In Österreich hält die Zeit nun im Jahr 2002, in dem es bereits die drei Koalitionsvarianten gibt.
SPÖ mit ÖVP, FPÖ mit ÖVP, Grüne mit ÖVP …
Manche werden sagen, oh, das ist nicht wahr, daß Österreich sich wieder im Jahr 2002 befindet, in Österreich keine 17 Jahre vergangen sind. Menschgemäß kann stets etwas gefunden werden, um zu sagen, auch in Österreich ist die Zeit nach vorne – beispielsweise das Schwarze der ÖVP ist doch zur Zeit türkis getupft …
Aber was 2002 zu hören war und was 2002 II zu hören ist, ist ununterscheidbar, etwa, daß die ÖVP sich ändern müsse, sich bewegen müsse, die ÖVP zurückkehren müsse – wohin? wenigstens zur Mitte … Die Ausgangslage für eine Koalition beispielsweise zwischen den Grünen und der ÖVP ununterscheidbar zwischen 2002 und 2002 II, zwischen Kurz I des Jahres 2002 und Schüssel II des Jahres 2002 II.
Ununterscheidbar auch das Gerede um „Werte“ von Kurz I und Schüssel II, und gesinnungsgemäß das Geschwefel von den „Werten“ der FPÖ. Wohlmeinende könnten anführen, auch in Österreich seien inzwischen 17 Jahre vergangen, und als Argument vorbringen, die FPÖ nennt sich nicht mehr FPÖ allein, sondern auch identitäre Partei …
Dazu gibt es eine schöne Stelle in „Das Verschwinden der Gegenwart“ von Christian Meier:
„Europa sei eine Wertegemeinschaft, hört man, und daher könne es die Koalition der ÖVP mit der FPÖ in Wien nicht tolerieren. Nun besagt das, für sich genommen, nicht viel. Denn erstens ist jede Räuberbande eine Wertegemeinschaft, die Frage ist, welche Werte gelten sollen.“
„Jede Räuberbande eine Wertegemeinschaft“ …
Und Meier führt weiter aus, erhellend für den Stillstand in Österreich insgesamt, wo niemand für den Stillstand verantwortlich sein will, wo jede jeden des Stillstands beschuldigt:
„Zweitens zeigt nicht nur die Erfahrung, die man mit der Politik der USA machen kann, daß der Anspruch, Werte zu verfechten, ein besonders raffiniertes Machtinstrument darstellt: Man schafft sich, je hehrer sie sind, um so mehr Legitimät, ohne – angesichts ihrer Auslegungsbedürftigkeit und der nötigen Abwägung zwischen ihnen – an Handlungsfreiheit (auch im Unguten) viel zu verlieren. Was am Ende herauskommt, kann, zumal aufgrund der möglichen Disproportion zwischen Zweck und Mitteln, eine moderne Variante des Wolfs im Schafspelz sein.“
Und Meier weiter:
„Bei den EU-14 nun zählen die Werte der Demokratie, der Toleranz, genauer der Respektierung von Wählerentscheidung und der Freiheit demokratischer Regierungsbildung, offenkundig nicht, jedenfalls nicht unbedingt, nicht nämlich in diesem Fall. Ihre Politik zeigt eher Einschläge von Selbstgerechtigkeit. Und obwohl unzählige Menschen sich leidenschaftlich darüber erregen und Mehrheiten in den EU-Ländern dagegen sind, hört man keinen Aufschrei; so sehr hat sich schon Resignation breitgemacht, dieses Gift für Demokratie.“
„Resignation, dieses Gift für Demokratie“ …
„Das Verschwinden der Gegenwart“ ist aus 2001. Christian Meier könnte das nun nicht mehr schreiben, Europa erfuhr das Voranschreiten der Zeit. Kein Aufschrei mehr gegen Schüssel II, gegen Haider II, der im Gegensatz zum Haider I in den Wäldern sogar … Nicht nur das Hinnehmen in Europa von Schüssel-Haider II in Österreich, sondern auch anderen Ländern, wie Ungarn, Italien … Dabei, um im Bild von Meier zu bleiben, waren es damals Wölfe im Schafspelz, ihnen nachgefolgt sind Schafe im Wolfspelz …
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.