Zeichnen zum Vernebeln – Der Auschwitz-Kitsch des Manfred Bockelmann

Als im Jahr 2013 Wien voll war mit den Plakaten der Ankündigung der Ausstellung „Zeichnen gegen das Vergessen – Manfred Bockelmann“ verursachten diese Zeichnungen von Kindern auf den Plakaten, die in der nationalistischen Massenmorddiktatur des deutschen reiches ermordet wurden, ein Unbehagen, eine Ahnung, es stimme daran etwas nicht, und es wurde der Entschluß gefaßt, diese Ausstellung nicht zu besuchen.

Nun, da sein Bruder, der ein Schlagersänger war, tot ist, kommt die Erinnerung an diese Ausstellung und macht das damalige Unbehagen endlich erklärlich. Erklärlich dadurch, wie bereitwillig so viele Medien in diesem Land einen dem Bruder schmeichelnden Steckbrief veröffentlichten, der den Vater des Malers und des Sängers …

Es ist ein Zeichnen nicht gegen das Vergessen, es sind Bilder der Vernebelung, es sind Bilder für das Vergessen, es soll vergessen werden, wie der Vater von Manfred Bockelmann und seinem Bruder, der ein Schlagersänger war, involviert war in das totalitäre Massenmordregime …

Die Zeichnungen des Manfred Bockelmann aber sind bloßer Auschwitz-Kitsch. Das allein würde ihm noch positiv und hoch anzurechnen sein, einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten. Jedoch derart allgemein diese grausame Geschichte zu behandeln, muß ihm zum Vorwurf gemacht werden. Denn. Gerade er hätte aufgrund seiner Familiengeschichte tatsächlich etwas Konkreteres beitragen können, um etwas über die Verbindungen, über die Gegebenheiten zu berichten, die zu solchen Grausamkeiten führen … Aber Manfred Bockelmann zog es vor, das Thema weit entfernt von seiner Familie, weit entfernt von den Schlössern in Kärnten anzusiedeln … Das wäre wohl viel mehr und vor allem keine angenehme Arbeit gewesen, vor allem zusätzlich noch, hätte er dabei einbezogen, wie es nach 1945 …

Carmen Nebel österreichischer intellektueller Folklore eröffnet Bockelmann-AusstellungSein „Zeichnen gegen das Vergessen“ begründete Manfred Bockelmann mit einem rührenden Gedanken, er wollte die Kinder zeigen, um die niemand geweint hätte – ach, waren das alles Waisen  und ganz ohne Verwandte und Freunde und Bekannte, die allein abgelegen in tiefen Wäldern seit ihrer Geburt lebten, aus denen sie dann von den Nazis und Nazissen zum Ermorden herausgeholt wurden? Hätte Manfred Bockelmann Kinder der Gegenwart gezeichnet, die heute auf der ganzen Welt Opfer der grausamsten Verbrechen sind und sekündlich werden, wäre das ein Zeichen gewesen, das ihm hoch anzurechnen wäre …

Aber das tat er nicht. So bleiben es Zeichnungen von einem Sohn bloß, dessen Vater NSDAP-Mitglied und NS-Bürgermeister war, und menschgemäß ist es anzuerkennen, daß ein Sohn einen Versuch unternimmt, etwas zur Aufklärung und zur sogenannten Aufarbeitung … Aber mit diesem Umfeld, in diesem Umfeld – da hätte Manfred Bockelmann vieles zu erforschen und dann zu erzählen, darf angenommen werden, auch, daß er dafür einen leichten Zugang haben müßte … Das wäre aufschlußreich, aber nicht Zeichnungen der Allerweltsbetroffenheit und der Allerweltsgeschichten abzuliefern …

Bockelmann Manfred Klavierspiel zum Auschwitz-KitschAuf der Website von Manfred Bockelmann ist ein Ausschnitt von einem Film zu sehen, in dem auch über die Eröffnung dieser Ausstellung berichtet wird. „Wenn diese Türen aufgehen, meine Damen und Herren, ziehen Sie sich warm an.“ Das sagt in seiner Eröffnungsrede der Carmen Nebel der intellektuellen Folklore in Österreich … Türen hat Manfred Bockelmann keine aufgemacht, jedenfalls zu keinen Zeichnungen, die rechtfertigen, daß er sich dieser Grausamkeit angenommen hat … Die Türen zu den Schlössern nicht nur in Kärnten hätte er aufreißen sollen, und nicht nur die Türen zu der Zeit vor 1945, vor allem die Türen zu der Zeit danach, wie es da weiterging, als sich alle wieder frische Socken anzogen, um zum Lerch auf einen Tanz … In diesem Film kommt unweigerlich auch sein Bruder, der ein Sänger war, vor, und brudergemäß sind für ihn die Zeichnungen gleich „groß“ … Und noch etwas ist in diesem Film zu sehen, in dem über dieser Grausamkeiten berichtet wird, sich Manfred Bockelmann erklärt, weshalb diese Zeichnungen er machen muß, es ist zu sehen, wie schön Manfred Bockelmann in dem schönen Innenhof eines schloßartigen Gebäudes Klavier spielen kann …

