Fiktionen

So wie Ronald Pohl in der Tageszeitung österreichischen Qualitätszuschnitts über das Buch „Identitäten – Die Fiktionen der Zugehörigkeit“ schreibt, wäre es je keine Verlockung gewesen, dieses Buch zu erwerben und vor allem, dieses Buch dann auch zu lesen.

Jetzt, nach der Lektüre des Buches, das Aufatmen, nicht davor, sondern erst jetzt die pohlsche Buchbesprechung, wenn es denn eine genannt werden kann, gelesen zu haben. Die pohlsche Buchbesprechung ist eine, die in der Galerie der nicht gelesenen Rezensionen aufgenommen werden kann.

Das Buch von Kwame Anthony Appiah ist eines, zu dem nur eines geschrieben werden kann, es ist zu lesen, zu lesen in seiner Gesamtheit, zu viel enthält dieses Buch, das wert ist, erfahren zu werden, zu viel, daß es eine Frechheit wäre, zwei oder drei Dinge nur hervorzuheben, es ist ein Buch, dem mit einer Buchbesprechung nicht ansatzweise entsprochen werden kann.

Die pohlsche Buchbesprechung kann in die Galerie der nicht gelesenen Rezensionen aufgenommen werden, weil diese aus einem Grund doch von Interesse ist, von der Frage her, wie wird auf so ein Buch reagiert, zum Beispiel in Österreich, gerade in Österreich.

Ronald Pohl beginnt mit dem Bekanntmachen des Buches von Kwame Anthony Appiah damit, daß „Populisten mit Kosmopoliten sich in die Haar geraten über die Frage der ‚Identität'“ … Jedoch, „Populisten“ können sich mit Kwame Anthony Appiah „nicht in die Haare geraten“, weil diese ihnen gänzlich fehlen, und Kwame Anthony Appiah legt ausführlich dar, was es mit „Identitäten“ auf sich hat, wobei es ihm nicht nur um die „Identitäten“ im Zusammenhang mit „Nationalität geht, profund ausführlich schreibt er über „Religion“, „Land“, „Gender“, „Rasse“, „Hautfarbe“, „Klasse“, „Kultur“ …

Sein Buch ein Steckling für neue Wurzelbildungen in der Kopfhaut der „Populisten“, dann könnten ihnen auch Haare wachsen, mit denen sie sich mit einem Kwame Anthony Appiah „in die Haare geraten“ können, wenn sie, die Populistinnen, ihm dann noch etwas Profundes in bezug auf „Identitäten“ zu entgegnen hätten, und zwar auf der Höhe seiner Argumentation, auf der Höhe seines Wissens von Vergangenheit und Gegenwart.

Der nächste pohlsche Satz ist dann gleich:

„Nicht ohne Stolz berichtet der Anglo-Ghanaer Kwame Anthony Appiah über seine Erlebnisse als Taxifahrgast.“

Wer das Buch liest, wird feststellen, es hat fundierte Gründe, weshalb Appiah auch diese Erlebnisse vorbringt, aber „Stolz“ ist nicht dabei. Und nebenher: die „Erlebnisse als Taxifahrgast“ in der Einleitung nehmen in diesem Buch mit rund 300 Seiten kaum mehr Platz ein, als den von Pohl in seiner doch recht kurzen Buchbesprechung aufgewendeten, um Kwame Anthony Appiah zum „Taxifahrgast“ mit „Erlebnissen“, der zudem auch noch „stolz“ ist, hinunterzuschreiben.

Einen Einleitungsabsatz derart herauszustellen, bedeutet, es entweder mit einem absolut oberflächlichen Leser zu tun zu haben, das von einem Ronald Pohl nicht angenommen werden kann, oder es ist abgründiger. Das Buch zwar nicht ignorieren zu können, mit dem Bekanntmachen des Buches zeigen zu können, die eigene Offenheit, und zugleich es auf eine Weise bekanntzumachen, daß es kein Anreiz ist, dieses Buch zu kaufen und vor allem, dieses Buch zu lesen. Was kann von einem „stolzen Taxifahrgast“ schon erwartet werden? Ein paar nette „Erlebnisse“, während doch Leserinnen dieser Tageszeitung österreichischen Qualitätszuschnitts „Philosophie“ …

Und dann folgen noch ein paar pohlsche Absätze, die Pohl selbst, aber in keiner Weise Kwame Anthony Appiah gerecht werden, konkret seinem Buch „Identitäten – Die Fiktionen der Zugehörigkeit“.

Und dann der letzte Absatz von Pohl. In dem er auf den „Slowene[n] Slavoj Žižek“ zu sprechen kommt, das die Frage aufwirft, was hat der in Jugoslawien Geborene, was hat der einstige Jugoslawe und jetzige Slowene mit Appiah zu tun? Im Buch von Appiah kommt Slavoj Žižek, der Mann mit der weißen Hautfarbe, nicht vor, es fehlt jedweder Bezug, der es rechtfertigte, einen ganzen Absatz in einer ohnehin kurzen Buchvorstellung Appiah vorzuenthalten, um – ja, was?

Vielleicht nur deshalb, um diesen Satz unterbringen zu können:

„Wir müssen von der weißen, männlichen, ‚Hetero‘-Position aus sprechen, wenn wir uns über die Besonderheit von Gruppenidentitäten unterhalten. Auch wenn wir die Position der Unterprivilegierten als ungerecht wahrnehmen[.]“

„Populisten“ würden es anders ausdrücken, schlicht wie kurz: „Ein Neger hat uns nichts zu sagen!“

Aber nicht einmal das ist gewiß, daß sie, die Populistinnen, es noch so sagen würden. Wenn bedacht wird, was alles und wer, auch Žižek, gerade von Identitärinnen herangezogen wird, um zu verbergen, daß sie Glatzköpfe sind.