Die reine und volle Überforderung und nichts als die Überforderung

Es gibt in Österreich einen nach Lebensjahren zwar noch recht jungen, aber doch schon kränkelnden Mann, den Anstifter und Ermöglicherinnen in eine Position hievten, die ihn überfordert. Hätte der, um eine Formulierung von Greenblatt zu verwenden, „weite Kreis der Mittäter“, deren Tat die Überforderung eines, auch dieses Mannes ist, davor einen Rat eingeholt, zum Beispiel den Rat von Ursula von der Leyen, sie hätte vielleicht geantwortet, sie würde niemanden mit Politik überfordern wollen.

In einem nach Lebensjahren im Grunde doch noch jungen Leben schon derart kränkelnd zu sein, kann durchaus ein Zeichen der Überforderung, mehr, Warnsignal, es hoch an der Zeit ist, aufzugeben, das überfordert.

Es ist ein Mann der Überbrückungswörter, die in ihrer Gesamtheit zwar keinen Inhalt ergeben, aber in ihrer Zusammenstellung oftmals das Gegenteil von dem ausdrücken, daß dieser Mann sagen würde wollen, wenn er um die Bedeutung der von ihm verwendeten Wörter wüßte.

Nun spannt dieser Mann zwei Wörter zusammen, die in dieser Kombination kein zweiter Mensch zusammenspannen würde: „Vorsätzlich“ und „Wahrheit“ … Es gibt durchaus Formulierungen, in denen beide Wörter vorkommen, zum Beispiel:

Ich sehe die Zeit wirklich kommen, da alle, die ihr Herz nicht vorsätzlich der Wahrheit verschließen.

In dieser Verbindung ist es seit altersher bekannt, und nicht erst seit dem hier zitieren Christoph Martin Wieland.

Bei Vorsätzlichkeit und Wahrheit ist es gerichtlich und außergerichtlich, ist es umgangssprachlich stets ein Vorwurf, eine Anklage, es würde ein Mensch vorsätzlich nicht die Wahrheit sagen …

Im österreichischen Gesetz gibt es den § 5 StGB (Strafgesetzbuch):

(1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

(2) Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.

(3) Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiß hält.

Auch im österreichischen Recht zur Regelung des Verfahrens bei Eidesablegung vor Gericht (§ 1) wird nicht verlangt, „vorsätzlich die Wahrheit gesagt“ zu haben, sondern:

Die Formel der vor Gericht abzulegenden Eide hat ohne Rücksicht auf das Religionsbekenntniß des Schwörenden zu lauten: für Zeugen im Civil- und Strafverfahren: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden einen reinen Eid, daß ich über Alles, worüber ich von dem Gerichte befragt worden bin (werde befragt werden), die reine und volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit ausgesagt habe (aussagen werde); so wahr mir Gott helfe!“

„Die reine und volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ wird verlangt, nicht eine „vorsätzliche …“ Und schließlich, sein Präsident, auch dieser forderte nicht die Abschaffung der vorsätzlichen Wahrheit, sondern die „Abschaffung der Wahrheitspflicht“ …

Nach dem Wahrheitsverständnis in diesem Kreis aber wäre es durchaus nicht überraschend gewesen, hätte er, sein Präsident, die Einführung der vorsätzlichen Wahrheit gefordert.

Würde dieser schon in so jungen Jahren kränkelnde Mann um die Bedeutung der Wörter, um die richtige Anwendung der Wörter in Kombinationen wissen, könnte es ein Anlaß sein, für eine rechtsphilosophische Erörterung der Frage, ob die Wahrheit, wie sie allgemein anerkannt als eine ohne Vorsatz reine und volle Wahrheit verstanden ist, eine zu ahnende Tat im Sinne der geltenden Gesetze darstellt, die nach seiner Wirklichkeit zu verändern wäre, von ihm zu verändern wäre, diesem Anstifter von Veränderungen … Da aber bei ihm kein wie immer gearteter philosophischer Hintergrund bekannt ist, wäre dies tatsächlich nur müßig, darüber nachzudenken, ob ihn Überlegungen leiten, die vorsätzliche Wahrheit in die österreichische Gesetzgebung einzuschreiben, die Wahrheit zu sagen, zu einem strafwürdigen Tatbestand zu erklären, der um so schwerer zu bestrafen ist, je vorsätzlicher …

Es ist aber bloß die reine und volle Überforderung und nichts als die Überforderung, auch durch Wörter.