Wer hat noch nicht von den haarsträubenden Asylbescheiden gehört und gelesen, die in Österreich ausgestellt werden, auch in diesem Jahr 18.
Alles, was rund um Asyl, Migration und so weiter und so fort zur Zeit schon lange geschrieben, geredet wird, auch in ’18, könnte dazu verleiten, „Die letzten Tage der Menschheit“ noch einmal zu schreiben, alle diese Zitate auf die Bühne zu bringen.
Quasi eine Fassung von „Die letzten Tage der Menschheit“ in Friedenszeiten, falsch, im Frieden in Österreich. In Österreich gibt es keinen Krieg und auf der Welt keinen Frieden.
Jetzt, im Oktober 18, wird von einer Beamtin berichtet, die das Alter von einem Asylwerber hinaufgesetzt haben soll. Und das erinnert an eine Szene, die …. schlecht wie kurz gesagt, letzter Ausschlag für die Idee, „Die letzten Tage der Menschheit“ noch einmal zu schreiben, als Parallelstück im österreichischen Frieden zum Stück im österreichischen Krieg.
Aber es wäre bloß die Verdoppelung eines Stückes.
Für Menschen, die solchen Bescheiden unterworfen sind, können die Auswirkungen ebenso gefährliche sein, tödliche, für sie gibt es keinen Unterschied zwischen einem Österreich im Krieg und einem Österreich im Frieden.
Es ist daher die Idee zu verwerfen, „Die letzten Tage der Menschheit“ mit dem Gerede, mit dem Geschreibe, mit den Bescheiden aus 18 zu schreiben.
Das Stück von Karl Kraus reicht dafür vollkommen, auch für dieses ’18.
Nur eines noch kurz, für dieses 18 ist der Titel zu hoch gegriffen, zu edel, zu schmeichelnd.
Wenn hinfort dieses Gschwefel gehört, dieses Geschreibe, diese Bescheide gelesen werden, wird an das Stück von Karl Kraus zu denken sein, unter dem für Österreich mehr authentischen Titel, unter dem zu diesem 18 passenden Titel:
Österreich, das Marstheater auf der Erde
Und es muß dann nichts mehr zitiert werden, aus 18. Auch dies nicht erzählt werden, daß eine Beamtin das Alter eines Asylwerbers um zwei Jahre hinaufsetzt. Es gibt ohnehin die entsprechende Szene von Karl Kraus zum Hinaufsetzen des Alters eines Jugendlichen …
Der Oberleutnant-Auditor (hinausrufend): Solln sich aufhängen! (zum Schriftführer) Sind die drei Todesurteile ins Reine geschrieben? Die über die drei Burschen aus Karlova mein ich, die Gewehre gehabt haben.
Der Schriftführer: Jawohl, aber (zögernd) da – möchte ich auf einen Umstand aufmerksam machen, da – hab ich die Entdeckung gemacht – daß sie erst achtzehn Jahre alt sind –
Der Oberleutnant-Auditor: Nun und? Was wollen Sie damit sagen?
Der Schriftführer: Ja – da dürfen sie aber – nach dem Militärstrafgesetz nicht hingerichtet werden – da muß das Urteil – auf schweren Kerker abgeändert werden –
Der Oberleutnant-Auditor: Geben S‘ her! (Er liest.) Hm. Da wern wir nicht das Urteil, sondern das Alter abändern. Es sind sowieso stattliche Burschen (Er taucht die Feder ein.) Da schreiben wir halt statt achtzehn einundzwanzig. (Er schreibt.) So, jetzt kann man sie ruhig aufhängen
Es muß auch die Idee verworfen werden, weil beispielsweise kein anderes Vorwort einfiele zu schreiben, als jenes, das bereits Karl Kraus geschrieben hat.
