Playbook Federal Constitutional Act of Austria

Jetzt hat er es schon wieder getan. Nein, nicht getan, kein Tun. Jetzt hat er es schon wieder gesagt. Am 1. Oktober 2025 hat es der derzeitige Bundespräsident in Österreich wieder gesagt.

Unsere – elegante – Verfassung steht auf Papier, zum Leben erwecken wir sie durch das, was wir tagtäglich tun.

Das von der Eleganz hat er wieder gesagt, am Verfassungstag. Und ergänzend hierzu hat er gefragt und gesagt:

Was, wenn Willkür sich grundsätzlich über Recht erhebt?
Wenn die Akzeptanz der Rechtsordnung schwindet, dann auch die Macht ihrer Buchstaben auf dem Papier.

Was, wenn Recht grundsätzlich Willkür enthält? Was, wenn die Macht der Buchstaben der Rechtsordnung, der Verfassung Akzeptanz der Willkür ist?

Zum Verfassungstag 2025 in Österreich, zur Rede des Bundespräsidenten zum Verfassungstag ist wieder einmal zu erinnern, was überfällig in bezug auf die österreichische Bundesverfassung zu tun ist,

mit ein paar Zitaten aus einem Artikel aus einem nichtösterreichischen Medium besonders zur Verfassung: „Blätter für deutsche und internationale Politik. Österreich: Das Drehbuch des ‚Volkskanzlers‚. Tamara Ehs. Ausgabe März 2024″.

Das wesentlichste Zitat daraus wohl jenes von Hans Kelsen:

Das Land hat sich nie seiner genuin austrofaschistischen Geschichte gestellt, die vor genau 90 Jahren in den Bürgerkrieg führte. Die damalige Zerstörung der Demokratie war von einer langen Latenzperiode geprägt, die ihren ersten Höhepunkt mit der Verfassungsnovelle von 1929 erreichte. Sie bewirkte eine Machtverschiebung vom Parlament zur Regierung, stattete den Bundespräsidenten mit autoritärer Gewalt aus und entledigte sich durch eine „Umpolitisierung“ der Richterschaft der lästigen Kontrollfunktion des Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Hans Kelsen, bis dahin Mitglied des VfGH, bezeichnete die Novelle als „den Beginn einer politischen Evolution, die unweigerlich in den Faschismus führte“.[1] Nach 1945 griff Österreich auf diese Verfassung zurück. Das Amt des Bundespräsidenten ist seither eine „tickende Zeitbombe“[2], deren Explosivität sich die FPÖ bewusst ist.

Weiter wird in diesem Artikel zur Verfassung ausgeführt:

Allerdings könnte ihm Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Weg ins Kanzleramt verstellen. Da dem direkt gewählten Bundespräsidenten die Ernennung des Bundeskanzlers zukommt und er in seiner Entscheidung vollkommen frei ist, stellt dieses Amt eine Hürde dar, die die FPÖ schon 2016 nehmen wollte. Damals standen Van der Bellen (Grüne) und Norbert Hofer (FPÖ) einander in der Stichwahl gegenüber und Hofer fiel durch sein ungewöhnliches Amtsverständnis auf. Während Österreichs Bundespräsidenten der Zweiten Republik aus den Vorkommnissen der 1930er Jahre Konsequenzen gezogen hatten und im Amt trotz autoritärer Befugnisse in vielerlei Fragen Rollenverzicht übten, meinte Hofer zu seinem Amtsverständnis befragt: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“[20] Er spielte auf die umfänglichen Rechte an, die die Verfassung seit ihrer Novelle von 1929 für Bundespräsidenten bereithält, die aber der Wählerschaft nicht bewusst sind.

Das Jahr 1929 ist für die Zerstörung der Demokratie weitaus bedeutender als die Österreich umtreibende Frage, wie denn nun das Regime der 1930er Jahre genannt werden darf. Krisen und Kulturkampf hatten die Gesellschaft erfolgreich polarisiert und den ideologischen Raum für die Verfassungsnovelle vorbereitet, die alle Macht an die Konservativen band und die Gewaltenteilung weitgehend aufhob.

