Im Keller sitzend, zwischen den Bananenschachteln, in denen die aussortierten Bücher ordentlich verstaut sind, will doch nicht gleich die Suche nach einer Erklärung abgebrochen werden, weshalb zur eigenen Überraschung die Schriften zur Diktatur der Kunst bereits aus der Bibliothek in der hellen Wohnung auf der einundzwanzigsten Etage genommen und hinunter in den Keller zu den aussortierten und in Bananenschachteln ordentlich verstauten Büchern gefahren wurden, wird nicht weiter in den Schriften zur Diktatur der Kunst, in denen ein Artikel überraschend gefunden wurde, wie im vorherigen Kapitel
Die Vertreibung von Bazon Brock ins Paradies
… geblättert, die, eine plötzliche Eingebung, zur Klärung nichts beitragen werden können, sondern das Smartphone aus der Tasche gezogen, um fünf Filmchen anzusehen, mit Jonathan Meese:
Intervention, Kunsthistorisches Museum Wien, 12. Mai 2017
Jonathan Meese über Luther und die Avantgarde
Jonathan Meese in Wittenberg in der Zelle der Diktatur der Kunst
Jonathan Meese, Propagandarede, Akademie der Bildenden Künste, Wien
Jonathan Meese, Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe, 2.12.2015
Während des Abspielens der Filmchen kommt die Idee, sich Notizen zu machen, um etwas darüber zu schreiben, darauf einzugehen, was Johann Messe … in Wien wird es geliebt, von sogenannten freudschen Versprechern zu reden, muß gedacht werden, als zur eigenen Überraschung gelesen werden muß, Johann Messe statt Jonathan Meese …aber das ist kein freudscher Verschreiber, sondern der Name, den Jonathan Meese selbst hervorruft, wenn ihm zugehört wird – Johann Messe, das Hänschen, das mit seiner Mami zur Messe geht, obgleich es keine Religionen mag, alle Religionen abschaffen möchte, zu seinem Heile der Diktatur der Kunst, das Hänschen, das mit seiner Mutti zur Messe geht, und weil es zu seinem Heile in Deutschland und in Österreich so demokratisch zugeht, darf das Hänschen in der Messe selbst predigen, die Diktatur der Kunst herbeireden, anrufen, beschwören, ausrufen, die Weltdiktatur der Demokratie anklagen, und was aus seinem Munde rinnt, ist der Bierhansl, und das Abgestandene schäumt vor seinem Munde, als wäre Hänschen selbst ein frisch angezapftes Bierfäßchen, und das Hänschen freut sich, daß es so schön schäumen kann, auch das Muttchen freut sich mächtig stolz, daß ihr Hänschen so weiß schäumt …
Ja, da kann Mutti tatsächlich mächtig stolz auf ihr Hänschen blicken … Ach, was Hänschen doch von der Zukunft und gegen die Vergangenheit schäumen kann, und ist selbst bloße Nostalgie …
Es werden keine Notizen gebraucht. Denn. Welche Notizen sollen allein zu diesen fünf Filmchen gemacht werden. Notizen werden gemacht, um auf etwas eingehen zu können. Aber auf Inhaltslosigkeit kann nicht eingegangen werden. Und eine plötzliche Eingebung ist die Rettung, mit der der Keller und das Hänschen mit seinem Spuckeschaum nun doch rasch wieder verlassen werden kann, ohne je wieder darüber nachdenken zu müssen, ohne je wieder sich daran erinnern zu müssen, genauso wie es immer gemacht wurde, wenn eine Folge von „Alltagsgeschichte“ angesehen wurde … Alltagsgeschichten, in denen zuhauf diese armen Gemeindebauseelen in ihren Jogginganzügen an ihren Bierhanslgläsern zuzelnd … Nur auf Festen, wenn es droht, daß der Gesprächsstoff ausgeht, erinnern sich Menschen stets dankbar an die Alltagsgeschichten von Elisabeth T. Spira, die immer garantieren, daß Gespräche wieder in Gang kommen, es lustig wird, es etwas zum Lachen gibt, und es ist stets auch wohliger Schauer dabei, und Verwunderung, auch Hochachtung für Elisabeth T. Spira, wie sie es immer wieder schaffte, in welche Souterrainbeisln sie immer wieder steigen mußte, um solche Typen vor die Kamera zu kriegen, die sich vor sich und vor keinem Menschen je genieren, das Abwegigste zum Gaudium …
Wie gut, wird beim Verlassen des Lifts auf der einundzwanzigsten Etage plötzlich gedacht, daß Hitler heutzutage Künstler sein kann, aber auch, wie gut, daß Mao heutzutage Lyriker sein kann. Das mag jetzt hoffnungsvoll und zuversichtlich klingen, als hätte es in der Welt seit damals tatsächlich eine positive Entwicklung gegeben, aber ist bloße Beruhigung, ein paar weniger, die sich ein anderes Betätigungsfeld suchen müßten, ein Feld, auf dem sie tatsächlich Schreckliches anrichten könnten, ein Schlachtfeld hinterlassen könnten.
Wieder in der hellen Wohnung auf der einundzwanzigsten Etage, zwar ohne Notizen, kann ein Gedanke dennoch nicht unausgesprochen bleiben, muß doch – wer ohne Inkonsequenz ist, werfe den ersten Stein – auf eines eingegangen werden. In der Wittenbergzelle fordert Johann Messe auf, „kein Mitläufer“ zu sein. Wie seltsam, diese Aufforderung, diese Forderung, „kein Mitläufer“ zu sein. Irgendwer ruft dazu auf – das hat mit Jonathan Meese schon fast nichts mehr zu tun, denn gegen das Mitläufertum sind heutzutage viele, ganz besonders jene aus dem sogenanten Kunstmilieu -, bei einer Ausstellung „Luther und die Avantgarde“ mitzumachen, und schon laufen viele hin, um mitzumachen, Luther ihre Referenz zu erweisen, mitzulaufen für Luther, gerade für Luther …
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