Am 2. November vor fünf Jahren die Morde in Wien ohne Rücktritte in Österreich; fünf Jahre später in Slowenien, berichtet die „Kleine Zeitung“ am 30. Oktober 2025, zwei rasche Rücktritte, der von Justizministerin Andreja Katič und der von Innenminister Boštjan Poklukar, aber ohne eines Versagens, ohne eines Fehlverhaltens, ohne einer Fehlleistung der ihnen unterstellten Behörden, und trotzdem treten in Slowenien sofort die Justizministerin und der Innenminister zurück.
In Slowenien also nicht wie in Österreich.
Fünf Jahre früher in Österreich keine Rücktritte, obgleich von Versagen, von Fehlverhalten, von Fehlleistung der zuständigen Behörden in Österreich gesprochen werden kann, wie an diesem ersten November-Wochenende die Tageszeitung „Der Standard“ erinnert:
Es ist die Geschichte einer Tragödie, die hätte verhindert werden können. Kujtim F. war den Polizeibehörden nicht nur als radikalisierter Jihadist bekannt. Er plante quasi vor ihren Augen einen Anschlag. Sein fehlgeschlagener Versuch, noch im Sommer Munition für ein Sturmgewehr in der Slowakei zu kaufen, wurde von den Behörden dort sogar an die Kollegen in Österreich gemeldet. Nur: Kujtim F. wurde nicht aus dem Verkehr gezogen. Die Information blieb liegen. Auch die Deradikalisierungsstelle Derad, die mit dem jungen Mann arbeitete, warnte Justiz und Polizei in ihren Berichten vor dessen Gefährlichkeit. Die zunehmende Radikalisierung von Kujtim F. aber, so resümiert Derad-Mitgründer Moussa al-Diaw in seinem neuen Buch die Radikalisierten, „wurde nicht ernst genommen oder in ihrer Tragweite nicht verstanden“. Ein Befund, der aus Diaws Sicht auch „immer wieder“ für die Jihadisten-Generation nach Kujtim F. gilt. Womöglich fehlte der Fokus auf Kujtim F. auch, weil der Staatsschutz damals seine Kräfte in eine völllig andere Richtung bündelte.
Und die „Kleine Zeitung“ schreibt am 31. Oktober 2025:
Vor fünf Jahren erschüttert ein Terroranschlag Wien. Mängel im Staatsschutz werden bekannt. […] In die Kritik geraten damals das Bundesamt (BVT) und das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). Ein Hinweis aus der Slowakei, wonach der spätere Täter versucht hatte, in Bratislava Munition zu kuafen, war im Sand verlaufen. Eine Gefährdereinschätzung des 20-Jährigen, der 2019 nach einer Haftstrafe wegen terroristischer Vereinigung bedingt entlassen worden war, wurde erst nach dem Anschlag fertiggestellt.
Im Fall des Innenministers war es sogar dazu gekommen, daß er, statt ihn zurückzutreten, hinaufgetreten wurde: zum Bundeskanzler.
Zu jener Zeit war eine groß angelegte Razzia gegen ein mutmaßliches Netzwerk der Muslimbruderschaft und der Hamas in Österreich geplant. Aufgrund des Terroranschlags fand sie letztlich mit einer Woche Verspätung statt. Bewaffnete Cobra-Beamte traten am 9. November 2020 dutzende Türen von Verdächtigen ein. Die Politik in Wien wollte nach dem Anschlag Sicherheit demonstrieren. Ex-Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach von einem „entscheidenden Schlag“ gegen den politischen Islam. Fünf Jahre danach ist die sogenannte „Operation Luxor“ aber nicht mehr als ein juristischer Rohrkrepierer.
Der Standard. 2. November 2025.
Was Rücktritte anbelangt, geht es in Israel zu wie in Österreich. Die von der Hamas begangenen Morde am 7. Oktober 2023 in Israel zeitigten keine Rücktritte, trotz des Umstandes, daß die Regierung Netanjahus ihrer „grundlegendsten Verantwortung nicht nachgekommen ist“, um noch einmal Ehud Olmert zu ziterieren:
Am 7. Oktober aber haben wir zugelassen, dass 1200 Menschen innerhalb von Israels Grenzen getötet und 251 entführt wurden. Aus Arroganz und Selbstgefälligkeit haben wir sie den Mördern ausgeliefert. Der Staat ist seiner grundlegendsten Verantwortung nicht nachgekommen.