Eines aber ist Manfred Bockelmann hoch anzurechnen, im Gegensatz zu seinem Bruder, der ein Schlagersänger war, präsentiert er auf seiner Website wenigstens keinen schmeichelnden, zurechtgerückten „Steckbrief“ seiner Familie, sondern erzählt wohltuend nur von sich selbst und seinem Werdegang … Das hebt ihn weit über seinen Bruder, der ein Schlagersänger war …

Vielleicht erzählt Manfred Bockelmann eines Tages doch die konkrete Geschichte, als einen weiteren Beitrag, der verstehen läßt, wie es auf den Schlössern in dieser grausamen Zeit zugegangen ist, aber auch nach dem Untergang dieser totalitäten Massenmorddiktatur …

Die österreichische Lebenslüge – Udo Jürgens war einer ihrer Schlager und Sänger

Es wurde gestern doch etwas harsch über einen Artikel in der Tagezeitung „Die Presse“ geschrieben, der von Udo Jürgens und dem Tanzcafé Lerch handelt. Das war berechtigt, aber es muß diesem Artikel doch positiv angerechnet werden, die Geschichte mit den Auftritten von Udo Jürgens im Tanzcafé Lerch nicht unter der Tuchent gelassen zu haben, weil es, wie nun manche meinen, pietätlos sei, einem Toten die Geschichte mit den Massenmördern

Es ist diesem Artikel das einerseits also positiv anzurechnen, weil ohne diesen Artikel nichts je zu Udo Jürgens hier geschrieben worden wäre, wobei allerdings weder Udo Jürgens noch Ernst Lerch noch das Café der Nazis und Nazissen Mittelpunkt der Überlegungen waren, sondern „Die Presse“ selbst. Andererseits wird es – ausgelöst durch diesen Artikel – für den letzten Tag des Jahres 2014 als unangenehm empfunden, sich mit der österreichischen Lebenslüge zu befassen, feststellen zu müssen, daß diese nach wie vor prächtig gedeiht und verbreitet wird …

Udo Jürgens und die österreichische GeschichtslügeWie in der Collage gesehen werden kann, haben sehr viele Medien in Österreich – „Profil“, „ORF“, „Vorarlberger Nachrichten“, „Wiener Zeitung“, „Heute“, „Kurier“, „Die Presse“ in ihrer ersten Reaktion auf den Tod, „Tiroler Tageszeitung“ – die biographischen Angaben bereitwillig aufgenommen und verbreitet, die auf der Website des Managements von Udo Jürgens veröffentlicht sind. Wer noch alles diesen schmeichelnden „Steckbrief“ veröffentlicht hat, wurde nicht weiter recherchiert, aber, das kann gesagt werden, es haben diesen auch Medien beispielsweise in Deutschland übernommen.

Und es ist ein zurechtgerückter und schmeichelnder Steckbrief. Denn keine Rede davon, daß sein Vater ein NS-Bürgermeister war, keine Rede von den Auftritten im Tanzcafé Lerch. Dafür aber findet der Gasthof Valzachi für den ersten Auftritt Erwähnung; ist doch schmeichelhafter als das Café der Nazis und Nazissen. Dafür aber auch die Angabe, daß der Onkel Bürgermeister war, selbstverständlich nach 1945, höchstwahrscheinlich deshalb, weil es nach 1945 war. Der Vater also plötzlich so unwichtig, daß sein Beruf nicht erwähnenswert ist. Nicht einmal, daß er auch nach 1945 noch einmal Bürgermeister war … Es ist ja die große Tradition, die Berufe der Onkels anzugeben, aber nicht die der Väter. Dafür aber die Angabe, daß Hans Arp, ein berühmter Dadaist, ein Onkel ist, auch der Beruf des Großvaters darf nicht verschwiegen werden … Wenigstens die „Neue Kronen Zeitung“ vergißt nicht auf den Beruf des Vaters: „25 Jahre Bürgermeister“ – auch Medien differenzieren nicht, es wird zusammengezählt, was zusammengehört, aber gesagt soll es nicht werden. Wie allerdings die Kronen-Zeitung auf 25 Jahre kommt, ist ihr Rätsel. Das erste Mal war Rudolf Bockelmann Bürgermeister von 1938 bis 1945 in der nationalistischen Massenmorddiktatur des deutschen reiches … Und das zweite Mal von 1954 bis 1958. Es waren doch schwere Jahre, jene von 1938 bis 1945; vielleicht zählen diese für die Kronen-Zeitung doppelt oder gar dreifach … Oder war Rudolf Bockelmann als Großgrundbesitzer für viele Jahre der heimliche Bürgermeister, weil eben Gutbesitzer die wahren Herren im Land sind?

