Arno Breker erfährt von Ernst Fuchs: „Jahrzehntelang war das Andenken an so großartige Bildhauer … Du zum Beispiel, nicht wahr, völlig verschüttet, weil verdrängt …“

Ernst Fuchs: Aber das Trocadéro ist ja auch ein typisches Beispiel dafür, daß das, was man den Nazi-Stil nennt, überhaupt nicht auf Deutschland beschränkt war, sondern ebenso in Frankreich, in Spanien, in Italien.

Arno Breker: Ich war in der Jury der Weltausstellung damals. Nicht?

Ernst Fuchs: Ja.

Ernst Fuchs: Sag, hat damals Bourdelle noch gelebt?

Arno Breker: Jaja, natürlich.

Ernst Fuchs: Jaja. Ich glaube auch, daß Deine frühe Plastik, was das Heroische darin anbelangt,

Arno Breker: Ja.

Ernst Fuchs: zu Bourdelle eine gewisse Beziehung hat, und zu Meštrović.

Arno Breker: Ich habe ihn mit beerdigt, als er starb

Ernst Fuchs: Ja, jaja.

Arno Breker: in den zwanziger Jahren.

Ernst Fuchs: Und hast du Meštrović gekannt?

Arno Breker: Nein.

Ernst Fuchs: Ivan Meštrović.

Arno Breker: Die Frau von Bourdelle war Griechin, wie meine Frau.

Ernst Fuchs: Aha.

Arno Breker: Du kannst Dir ja vorstellen, wie ich zum ersten Mal das Atelier da besuche, mit meiner Frau, da war sie die Witwe,

Ernst Fuchs: Aha.

Arno Breker: die haben sich ja sofort in die Arme gefallen. Nicht? Waren Freunde bis zum letzten Atemzug.

Ernst Fuchs: Mhm.

Ernst Fuchs: Auch Bourdelle. Ich habe unlängst erst gehört, daß diese ganze Periode jetzt erst entdeckt wird, jetzt.

Arno Breker: Jetzt, ja, sie ist jetzt aufgestellt … wie zuvor.

Ernst Fuchs: Ja, man kann sagen, jahrzehntelang war das Andenken an so großartige Bildhauer wie Szukalski, der Pole, großartiger Mann, nicht wahr, oder Bourdelle, Du zum Beispiel, nicht wahr, völlig verschüttet, weil verdrängt und man wollte sich allgemein mit dem Phänomen dieser Kunst nicht befassen.

Arno Breker: Ja.

Ernst Fuchs: Es liegt im Zeitgeist, und ich hoffe, daß das nun sich ändert und daß man einfach nur von der Kunstbetrachtung ausgeht, all das, was da geschaffen wurde, ganz vorbehaltlos betrachtet.

Arno Breker: Das tun sie noch nicht bei mir.

Ernst Fuchs: Na. Aber ganz besonders nicht bei Dir.

Arno Breker: Weil ich den falschen Auftraggeber hatte.

Ernst Fuchs: Aber den hatten doch so viele.

Arno Breker: Ja.

Ernst Fuchs: Warum gerade Du?

Arno Breker: Ja.

Ernst Fuchs: Verhältnismäßig … unbeteiligt an all dem, als …

Arno Breker: … geistig absolut selbständig …

Ernst Fuchs: Während Speer doch, kann man wirklich sagen, absolut involviert war, organisatorisch und in jeder Hinsicht.

Arno Breker: Nachdem ich Hitler Paris gezeigt hatte, da, abends, wir sind draußen, herrliches Wetter … da kommt Hitler aus dem Bunker und sieht mich, winkt mir zu und ich soll zu ihm kommen. Und wir gehen stumm, bis uns der Wald verschluckt hatte. Da blieb er stehen, nahm mit seinen beiden Händen meine rechte Hand und sagte: „Breker, ich muß mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen, weil ich Sie falsch gesehen habe.“ Nicht? Er hatte mich falsch gesehen, weil er mich zu spät eingesetzt hatte. Nicht?

Ernst Fuchs: Ja.

Arno Breker: Nachdem, äh, Fauxpas, wo ich ihm sagte, äh, äh, als, wegen der Olympiade. Nicht?

