Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die hier leben. Heute nacht sind mehrere Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben worden. Das macht mich zutiefst betroffen. Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist. Wir müssen einen Weg des menschlichen respektvollen Umgangs miteinander finden. Gerade wenn Kinder die Hauptleidtragenden sind. Ich habe in diesem Fall keine formale Zuständigkeit, aber sehr wohl eine klare Haltung, um es ganz deutlich zu sagen. Jedes Staatsorgan muss selbstverständlich auf Basis der geltenden Gesetze handeln. Ich kenne die Akten der konkreten Verfahren nicht. Aber hätte es nicht einen rechtlichen Spielraum gegeben? Was ist mit den Rechten der Kinder? Den Kinderrechten, die gewährleistet sind. Wurden die Kinder ausreichend gehört?
Meine Damen und Herren, ich weiß, viele teilen diese Haltung, Bürgermeisterinnnen und Bürgermeister, Menschen aus der Wirtschaft, aus den Gewerkschaften, Landespolitikerinnen und -politiker, Bischöfe und Pfarrer, auch der Papst, und vor allem Schulkolleginnen und -kollegen, Lehrerinnen und Lehrer, und natürlich viele Bürgerinnen und Bürger.
Österreich war immer stark, wenn wir das Miteinander in den Vordergrund gestellt haben. Wenn es menschliche Lösungen gab, wenn es Vernunft, Augenmaß und Menschlichkeit Richtschnur unseres Handelns waren. Es gilt für alle, die von der Corona-Pandemie schwer, sehr schwer betroffen sind, aber eben auch für gut integrierte Kinder. Behalten wir das auch für die Zukunft bei. Sehen wir das Menschliche zuerst. Geben wir nicht auf, für diese Werte einzustehen. Und ich appelliere an alle, die hier Verantwortung tragen, geben wir dem Wohl von Kindern und Jugendlichen den Vorrang.
Das ist die Rede von dem derzeitigen österreichischen Bundespräsidenten, gehalten am 28. Jänner 2021, nach der Nacht der Abschiebungen. Den Abschiebungen in der Nacht vom 27. Jänner, die im nächsten Kapitel auch im Zusammenhang mit Alexander Van der Bellen noch gesondert anzusprechen sein wird, auf den 28. Jänner.
Was für eine Rede des derzeitigen Bundespräsidenten!
Vielen Dank, Alexander Van der Bellen, das werden wohl viele ihm zurufen.
Was für eine Haltung!
Bemerkenswert. Sich zurückhalten zu können, bis alles passiert ist, bis alles vorbei ist, die Abschiebungen erfolgreich in der Nacht vom 27. Jänner auf den …
An dieser bemerkenswerten Rede muss Alexander Van der Bellen tagelang schon gefeilt haben, vielleicht bereits seit der ersten Stunde, als bekannt wurde, welche Abschiebungen bevorstehen. Denn. Eine derart bemerkenswerte Rede schreibt sich nicht in fünf Minuten.
Nur Politiker, die nicht solche bemerkenswerten Reden schreiben können, nur solche eilen beispielsweise im Morgengrauen in die Zinnergasse, um Abschiebungen Einhalt gebieten zu versuchen, nur Politikerinnen zeigen vor Ort zu früh ihre Haltung, weil sie eben kein Gespür für das Timing haben …
Und auch wenn diese Politiker mit der zu früh demonstrierten Haltung tagelang an einer Rede sich probiert hätten, statt sich mit den „Akten der konkreten Verfahren“ zu beschäftigen, und auch wenn diese Politikerinnen mit der zu früh demonstrierten Haltung tagelang an einer Rede gefeilt hätten, statt darüber zu grübeln, ob sie „in diesem Fall“ eine oder „keine formale Zuständigkeit“ haben, es wäre ihnen dennoch niemals eine so bemerkenswerte Rede gelungen, wie diese dem derzeitigen Bundespräsidenten gelungen ist.
Wahrlich, Alexander Van der Bellen, ein Bundespräsident für alle Zeit, für Österreich. Gerade in dieser schweren Zeit der Corona-Pandemie, von der alle so betroffen sind, sollte am Ende des Tunnels ein Licht entzündet werden. Und dieses Licht könnte ein Gesetzesbeschluss sein, der Alexander Van der Bellen das Recht einräumt, ohne neuerliche Wahlen so lange Bundespräsident bleiben zu können, als es ihn freut. Denn. Alexander Van der Bellen verkörpert das Österreichische wie kein zweiter Mann, wie keine zweite Frau, er macht das Österreichische, von dem doch von vielen schon geglaubt wurde, das gäbe es nicht mehr, wieder groß, wieder zur ersten Tugend im Land, nämlich zu wissen, wann Zuständigkeit opportun ist, zu wissen, wann etwas nicht zu kennen förderlich ist, und sich seinen Teil zu denken, bis alles vorbei ist, und dann hinzutreten, aber nicht zu spät, sondern früh genug, und zu reden, und das traditionell beim Heurigen „Hättiwari“ …
Wenn es jetzt ginge, würde Alexander Van der Bellen wohl nicht zögern, mit dem Mann zum „Hättiwari“ zu gehen, der sich nicht schämt, seine Betroffenheit ob der Abschiebungen öffentlich zu bekennen, um ihn in seinem Betroffensein zu trösten, mit seiner Antwort auf seine verzweifelte Frage: „Hätte es nicht einen rechtlichen Spielraum gegeben?“ Wie die tröstende Antwort ausfallen würde? Das kann nicht gesagt werden. Aber. Wie ratgebende Tröstungen zumeist in Österreich und nur in Österreich umgangssprachlich beginnen – „Wär‘ i …“

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