„Fertigzustellen sei noch die Untersuchung der NSDAP-Mitgliedschaften. „
So sprach am gestrigen Tage, dem 23. Dezember, einer, der mit den Deutern gen Bettelheim zog, an dem 23. Dezember, der, so soll, wird gehört, schon gebetet werden, den 24. Dezember ablösen soll, denn die Deuter sind abermals zu einer Reise aufgebrochen. Fortan soll der 23. Dezember im heiligen Gedenken an diese bedenkwürdige Begebenheit ihnen der höchste Feiertage im Jahr, der 23. Dezember den 24. Dezember in diesem Gesinne ablösen.
Von einem Seher wurde dies aber vorausgesehen, daß der 23. Dezember statt dem 24. Dezember zum höchstheiligen Tag, zum einzig wahren Tag der Geschenke im Jahreslauf, werde, und so schrieb er schon im November ungeduldig an seiner Wunschliste. Es möge, so schrieb er auf seinen Wunschzettel oben auf, „etwas Besonderes sein, Mitglied der FPÖ sein zu dürfen“. Nachdem er seinen Wunschzettel auf die Wunscherfüllungsbudel legte, wird er wohl ins Träumen gekommen sein, wie das sein wird, wenn es „etwas Besonderes“ den Menschen sein wird, „Mitglied der FPÖ sein zu dürfen“ … Es werden Menschen sich in langen Reihen, in recht langen Reihen anstellen, mit dem Antrage zur Mitgliedschaft in ihren Händen, und Reihen über Reihen über Reihen werden vor dem Tore der Partei stehen, Reihen so lange, geschlossene Reihen von Bettelheim bis nach Welsalem …
Und er selber? Er wird der Torhüter sein.
Vor der Aufnahme zur Mitgliedschaft steht ein Türhüter. Zu diesem Torhüter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in die Partei. Aber der Türhüter sagt, daß er ihm jetzt den Eintritt nicht gewähren könne. Der Mann überlegt und fragt dann, ob er also später werde eintreten dürfen. »Es ist möglich«, sagt der Türhüter, »jetzt aber nicht.« Da das Tor zur Partei offensteht wie immer und der Türhüter beiseite tritt, bückt sich der Mann, um durch das Tor in das Innere zu sehn. Als der Türhüter das merkt, lacht er und sagt: »Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meines Verbotes hineinzugehn. Merke aber: Ich bin mächtig. Und ich bin nur der unterste Türhüter. Von Saal zu Saal stehn aber Türhüter, einer mächtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kann nicht einmal ich mehr ertragen.« Solche Schwierigkeiten hat der Mann vom Lande nicht erwartet; die Partei soll doch jedem und immer zugänglich sein, denkt er, aber als er jetzt den Türhüter in seiner Fliegeruniform genauer ansieht, seinen langen Stock, entschließt er sich, doch lieber zu warten, bis er die Erlaubnis zum Eintritt bekommt. Der Türhüter gibt ihm einen Schemel und läßt ihn seitwärts von der Tür sich niedersetzen. Dort sitzt er Tage und Jahre. Er macht viele Versuche, eingelassen zu werden, und ermüdet den Türhüter durch seine Bitten. Der Türhüter stellt öfters kleine Verhöre mit ihm an, fragt ihn über seine Heimat aus und nach vielem andern, es sind aber teilnahmslose Fragen, wie sie große Herren stellen, und zum Schlusse sagt er ihm immer wieder, daß er ihn noch nicht einlassen könne. Der Mann, der sich für seine Reise mit vielem ausgerüstet hat, verwendet alles, und sei es noch so wertvoll, um den Türhüter zu bestechen. Dieser nimmt zwar alles an, aber sagt dabei: »Ich nehme es nur an, damit du nicht glaubst, etwas versäumt zu haben.« Während der vielen Jahre beobachtet der Mann den Türhüter fast ununterbrochen. Er vergißt die andern Türhüter, und dieser erste scheint ihm das einzige Hindernis für den Eintritt in die Partei. Er verflucht den unglücklichen Zufall, in den ersten Jahren rücksichtslos und laut, später, als er alt wird, brummt er nur noch vor sich hin. Er wird kindisch, und, da er in dem jahrelangen Studium des Türhüters auch die Flöhe in seinem Uniformkragen erkannt hat, bittet er auch die Flöhe, ihm zu helfen und den Türhüter umzustimmen. Schließlich wird sein Augenlicht schwach, und er weiß nicht, ob es um ihn wirklich dunkler wird, oder ob ihn nur seine Augen täuschen. Wohl aber erkennt er jetzt im Dunkel einen Glanz, der unverlöschlich aus der Türe der Partei bricht. Nun lebt er nicht mehr lange. Vor seinem Tode sammeln sich in seinem Kopfe alle Erfahrungen der ganzen Zeit zu einer Frage, die er bisher an den Türhüter noch nicht gestellt hat. Er winkt ihm zu, da er seinen erstarrenden Körper nicht mehr aufrichten kann. Der Türhüter muß sich tief zu ihm hinunterneigen, denn der Größenunterschied hat sich sehr zuungunsten des Mannes verändert. »Was willst du denn jetzt noch wissen?« fragt der Türhüter, »du bist unersättlich.« »Alle streben doch nach der Partei«, sagt der Mann, »wieso kommt es, daß in den vielen Jahren niemand außer mir Einlaß verlangt hat?« Der Türhüter erkennt, daß der Mann schon an seinem Ende ist, und, um sein vergehendes Gehör noch zu erreichen, brüllt er ihn an: »Hier konnte niemand sonst Einlaß erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.«
Nein, so ist der Torhüter nicht. So sind nur Türhüter in der Literatur, unerbittlich, gnadenlos, grausam, wie sie auch ein Doktor aus Prag beschrieb, dessen Beispiel hier über weite Passagen wiedergegeben wird, um zu zeigen, wie anders der Torhüter ist.
Und wenn ein Mann, so träumt der Torhüter, immer wieder zu ihm kommen wird, mit dem Antrage zur Mitgliedschaft in Händen, wird er diesen am Ende gnadenhalber die Mitgliedschaft gewähren, so verpflichtet der Tradition ist der Torhüter, auf die er sich auch berufen kann, sollte wer ihm den Vorwurfe machen, so einen eingelassen zu haben, am Ende sind wir, träumt der Torhüter sich sprechen zu hören, stets voller Gnade, erlösen alle.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.