Ernst Fuchs: Ja. Daß du ein Antikisierender wärst, ja.

Arno Breker: Der hat mich scharf angesehen, hat sich auf dem Absatz umgedreht, da war ich aus. Da habe ich zwei Jahre, war ich im Untergrund, kein Mensch wollte was von mir wissen, wie abgeschnitten war alles. Nicht?

Ernst Fuchs: Ja.

Arno Breker: Und jetzt baut er die Reichskanzlei. Er hat ja auch seine Bildhauer und gibt denen die Aufträge, die Modelle zu machen. Und die lehnt er alle ab, ohne Ausnahme. Da sagt Speer, jetzt weiß er nicht, wie das weitergehen soll. Die Zeit drängt. Da sagt er zu ihm: „Versuchen Sie es mal mit Breker.“ Speer war genauso gegen mich eingestellt. Speer. Nicht? Später. Und er rief mich denn an, sehr unhöflich, äußerst unhöflich, empfing mich äußerst unhöflich, es war nur zwei, drei Minuten. Ich kam in den Raum hinein, wo die Modelle für die Reichshauptstadt stehen, phantastische Gipsmodelle und in der Steinfarbe bereits getönt. Also ein Wunder an Können.

Ernst Fuchs: Ja.

Arno Breker: Und da war so der Ehrenhof, wurde mir gezeigt, der Haupteingang zur Reichskanzlei, neben der Treppe zwei Blöcke, die auf eine Figur warteten. Und wie ich davor stand, hatte ich sofort meine Idee. Nicht? Da kommt nur etwas in Frage, was eine Beziehung zum Reich hat. Also, ein Mann, der das Reich schützt, ein Mann mit dem Schwert und ein Mann mit der Fackel, also ein Mann des Geistes, der die Partei symbolisiert. Nicht? Ich sagte dem Speer nichts. Nach zwei Minuten war ich draußen, und er fragte nur, wann sehe ich sie wieder, sagte ich, in vierzehn Tagen. In vierzehn Tagen komme ich hin mit meinen zwei Figuren. stell sie auf den Sockel, heil Hitler, raus, ich war kam zu Hause wieder Telefon, wieder Speer, sagt, sie müssen noch einmal zurückkommen. Da war inzwischen Hitler da gewesen und war hell begeistert, und wie er den Mann mit dem Schwert sieht, sagt er, das ist die Wehrmacht. Nicht? Der Mann mit der Fackel, das ist die Partei. Und dann gab er dem Speer den Auftrag, was ich alles zu machen hatte. Der … Platz, der schon vergeben war, wurde dem Bildhauer entzogen.

Ernst Fuchs: Wer war das? Erinnerst Du Dich noch?

Arno Breker: Ich weiß es nicht mehr. Aber stell Dir mal vor, nur ein Beispiel.

Ernst Fuchs: Ja.

Arno Breker: … Das war dieselbe Situation wie in Paris in Berlin, eine ansteigende …Während ich in die Erde ging … Habe ich das Symbol „Die ewige Wiederkehr“ darstellen wollen … Der Apoll ist acht Meter hoch, die Pferde sechs Meter und … sah toll aus.

Ernst Fuchs: Ja.

Arno Breker: Das war alles fertig.

Ernst Fuchs: Wie Du sagst, das sind siebzig Prozent Deines Werkes und es ist alles weg.

Arno Breker: Alles weg. Habe nicht einmal mehr Fotos davon.

Ernst Fuchs: Was ist das für ein Schicksal, da hineingeboren zu sein,

Arno Breker: Ja.

Ernst Fuchs: mit all dem Können, mit all den Möglichkeiten.

Arno Breker: Ja. Ich habe mich kaputtgearbeitet.

Ernst Fuchs: Ja. Und dann ist.

Arno Breker: Kurz darauf der Zusammenbruch …

Ernst Fuchs: Ja. Der Künstler ist doch wie ein Sisyphus.

Arno Breker: Als der Russe, der Stalin, war hell begeistert. Und, ich war ja in der amerikanischen Besatzungszone, als Stalin mich haben wollte …

Ernst Fuchs: Schreckliche Zeiten waren das, ich kann mir das gut vorstellen. Kurz nach dem Krieg, nichts zu fressen,

Arno Breker: und kein Geld …