Die Aufführung des Dramas, dessen Umfang nach irdischem Zeitmaß etwa zehn Abende umfassen würde, ist einem Marstheater zugedacht. Theatergänger dieser Welt vermöchten ihm nicht standzuhalten. Denn es ist Blut von ihrem Blute und der Inhalt ist von dem Inhalt der unwirklichen, undenkbaren, keinem wachen Sinn erreichbaren, keiner Erinnerung zugänglichen und nur in blutigem Traum verwahrten Jahre, da Operettenfiguren die Tragödie der Menschheit spielten. Die Handlung, in hundert Szenen und Höllen führend, ist unmöglich, zerklüftet, heldenlos wie jene. Der Humor ist nur der Selbstvorwurf eines, der nicht wahnsinnig wurde bei dem Gedanken, mit heilem Hirn die Zeugenschaft dieser Zeitdinge bestanden zu haben. Außer ihm, der die Schmach solchen Anteils einer Nachwelt preisgibt, hat kein anderer ein Recht auf diesen Humor. Die Mitwelt, die geduldet hat, daß die Dinge geschehen, die hier aufgeschrieben sind, stelle das Recht, zu lachen, hinter die Pflicht, zu weinen. Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate. Sätze, deren Wahnwitz unverlierbar dem Ohr eingeschrieben ist, wachsen zur Lebensmusik. Das Dokument ist Figur; Berichte erstehen als Gestalten, Gestalten verenden als Leitartikel; das Feuilleton bekam einen Mund, der es monologisch von sich gibt; Phrasen stehen auf zwei Beinen – Menschen behielten nur eines. Tonfälle rasen und rasseln durch die Zeit und schwellen zum Choral der unheiligen Handlung. Leute, die unter der Menschheit gelebt und sie überlebt haben, sind als Täter und Sprecher einer Gegenwart, die nicht Fleisch, doch Blut, nicht Blut, doch Tinte hat, zu Schatten und Marionetten abgezogen und auf die Formel ihrer tätigen Wesenlosigkeit gebracht. Larven und Lemuren, Masken des tragischen Karnevals, haben lebende Namen, weil dies so sein muß und weil eben in dieser vom Zufall bedingten Zeitlichkeit nichts zufällig ist. Das gibt keinem das Recht, es für eine lokale Angelegenheit zu halten. Auch Vorgänge an der Sirk-Ecke sind von einem kosmischen Punkt regiert. Wer schwache Nerven hat, wenn auch genug starke, die Zeit zu ertragen, entferne sich von dem Spiel. Es ist nicht zu erwarten, daß eine Gegenwart, in der es sein konnte, das wortgewordene Grauen für etwas anderes nehme als für einen Spaß, zumal dort, wo es ihr aus der anheimelnden Niederung der grausigsten Dialekte wiedertönt, und das eben Erlebte, Überlebte für etwas anderes als Erfindung. Für eine, deren Stoff sie verpönt. Denn über alle Schmach des Krieges geht die der Menschen, von ihm nichts mehr wissen zu wollen, indem sie zwar ertragen, daß er ist, aber nicht, daß er war. Die ihn überlebt haben, ihnen hat er sich überlebt, und gehen zwar die Masken durch den Aschermittwoch, so wollen sie doch nicht aneinander erinnert sein. Wie tief begreiflich die Ernüchterung einer Epoche, die, niemals ein Erlebnisses und keiner Vorstellung des Erlebten fähig, selbst von ihrem Zusammenbruch nicht zu erschüttern ist, von der Sühne so wenig spürt wie von der Tat, aber doch Selbstbewahrung genug hat, sich vor dem Phonographen ihrer heroischen Melodien die Ohren zuzuhalten, und genug Selbstaufopferung, um sie gegebenenfalls wieder anzustimmen. Denn daß Krieg sein wird, erscheint denen am wenigsten unfaßbar, welchen die Parole »Jetzt ist Krieg« jede Ehrlosigkeit ermöglicht und gedeckt hat, aber die Mahnung »Jetzt war Krieg!« die wohlverdiente Ruhe der Überlebenden stört. Sie haben den Weltmarkt – das Ziel, zu dem sie geboren wurden – in der Ritterrüstung zu erobern gewähnt; sie müssen mit dem schlechteren Geschäft vorlieb nehmen, sie auf dem Trödelmarkt zu verkaufen. In solcher Stimmung rede ihnen einer vom Krieg! Und es mag zu befürchten sein, daß noch eine Zukunft, die den Lenden einer so wüsten Gegenwart entsprossen ist, trotz größerer Distanz der größeren Kraft des Begreifens entbehre. Dennoch muß ein so restloses Schuldbekenntnis, dieser Menschheit anzugehören, irgendwo willkommen und irgendeinmal von Nutzen sein. Und »weil noch die Gemüter der Menschen wild sind«, sei, zum Hochgericht auf Trümmern, Horatios Botschaft an den Erneuerer bestellt:
Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen, Wie alles dies geschah; so sollt ihr hören Von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich, Zufälligen Gerichten, blindem Mord; Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt, Und Planen, die verfehlt, zurückgefallen Auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich Mit Wahrheit melden. |
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