Aus der Sicht Van der Bellens beginnt die Rote Linie nicht erst beim Strafrecht. Für ihn liege die Grenze schon „davor“ – nämlich vor der von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vorgegebenen „Rote Linie“ der strafrechtlichen Verurteilung, sagte Van der Bellen.
Im Dezember 2017 wird ÖVP zum ersten Mal als Bundeskanzlerin angelobt. Es vergehen nicht einmal zwei Jahre, bis Österreich unter dieser Kanzlerinschaft mit blauer Mithilfe in eine Staatskrise gestürzt wird. Schon nach siebzehn Monaten die erste Staatskrise.
Im Jänner 2020 wird ÖVP zum zweiten Mal als Bundeskanzlerin angelobt. Es vergehen wieder nicht einmal zwei Jahre, bis Österreich von dieser Kanzlerinschaft ganz allein in eine Staatskrise gestürzt wird. Schon nach neunzehn Monaten die zweite Staatskrise, diesmal nur von ihr allein verursacht.
Die Bilanz von ÖVP als Bundeskanzlerin in nicht einmal vier Jahren: Zwei Staatskrisen.
Diese Bilanz verwundert nicht. Schon zu Beginn dieses Jahrhunderts stürzt die ÖVP mit ihrem Obmann, der nicht von sich sagte, er sei die ÖVP, Österreich in eine Staatskrise, ihre Kanzlerinschaft mit blauer Mithilfe endete nach neunzehn Monaten.
Und nun endet es wieder nach neunzehn Monaten, nach nur neunzehn Monaten. Vielleicht hat nun türkis gesockte ÖVP davon geträumt, es länger zu schaffen, als Bundeskanzlerin länger als der damalige Obmann der ÖVP sich zu halten.
Das wird es nicht mehr.
Zu viel ist in den nicht einmal vier Jahren von ÖVP an „roten Linien vor …“ überschritten worden.
Ein Fortschritt ist aber doch dabei: Es kommt früher ans Tageslicht, es kommt früher zu „Erhebungen“, als damals, in den Nuller-Jahren … Es sind gerade einmal zehn Monate her, daß ein Mann zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, den die Sebastian Kurz, als sie noch meinte, die ÖVP zu sein, als ihren Obmann haben wollte, einen Mann als ihren Obmann haben wollte, der Jahre später, im Dezember 2020, zu acht Jahren Haft –, es dauerte weit, weit über zehn Jahre, bis der beinahe Obmann der ÖVP gewordene Mann zu acht Jahren Haft …
Und wenn dieser Fortschritt weiter anhält, wird es in Österreich nicht mehr so lange dauern, bis Urteile gefällt werden, nicht mehr so lange, bis alles zu spät ist, Schäden nicht mehr abzuwenden sind. Dafür gibt es Zuversicht: Es sind gerade einmal zwei Monate her, daß ein Mann – und das nicht erst nach weit, weit über zehn Jahren – wegen des Verbrechens der Korruption verurteilt wurde, der Vizekanzler war für kurz …
Ach ja, der Herr Bundespräsident, beinahe ihn zu erwähnen vergessen, obgleich er in der Kapitelüberschrift angeführt ist. Nun in dieser von ÖVP ganz allein herbeigeführten Staatskrise weiß der Herr Bundespräsident bloß, daß es „Erhebungen der Staatsanwaltschaften gibt“. Von „roten Linien“ weiß er nichts.
Was der Herr Bundespräsident aber stets weiß, ist, was zu trennen ist, beispielsweise ist ein Mann, von dem er den Rücktritt verlangt, von der von ihm wenn auch nur für kurz in die Bundesregierung gelobte Partei, die gesinnungsgemäß nicht von dem Mann getrennt ist …
Und was der Herr Bundespräsident ebenfalls stets weiß, Gegenwart ist als Geschichte aufzuarbeiten, irgendwann in ferner Zeit, verbunden mit schönen Reisen, die in getragener Betroffenheit …
Wie recht wird sich die Staatskrisenerzeugerin, vulgo ÖVP, wohl in diesen Tagen wünschen, die österreichische Justiz hätte, hätte bloß die österreichische Justiz auch dieses Gegenwartsverständnis des Herrn Bundespräsidenten …

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