Salus publica suprema lex

Taschner – der Abgeordnete hat einen „offenen Brief“ geschrieben. Er hat diesen Brief nicht an sich selbst gerichtet. Und doch hätte er diesen Brief an sich allein richten müssen. Und erst danach an andere. Wenn er dann überhaupt noch einen Brief auf diese Weise zu schreiben für notwendig erachtet hätte. Denn durch das Schreiben des Briefes zuerst allein an sich selber wäre ihm vielleicht einiges klar geworden.

Es handelt sich zugleich um das Ansehen der im Ausschuss Tätigen. Es handelt sich schließlich um das Ansehen des Parlaments als solches. Denn es droht die Gefahr, dass die Öffentlichkeit dem Parlament die Wahrnehmung seiner ureigensten Aufgabe, der Wahrung und Mehrung des Gemeinwohls zu dienen, nicht mehr abnimmt. Dieses Ansehen aber ist das Fundament zur Befolgung der Gesetze. Ohne dieses Ansehen wankt die parlamentarische Demokratie.

Es trägt nicht zum „Ansehen der im Ausschuss Tätigen“ und nicht zum „Ansehen des Parlaments als solches“ bei, wenn Abgeordnete des Parlaments und Tätige im Ausschuss nicht wissen, wie der Untersuchungsausschuss zur Gänze tatsächlich heißt.

Nichts davon ist allerdings vom aktuellen Untersuchungsausschuss zu erwarten, der den Namen „Ibiza“ aus bereits unerfindlich gewordenen Gründen führt.

Der vollständige Name des Untersuchungsausschusses lautet nicht „Ibiza“, der vollständige Name des Untersuchungsausschusses lautet:

„Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)“.

Das ist der vollständige Name des Untersuchungsausschusses, unter dem dieser vom österreichischen Parlament geführt wird.

„Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ – „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ ist lediglich im Klammern ergänzt, wie ein Stichwort zum leichteren Suchen, wie eine Beschlagwortung zum leichten Sammeln von allen zusammengehörenden Akten, Beweisen, Protokollen unter einem schlagenden Begriff, eine Beifügung aber, die weggelassen werden kann, ein Service für Medien vielleicht auch, in deren Berichten nicht ständig den tatsächlichen ellenslangen Namen des Ausschusses vollständig schreiben zu müssen. Und auch ein eigener Beitrag des Ausschußes zur Geschichte dieses Untersuchungsausschusses selbst:

Im Anfang war Ibiza, und Ibiza ward Fleisch geworden.

Ich selbst erlebte in Vertretung eines ständigen Mitglieds eine der Befragungen mit: Die Auskunftsperson, die mit dem Untersuchungsgegenstand nichts zu tun hatte, wurde aufgrund winkelzügiger Argumente geladen. Diese unbescholtene Person, der auch später niemals eine falsche Handlung nachgesagt werden konnte, wurde stundenlang in ein demütigendes Kreuzverhör genommen. Es schlug ihr Feindseligkeit und Verachtung entgegen, vielleicht in der Hoffnung, sie dadurch aus der Ruhe zu bringen. Eine Entwürdigung allein mit dem Ziel, Zwietracht zu säen und zu schüren.

Wenn er, Rudolf Taschner, den Namen der Person, für die er so dringlich es erachtet hervorzuheben, daß diese eine „unbescholtene Person“, der auch später niemals eine falsche Handlung nachgesagt werden konnte“, sei, genannt hätte in seinem Brief, es wäre wohl zu offensichtlich geworden, was ihm, Rudolf Taschner, sein „oberstes Gesetz“ zu sein hat: das „Gemeinwohl“ einzig dieser Person

Darum gilt es – und dies zu bewirken, ist mein dringender Vorschlag an Sie, sehr geehrte Damen und Herren Klubobleute – in dieser widrigen Angelegenheit möglichst rasch die Reset-Taste zu drücken und für alle Seiten möglichst gesichtswahrend reinen Tisch zu schaffen.

Es stehen noch fünf Sitzungen des Untersuchungsausschußes betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung aus, von heute, 14. Juni 2021 weg. In fünf Tagungen werden noch Zeugen befragt werden, an fünf Tagen bis zur Mitte des nächsten Monats werden also weiter Zeuginnen befragt werden zur mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung, aber er, Rudolf Taschner, ersucht bereits in seinem falsch adressierten offenen Brief vom 23. Mai 2021, die „Reset-Taste“ zu drücken. Worunter nur verstanden werden kann, er, Rudolf Taschner, möchte, daß der Untersuchungsausschuß betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung vorzeitig endet, also keine Tagungen mehr stattfinden, keine Befragungen nach dem 23. Mai 2021 mehr durchgeführt werden, damit seine „unbescholtene Person“, die vielleicht auch noch einmal zur Befragung geladen in den Ausschuß muß, nicht noch einmal in den Ausschuß geladen werden kann, seine „unbescholtene Person“ erlöst wird.

Der offene Brief des Rudolf Taschner, mit dem er die Gelegenheit verpaßt hat, an sich selbst einen Brief zu schreiben, wird in seiner türkis getupften Partei vielleicht auch „Heiterkeit“ hervorgerufen haben, wie seine kürzlich im Parlament gehaltene Rede, mit der er, Rudolf Taschner, besonders mit seiner Aussage über einen Mann, der, so Taschner, an den Weingott glaube, mühelos die Qualität von smartphonelosen Chats …

Er, Rudolf Taschner, wird sich spätestens jetzt, mit diesem offenen Brief, endgültig in den Augen seines Parteikameraden dafür qualifiziert haben, mit ihm mit auf den Fußballplatz …