Das wäre alles nicht erwähnenswert, würde Udo Jürgens nicht ein Buch vorgelegt haben, das von nicht wenigen als ein Buch der „NS-Bewältigung“ … Damit hat Udo Jürgens selbst vorgegeben, wie er zu messen ist. Ein derartiger „Steckbrief“ ist dann nicht mehr zu akzeptieren. Wie viele Medien aber in diesem Land nach wie vor eine derart geschönte Biographie bereitwillig verbreiten, ist wohl dem Umstand geschuldet, daß in Österreich nach wie vor die Lebenslüge bevorzugt wird, es sei niemand dabei gewesen, niemand aus der Familie hätte irgend etwas damit zu tun gehabt, und auch nach 1945 hätte nie einer aus der Familie weiter mit denen etwas zu tun gehabt, oder ihnen gar geholfen, sich ihrer Verantwortung und ihrer Verurteilung entziehen zu können … Eine Empfehlung: „Schlagersänger differenzieren nicht“ von Berndt Rieger …

Aber genug, das ist genug. Positiv daran ist, einen Vorsatz für das neue Jahr doch noch zu haben, nämlich nichts mehr zu Udo Jürgens zu schreiben. Dabei fiele jetzt schon viel ein, worüber geschrieben werden könnte. Beispielsweise über die Standesdünkel eines Schloßbesitzersohnes, wird etwa an die Verfilmung von „Der Mann mit dem Fagott“ gedacht. Wie in diesem Film ein sogenannter kleiner Mann aus dem Volk ohne Großgrundbesitz als bösartiger und gehässiger Nazi dargestellt wird, während der Schloßgroßgrundbesitzervater als feinnerviger und edler Mann portraitiert wird, der auch als Bürgermeister anständig bleibt … Jedoch, auch für Heinrich Himmler war Anständigkeit höchster Wert – beim Morden anständig geblieben zu sein

PS Zum 80. Geburtstag von Udo Jürgens im September 2014 wurde ein Atlantikbuch herausgebracht: „Udo Jürgens – Sein Leben, Seine Erfolge“, im Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg. Auf Seite 19 beginnt die „Chronologie eines Lebens“ … Was Sie hier an Angaben lesen könnten, würden Sie dieses Buch eines doch sehr angesehenen Verlages kaufen, ist, deshalb müssen Sie es gar nicht mehr kaufen, nämlich genau das, was im oben genannten Steckbrief …

Sebastian Fasthuber singt für Udo Jürgens das Lied vom makellosen Steckbrief

Sebastian Fasthuber singt für Udo Jürgens das Lied von der makellosen Falterweste.

PPS Und auch die Wochenzeitung „Falter“ brachte bereits in ihrer Ausgabe 39/2014 eine Huldigung an die österreichische Lebenslüge durch Herrn Fasthuber ein … Vater Bockelmann wird als Bürgermeister erwähnt, aber ohne Hinweis in welchen Jahren, Onkel Bockelmann wird als Bürgermeister erwähnt, jedoch mit Angabe der Jahre, die sind schließlich unverdächtig und gereichen der Familie Bockelmann zur Ehre, da nach 1945 … Und selbstverständlich darf Onkel Hans Arp nicht fehlen, um Udo Jürgens auch in einem intellektuell derart über den Nebeln schwebenden Magazin, wie der „Falter“ eines ist, höchste Würdigung mit einer makellosen österreichischen Weste der Marke Falter … Dabei weist schon der „Falter“-Titel „Unterm Bademantel Gänsehaut“ auf „Unterm Smoking Gänsehaut“ hin, aber vielleicht kannte Sebastian Fasthuber bloß den Titel, oder, er las bloß sabbernd die geilen Stellen über den „Lumpenhund“ … Gerade diese erste Biographie war in bezug auf seinen Vater ein forcierter Versuch der besonderen Geschichtsdarstellung, damit auch Vater wohl gut zu dieser Familie paßt mit dem weltberühmten Hans Arp, und damit auch zum „Falter“, die später von Udo Jürgens doch etwas korrigiert wurde – war doch zu viel Schminke aufgetragen: Vater sogar …