Auf dieser Klaviatur spielt in der Zweiten Republik die FPÖ munter weiter: Jörg Haider griff den VfGH immer wieder an, bezeichnete ihn als „Islamistenlobby“, bezichtigte seinen Präsidenten des „unwürdigen und unpatriotischen Verhaltens“ und meinte schließlich: „Das Volk steht über dem VfGH.“[21] In die gleiche Kerbe schlug Hofer, der 2016 als Bundespräsidentschaftskandidat „Das Recht geht vom Volk aus“ plakatieren ließ und den Artikel 1 der Bundesverfassung bewusst falsch zitierte. Dort heißt es nämlich: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ – Ihr Recht, das Recht der Republik als Summe aller Institutionen und Rechtsnormen.

So plakatierte Sebastian Kurz 2019 nach dem parlamentarischen Misstrauensvotum im Zuge des Ibiza-Skandals: „Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden“ – und spielte den Nationalrat gegen die „wahre Demokratie“ aus.

Der Historiker Oliver Rathkolb vermutet, dass sich Herbert Kickl bei seinem voraussichtlichen Wahlsieg 2024 nicht die Blöße geben wird, auf seine Berufung als „Volkskanzler“ zu hoffen, sondern eher einen sympathischeren Stellvertreter – oder noch besser eine Stellvertreterin – vorschickt, während er sich auf die nächsten Bundespräsidentschaftswahlen vorbereitet: Volkspräsident Kickl. Es braucht nämlich letztlich beide Ämter, um den Staatsumbau nachhaltig zu gestalten und die Parteiideologie ins System einzubauen.

Während Deutschland im Grundgesetz Lehren aus der Geschichte zog und die Macht des Bundespräsidenten begrenzte, griff Österreich als „erstes Opfer“ nach 1945 auf seine alte Verfassung in der Fassung von 1929 zurück. Somit gilt weiterhin, dass der Bundespräsident „die Republik jederzeit mit vier aufeinanderfolgenden Entschließungen in eine ganz andere Lage bringen kann“, wie der Justizminister in der Expertenregierung von 2019, Clemens Jabloner, mahnt.[23] Dazu müsste er mit der ersten Entschließung die gesamte Bundesregierung entlassen, mit der zweiten eine ihm genehme Person als Bundeskanzler bestellen, mit der dritten auf dessen Vorschlag die übrigen Bundesminister und mit der vierten auf Vorschlag dieser neuen Bundesregierung die Auflösung des Nationalrats verfügen, was Neuwahlen nach sich zieht, die – so der Plan – nun der Volkskanzler gewinnt.

Im Jahr 1930 war unter Bundespräsident Wilhelm Miklas (Christlichsoziale Partei, CSP) genau dies geschehen.[24] Damals verlor jedoch die CSP, die die Auflösung betrieben hatte, die Wahlen; die Sozialdemokratische Arbeiterpartei holte die Mehrheit, wurde aber, wie schon durchgehend seit 1920, von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossen. Da das Bundespräsidentschaftsmanöver gescheitert war, kam der nächste Plan zum Zug, die Ausschaltung des Parlaments. Kurt Schuschnigg, später diktatorischer Bundeskanzler, stellte als Justizminister bereits im Juni 1932 Überlegungen zur Parlamentsausschaltung an.[25] Geschäftsordnungsprobleme bei der Nationalratssitzung am 4. März 1933 boten die Gelegenheit, diese auch zu realisieren. Als das Vorhaben schließlich in die Tat umgesetzt wurde, verzichtete Bundespräsident Miklas darauf, seine Rechte diesmal für die Rettung der Demokratie einzusetzen, und agierte auf Linie seiner Partei. Damit hatte er den Weg ins diktatorische Regime und in den Bürgerkrieg geebnet.

Das Verbot von Opposition, freier Meinungsäußerung und aller liberalen Errungenschaften der Ersten Republik ermöglichte die Einübung in den Faschismus, wodurch Österreich dem Nationalsozialismus am Ende nicht mehr viel entgegenzusetzen hatte.

Es bleibt nur noch zu fragen, was, wenn zum Leben erweckt wird, wieder erweckt wird, was auf dem Papier steht, in aller Macht der dieser Verfassung? Weder schön noch elegant wird es dann sein, wieder sein, womit die Menschen in Österreich dann tagtäglich zu tun haben werden.