Konziliant gab sich Abgeordneter Rudolf Taschner (ÖVP) in Richtung SPÖ, deren Gedanken er nachvollziehen könne. Taschner verwies auf „laizistische Staaten wie Frankreich“, lobte aber die Vorzüge des österreichischen Modells. Diese lägen darin, dass „Religionsunterricht in der Schule und nicht außerhalb“ stattfinde. Das wolle man „bei bestimmten Religionen nicht haben“. Außerdem sei jeder Mensch „irgendwie gläubig“, referierte Taschner. So habe Giordano Bruno an die Natur, Lenin an die Geschichte und ein Vorgänger des Bürgermeisters Ludwig an Bacchus geglaubt. Taschner bekräftigte, dass der Glaube selbst privat sei, die Religionsgemeinschaften aber in der Öffentlichkeit stünden und daher eine Beziehung zum Staat hergestellt werden müsse. Religions- und Ethikunterricht müssten den Idealen der Aufklärung verpflichtet sein, ohne missionarisch zu sein oder nur ein zeitgeistkonformes Verhalten zu predigen. Abgeordnete Gertraud Salzmann (ÖVP) verwies auf ihre langjährigen Erfahrungen mit dem Schulversuch zum Ethikunterricht in ihrem Heimatbundesland Salzburg. Obwohl seit 2011 „die Fakten auf dem Tisch“ lägen, sei bis jetzt nichts geschehen. Gemeinsam mit den Grünen setze man nun den Ethikunterricht ab Herbst 2020/21 um. Salzmann schloss eine spätere Erfassung der Sekundarstufe 1 nicht aus, es gebe bisher aber nur Erfahrungen mit der Oberstufe. Schon jetzt gebe es im Schulversuch viele gemeinsame Projekte zwischen Ethik- und Religionsunterricht. Da auch im konfessionellen Religionsunterricht viel an Menschen- und Persönlichkeitsbildung gemacht werde, sei Ethik für alle bereits vorhanden, argumentierte Salzmann. Der Religionsunterricht dürfe nicht an den Rand gedrängt werden, nur so werde der „Einfluss von Hinterhofpredigern“ zu verhindern.
Das sind Aussagen aus dem Jahr 2021. Schriftlich festgehalten auf der Website des österreichischen Parlaments …
Wie weit in Österreich es schon einmal war mit einer gegenwartsgemäßen Schule, muß nicht groß ausgeführt werden. Es reicht einen Namen stellvertretend zu nennen: Otto Glöckel. Es reicht, weil es um Religion geht, ein dazu passendes Beispiel herauszugreifen, den sogenannten Religionserlaß von Otto Glöckel aus 1919. So weit war es in Österreich einmal, vor einhundertundzwei Jahren …
Dieser Erlaß wurde von dem damals noch untürkisen Unterrichtsminister zurückgenommen. Das war 1933, in der beginnenden Herrnzeit von Dollfuß und der dann noch länger dauernden Herrnzeit von Schuschnigg. Die ihnen Nachkommenden, nun türkis getupft, entscheiden Sie es bitte selbst, sind zurückgefallen weit vor das Jahr 1919 oder beginnen mit 1933 oder haben sich seit damals nicht bewegt. Und es haben sich nur die Zeiger auf ihren Uhren bewegt, die wohl auch seit damals stillstehen würden, hätten sie einen Einfluß auf die Zeit.
Rudolf Taschner, dieses bildungsbürgerliche role model, stellt mit dieser seiner oben zitierten Aussage ein weiteres Mal seine ganze Intellektualität kräftigst unter Beweis, wenn es sagt, „Religions- und Ethikunterricht müssten den Idealen der Aufklärung verpflichtet sein, ohne missionarisch zu sein oder nur ein zeitgeistkonformes Verhalten zu predigen.“ Es könnte zu dieser Aussage viel geschrieben werden. Aber es reicht, anzumerken, es ist das Ende jedweder Religion, wenn sie nicht mehr missionarisch ist, es ist ohne Missionierung besonders das Ende der Buchreligionen, die es wohl vor allem meint, da es eine recht hervorhebt.

Das role model des Bildungsbürgerinlichen mit der Liebe zum Lateinischen sagt, es „sei jeder Mensch ‚irgendwie gläubig‘, referierte Taschner. So habe Giordano Bruno an die Natur, Lenin an die Geschichte und ein Vorgänger des Bürgermeisters Ludwig an Bacchus geglaubt.“ Auch dazu könnte einiges geschrieben, zum „Glauben“ an Natur, Geschichte … Es genügt aber vollauf festzuhalten, dem „Vorgänger des Bürgermeisters Ludwig“ vorzuhalten, er habe an „Bacchus geglaubt“, das ist ein Chat ohne Smartphone. Das role model – Thomas Schmid für Lateinerinnen. Noch einfacher kurz gesagt: Taschner: Schmid für Lateiner.
