufklärung nicht warten will, bereits ahnt, daß dieser Tag der Aufklärung niemals kommen wird, kann die entsprechenden Statistiken aufrufen, um sich selbst über die schallenbergsche Zahl aufzuklären …

Und noch was kann von seiner Reise erzählt werden:

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat bei einem Treffen mit seinem libanesischen Amtskollegen Abdullah Bou Habib am Mittwoch in Beirut Libanons Regierung eindringlich zu Reformen aufgefordert. Er bewundere das libanesische Volk für seine Resilienz in der tiefen Krise, “die Elite muss nun beweisen, dass sie dieses Volk verdient”. “Es schmerzt zu sehen, in welcher politischen, sozialen und wirtschaftlichen Abwärtsspirale sich dieses Land befindet. Es schmerzt, dass viele Personen offensichtlich das Vertrauen in die Institutionen verloren haben und die Koffer packen und das Land verlassen”, sagte Schallenberg bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Österreich stehe an der Seite des Libanons, die Verantwortung liege aber bei der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes. “Nur sie hat es in der Hand, sich am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen und das Klientel-Denken zu beenden”, so der Außenminister.

Oh, Schallenberg, auch wenn es Antonio Guterres nachgesprochen ist, ist es kein kluger Gedanke …

I urge the Lebanese leaders to deserve their people and I urge the international community to correspond to the generosity of the Lebanese people.

… denn auch das Nachsprechen ist ein Akt des Denkens, der dem Nachsprechen vorausgeht, jenen zumindest, die des … Es ist kein kluger, es ist gar kein Gedanke, aber ein demokratiepolitischer Offenbarungseid; auch das verwundert nicht, bei seiner Partei, deren Geist in einer Keusche

Für 2022 aber schon sind Wahlen geplant. Dann wird in diesem Land nach bester demokratischer Art entschieden werden, bei wem tatsächlich die Verantwortung liegt, wer es tatsächlich in der Hand hat, den Schopf nicht aus dem Sumpf zu ziehen, sondern den Schöpfen des Sumpfs ihre Sümpfe trockenzulegen, die Klientelpolitik zu beenden …