Und David Grossmann schreibt in seinem Buch „Frieden ist die einzige Option; Schwarzer Schabbat, nach dem 7. Oktober 2023“:
Unzählig die Wunder, unzählig die Opfer und Heldentaten von Soldaten und Zivilisten, doch ein jedes erinnert an den kriminellen Leichtsinn unserer Sicherheitsdienste, deren Chefs sich selbst — und uns — jahrelang davon überzeugt haben, wir wären hier in der Region die Stärksten und Raffiniertesten, aufs Kriegshandwerk verstünde sich niemand besser als wir. […] Tief sitzt das Gefühl, verraten worden zu sein. Die Regierung hat ihre Bürger verraten. Sie hat alles verraten, was uns als Bürgern dieses einen bestimmten Landes teuer war. Sie hat Bedeutung und Verpflichtung des Staats Israel verraten. Hat das kostbarste Pfand verraten, das zu hüten ihr aufgetragen war: die nationale Heimstätte für uns Juden zu sein. Mit heiliger Ehrfuhrt, nicht weniger, hätte sie es hüten müssen. Was aber tat sie stattdessen? Woran mussten wir uns gewöhnen, als wäre das nun einmal der Lauf der Welt? Dieses Land wurde preisgegeben — zugunsten engstirniger Interesen, zugunsten einer zynischen, schlafwandlerisch unvernünftigen Politik. Was heute geschieht, zeigt uns den Preis, den Israelis zu zahlen haben, weil sie sich jahrelang von korrupten Politikern verführen ließen, die den Staat nach und nach an den Rand des Abgrunds trieben, das Justizwesen, das Erziehungswesen wie auch die Armee unterhöhlten und bereit waren, uns alle existenziellen Gefahren auszusetzen, um den Ministerpräsidenten vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren. Denken wir nur einmal daran, was wir seit Jahren hingenommen haben, wie viel Kraft, Gedanken und Geld wir wegen der Familie Netanjahu und ihrer Dramen á la Ceaușescu verschwendet haben, wie viele groteske Shows sie vor unseren verwunderten Augen abgezogen hat.
Es ist nur folgerichtig, wenn es in Israel wie in Österreich zugeht, daß eine derzeitige Ministerin aus der ÖVP, Claudia Plakolm, in diesem Frühjahr 2025 starke Worte für Benjamin Netanjahu findet: „für Österreich sei der Haftbefehl, den das ICC gegen Netanjahu erlassen habe, ein Affront“.
In Israel also wie in Österreich.
Fünf Jahre nach den Nicht-Rücktritten nach den Morden in Wien will in Österreich wieder einer nicht zurücktreten, obgleich er persönliches Fehlverhalten an den Tag legte, obgleich er persönlich schuldig geworden ist: „Amtsmissbrauch“ begangen zu haben, er also wieder vor Gericht wird müssen,
wie der Rücktrittsunwillige Netanjahu in Israel immer wieder vor das Gericht muß,
dann kann es auch in Österreich wie in Israel zugehen, kann die derzeitige Regierungspartei ÖVP die derzeitige Netanjahu-Regierung als Vorbild nehmen, und sie, die ÖVP, „unverändert stehen wir geschlossen hinter August Wöginger“.
Wöginger-Diversion
Staatsanwaltschaft soll laut Weisung Beschwerde einlegen
Anfang Oktober wurde das Verfahren gegen den ÖVP-Klubobmann August Wöginger wegen Amtsmissbrauchs mit einer Diversion eingestellt. Nun hat die Oberstaatsanwaltschat Wien die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft per Weisung angewiesen, Beschwerde einzulegen. Auch der Weisungsrat sei zum Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen für die Diversion nicht gegeben seien. Von der ÖVP heißt es, man nehme den Instanzenzug zur Kenntnis, gehe aber davon aus, dass die Diversion bestätigt wird. „Unverändert stehen wir geschlossen hinter August Wöginger.“
Kleine Zeitung. 31. Oktober 2025.
Dazu ist bloß eines noch anzumerken, daß es eine „rote Linie“ schon vor der …





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