In welcher Zeit in dieser nun türkis getupften Partei gedacht wird, zeigt auch die oben zitierte Gertraud Salzmann, ebenfalls eine Abgeordnete, eindrucksvoll auf. Wenn sie sagt: „Der Religionsunterricht dürfe nicht an den Rand gedrängt werden, nur so werde der ‚Einfluss von Hinterhofpredigern‘ zu verhindern.“ Das ist schulreformatorisch wahrlich tief hineingedacht …
Und ganzheitlich, wie es heutzutage modern gesagt wird, noch dazu. Die gleich dafür angelegte Karte wird nun, darf angenommen werden, im Religionsunterricht, im Ethikunterricht wohl auch zum Einsatz …
Es gab eine Zeit, das ist noch nicht so lange her, als die Partei der „Grünen“ dafür war, den Religionsunterricht als Pflichtunterricht abzuschaffen, den Religionsunterricht als Freifach anzubieten, einen verpflichtenden Ethikunterricht einzuführen. Nun liest die Partei der „Grünen“ das Datum vom türkisen Kalender ab, um zu wissen, in welchem Jahr sie zu sein hat.

Besonders intensiv wurde auf die Aufhebung des sog. „19er“ Erlasses des Unterrichtsministeriums aus dem Jahr 1919 verwiesen. Glöckel, der damals Unterstaatssekretär für Bildung gewesen war, hatte in diesem Erlass den Zwang zur Ausübung religiöser Übungen aufgehoben und die Pflicht zur Befragung von Schülern hinsichtlich der individuellen Ausübung der religiösen Pflichten aufgeweicht. Genau daran stieß sich Rummelhardt. „Und nun gehört es ja zu den höchsten Aufgaben des Priesters und des weltlichen Erziehers, darüber zu wachen, dass von den Kindern die Pflichten erfüllt werden, die Pflichten gegen Gott und die Pflichten gegen die Menschen. Der 19er Erlass des Unterstaatssekretärs Glöckel hat aber von einem Zwang zu den religiösen Übungen gesprochen, er hat den Zwang aufgehoben, er hat die Ausübung dieses Zwangs verboten und hat damit eine Situation geschaffen, die jede sittlich religiöse Erziehung ausgeschlossen hätte, die sittlich religiöse Erziehung unmöglich macht und die tatsächlich zu dem traurigen Ergebnis führen müsste, dass unsere Schule wirklich entchristlicht wird“530, kritisierte der Wiener CSP-Stadtrat und erntete dafür von den Zuhörern Zustimmung. Die von Glöckel angestrebten Reformen im Unterrichts- und Bildungswesen wurden auch scharf kritisiert. Antisemitismus wurde dabei auch „eingesetzt“. „…da hat er sich in Wien eine Stelle ausgesucht, von der er mit eiserner Hand seine Reformen, seine von jüdischen Freimaurern diktierten Reformen durchführt. Sein Bestreben ist geleitet vom Hass gegen alles, was Kirche heisst …“531, meinte er dazu. Rummelhardt kritisierte auch, dass aktuelle Erlässe des Unterrichtsministeriums, in denen festgelegt worden war, wie die Befragung von Schülern hinsichtlich der individuellen Ausübung der religiösen Pflichten ausgeführt werden solle, vom Wiener Stadtschulrat und Glöckel durch eigene Erlässe angeblich konterkariert worden waren. Und er kündigte in diesem Zusammenhang, an den Verfassungsgerichtshof mit dieser Angelegenheit zu befassen. „Nun hat das Ministerium darauf zwar sehr vorsichtig geantwortet, das Befragen sei kein Zwang, es müsse alles vermieden werden, dass es nicht den Charakter eines Zwanges annehme. Damit hätte sich doch Glöckel bescheiden können, … Aber Glöckel war das viel zu wenig; …er hat einen eigenen Erlass herausgegeben. … Der Erlass der Wiener Schulbehörde geht noch weiter, es ist darin ausdrücklich festgelegt, dass das Kind, wenn es nicht will, die Frage des Lehrers nicht zu beantworten braucht.“532Rummelhardt sprach in diesem Zusammenhang auch der katholischen Lehrerschaft ihren Dank aus. „Wir müssen“, meinte der CSP-Stadtrat, „auf dem Wiener Parteitage den christlichen Lehrern und Lehrerinnen besten Dank für ihr Durchhalten aussprechen. Es muss jeder christliche Vater und jede christliche Mutter diese Männer und Frauen bewundern, die sich nicht scheuen ihre Pflicht zu erfüllen, trotzdem sie wegen dieser Pflicht von der sozialdemokratischen Schulbehörde gemaßregelt werden.“533 Und er appellierte an christlichsoziale Elternräte, den bestehenden Landeselternverband nicht zu verlassen. Ein Rückzug aus diesem formal überparteilichen Gremium, das in Wirklichkeit von den Sozialdemokraten dominiert sei würde die Partei den letzten Einfluss auf die Geschicke in den Wiener Schulen kosten. Er kritisierte aber auch die Bestrebung des Stadtschulratspräsidenten konfessionslose Personen als Schuldirektoren zu bestellen. „Ich frage Sie: Kann denn ein konfessionsloser Schulleiter die Schüler … sittlich religiös erziehen? Das ist ganz unmöglich“534
