Selbstverständlich läuft der zurzeitige Bundeskanzler in Österreich nicht wie ein Schulbub freudig stolz in die Küche und ruft seinem Vater in ständiger Wiederholung, kaum daß die Wohnungstür hinter ihm zufällt, bereits vom Vorraum entgegen, um auf sich aufmerksam zu machen, bis er endlich mit seiner Rede wedelnd in der Küche vor seinem Vater steht, außer Atem seines Herrn Vaters Lob zu erbitten: „Papi, Papsch, schau, Papilein, ich hab‘ eine Rede gehalten“ … ein Bundeskanzler schreibt verkündend: „Hier die ganze Rede“ …
„Es muß uns allen bewußt sein, daß das keine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten ist. Nein. Das ist ein Kampf zwischen den vielen Menschen, die an den Frieden glauben, und jenen wenigen, die sich den Krieg wünschen. Es ist ein Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei. Und diesen Kampf werden wir mit aller Entschlossenheit führen.“
Ein Vater, noch am späten Nachmittag nur in der Unterhose bei seinem ersten Kaffee kurz nach seinem Aufstehen, würde wohl noch verschlafen vielleicht ein „Brav“ brummen.
Eine Lehrerin hingegen würde bei der Korrektur einer solchen Hausaufgabe wieder einmal denken müssen, es muß viel mehr, noch viel mehr für Bildung getan werden. Und ihre Anmerkungen zu dieser abgegebenen Arbeit zur aufgegebenen Hausaufgabe, eine Rede zu schreiben, würde länger geraten als die abgegebene Rede selbst.
Vielleicht begänne sie mit der generellen Feststellung: „Zu kurz geraten.“ Setzte dann fort mit Konkretem. Besonders würde sie wohl auf die falsche Einschätzung des Ereignisses hinweisen, daß es sich dabei um keinen „Kampf“ gehandelt habe. Zu einem „Kampf“ sind zwei Parteien notwendig, die gegeneinander stehen. Das war kein „Kampf“. Das war ein Verbrechen, das nach dem Strafgesetzbuch zu verurteilen ist.
Auch darauf würde sie wohl besonders hinweisen, auch eine Rede habe Fakten zu enthalten. Diese fehlten gänzlich. Die Opfer dieses Verbrechens, die Ermordeten und die Verletzten, sind nicht ausschließlich „Christen“ und nicht nur Männer. Die Ermordeten und die Verletzten dieses Verbrechens sind nicht ausschließlich „Österreicher“ und der Verbrecher war kein „Migrant“, sondern ein „Österreicher“, er war in Österreich geboren, er hatte die österreichische Staatsbürgerschaft.
„An den Frieden glauben.“ Eine schöne Formulierung, für das Poesiealbum eines Teenagers, gleich daneben zu kleben etwa zu: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.“
„Jenen wenigen, die sich den Krieg wünschen“. Wer wünscht sich schon einen Krieg? Nicht einmal die vielen, die Kriege führen. Sie führen die Kriege wunschlos, geleitet von Eigeninteressen. Eine Rede sollte nicht ohne den Blick über den Tellerrand gehalten werden. Auch wenn es verständlich ist, daß der Blick über den Kaffeeuntertassenrand gemieden wird, ist es doch zu oft ein Blick des Redners in sein eigenes Angesicht.
„Es ist ein Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei.“ Eine weitere Trockenblume für das Poesiealbum. Genauer und zutreffender handelt es sich bei diesem Ereignis um eine zivilisierte Barbarei in einer barbarischen Zivilisation. Der mordende Österreicher lebte äußerst zivilisiert, mit allem, was die barbarische Zivilisation zu bieten hat: Waffen, Kommunikationstechnologie …
Der Schluß der Rede ist positiv zu beurteilen. Den Sinn von einer Rede gänzlich getroffen. Mit dem Versprechen, das leicht zu erfüllen ist — „diesen Kampf mit aller Entschlossenheit führen“ –, weil es keinen „Kampf“ gibt, nur ein mörderisches Verbrechen, und was es nicht gibt, kann recht leicht versprochen werden, das mit aller Entschlossenheit …
Am Ende ihrer Korrektur schriebe die Lehrerin vielleicht noch die Bitte hinzu, er möge noch seinen Sitznachbarn daran erinnern, daß dieser seine Arbeit zur aufgegebenen Aufgabe, wie Verbrechen zu verhindern sind, noch nicht abgegeben hat. Trotz der Befürchtung der Lehrerin, dem Sitznachbarn falle dazu noch weniger oder sogar, ist er doch ihr schwächster Schüler, gar nichts ein, vielleicht hat er die Schule inzwischen schon hingeschmissen, hat sie ihn doch seit Wochen nicht mehr im Unterricht gesehen, auch von seinen Elternn keine Entschuldigung für …
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