In einem anderen, gerade für das christlich-konservative Lager wesentlichen Bereich fand ebenfalls eine merkliche Zurückdrängung statt. Diese betraf den Religionsunterricht in den Schulen. Dem sozialdemokratischen Prinzip folgend, dass Religion Privatsache sei und nichts in den öffentlichen Schulen zu suchen hatte wurde von der Wiener Stadtregierung alles daran gesetzt, Religion und alle ihre Ausprägungen – vom Religionsunterricht über das Schulgebet bis hin zu religiösen Liedern – aus der Schule zu drängen. Genau damit aber trafen sie aber die Christlichsozialen, ihre Wähler und Sympathisanten ins Mark, denn diese Maßnahmen behinderten nach Ansicht der CSP die Weitergabe dieser christlich-katholischen Kultur. Aus Sicht des bürgerlich-konservativen Lagers erreichte die Sozialdemokratie in Wien einen geradezu sektenähnlichen Status, der dem Bürgertum und der Christlichsozialen Partei doch Respekt und vielleicht sogar Angst einflösste. Heinrich Mataja schrieb darüber in unversöhnlicher Art und Weise im April 1927 in der Reichpost: „Wir haben es heute mit keiner Partei im landläufigen Sinn mehr zu tun sondern mit einer eigenen Welt, mit einem Staat im Staate. In den Verhältnissen, die wir kennen (Anm. der Christlichsozialen Partei), spielt die Organisation eine gewisse Rolle. Sie ist ein Instrument, ein Mittel zum Zweck, bald mehr, bald minder wichtig. Das Ziel der sozialdemokratischen Organisation dagegen ist, das Individuum in allen seinen Lebensäußerungen zu erfassen, um es ganz zu beherrschen, und um es von jeder anderen Berührung fernzuhalten. … So hat sich die Partei eine hasserfüllte Garde herangezogen, die vom Bürgertum das Schlechteste annimmt […]
„Wir haben es heute mit keiner Partei im landläufigen Sinn mehr zu tun sondern mit einer eigenen Welt, mit einem Staat im Staate. In den Verhältnissen, die wir kennen. (Anm. der Christlichsozialen Partei) […]“ Das ist eine Analyse, die dazu verführt, taschnerisch zu glauben, der türkise Kalender zeigt auch das Datum, das allen anderen Menschen im Land ihre Kalender für den heutigen Tag …
Es bietet sich bei diesem Zitat an, es drängt sich nahezu auf, das salzmannsche Wort „Hinterhofprediger“ aufzunehmen, und es ein wenig verändert dieser ihrer Partei zu widmen: „Hinterhofstaatlerin“ …
Nur nebenher, also kurz: Wer den Erlaß von Otto Glöckel zurückgenommen hat, ist aus dieser Arbeit des Kabinettschefs nicht zu erfahren, den Namen dieses Unterrichtsministers erwähnt er in diesem Zusammenhang nicht, dessen schwarze Geschichte erzählt er nicht …

Um zu einem Ende dieses Kapitels zu kommen, dies noch.
Es ist, generell dazu gesagt, ein Humbug. Gesinnungsgemäßes ist aber immer ein Humbug. Einen Gegenstand, also Religion, von dem Schüler sich abmelden können, durch einen verpflichtend zu besuchenden Unterricht, also Ethik, zu ersetzen, die Schülerinnen also in ihrer freien Wahl äußerst zu beschränken, sie für ihre Selbstbestimmung zu bestrafen, ihnen enge Grenzen ihrer Freiheit vorzuführen, sie in den Ethikkarzer zu sperren.
Es wähnen sich gar viele Mensch sehr modern, die dafür sind, den Religionsunterricht durch einen Ethikunterricht zu ersetzen. Auch hierzu könnte vieles geschrieben werden. Aber es reicht zu sagen. Zum einen. Es ist ein Fehlschluß, daß es einen Ersatz geben muß für einen aufzulassenden Gegenstand. Ethik als eigenes Schulfach aber ist nutzlos. Ethik ist, um einen heutzutage beliebten Begriff zu verwenden, eine Querschnittsmaterie, das heißt:
Ethik hat in allen Lehrplänen der einzelnen Unterrichtsgegenstände verpflichtend enthalten zu sein.
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