Die Hauptleistung des Rudolf Diesel

Konzept einer solidarischen Wirtschaft, bei der die ehemals abhängig Beschäftigten die Finanzierung, Produktion und Verteilung von Gütern selbst in die Hand nehmen.

Im Studio 2 am letzten Montag hat Fritz Dittlbacher, Historiker des Studios 2 und ZIB-Chefreporter, von Rudolf Diesel erzählt. Anlaß: 125 Jahre Dieselmotor. Präsentation des ersten Dieselmotors am 16. Juni 1897.

Fritz Dittlbacher weiß viel von Rudolf Diesel zu erzählen, von seiner Herkunft, von seinem Geburtsland, von seiner Schul- und Studiumszeit, von seiner mit Linde gemeinsamen Erfindung von Kühlschränken und Kühlmaschinen.

Fritz Dittlbacher weiß viel von Rudolf Diesel zu erzählen, von der Entwicklung des Dieselmotors, von seinem schweren Unfall, von seinem Tod knapp ein Jahr vor dem Krieg von 1914 bis 1918.

Fritz Dittlbacher weiß zu erzählen, daß „Carl Linde dabei geschickt war – „die Linde AG ist heute noch ein Milliardenkonzern mit fünfundsiebzigtausend Mitarbeitern weltweit […] Diesel ist relativ rasch aus diesem Geschäft ausgestiegen“ — Fritz Dittlbacher weiß, daß Rudolf Diesel „ein genialer Techniker war, aber ein ganz schlechter Kaufmann“ —

Fritz Dittlbacher weiß zu erzählen, „der Name ist so berühmt, daß sich wirklich sogar ein Milliardenkonzern in Frankreich, ein Modekonzern, sich Diesel genannt hat“ —

Fritz Dittlbacher weiß auch zu erzählen, „seine Frau hat allerdings dann festgestellt, auch das hat zu Rudolf Diesel dazugehört, er war fast bankrott, er hat noch ein bissel Bargeld gehabt, aber nichts mehr am Konto“ —

Und Fritz Dittlbacher spekuliert, „aber möglicherweise jetzt, wenn der Dieselmotor eben verboten wird, wie letzte Woche im EU-Parlament für Europa beschlossen, vielleicht verblaßt dann auch der Name.“ Und Birgit Fenderl: „Wir haben schon gewitzelt, daß es dann E-Jeans vielleicht gibt“ —

Fritz Dittlbacher hat zu seiner Erzählung über Rudolf Diesel auch ein Foto herausgesucht, wie Rudolf Diesel kurz vor seinem Tod ausgesehen hat, als er „etwas über fünfzig Jahre alt“ war.

Kein Foto hat Fritz Dittlbacher von der „Hauptleistung“ des Rudolf Diesel herausgesucht und in der Sendung hergezeigt – das hätte ein Foto von einem Buchumschlag sein müssen. Fritz Dittlbacher zeigt kein Foto von der Leistung her, die Rudolf Diesel selbst als seine „Hauptleistung“ einstufte. Deshalb wurde hier ein Foto herausgesucht, das den Buchumschlag seiner Hauptleistung zeigt. Es ist kein Dieselmotor abgebildet, sondern eine Druckerei, die Produkte des Lesens herstellt; eine bessere und passendere Abbildung zur Hauptleistung des Rudolf Diesel kann es nicht geben: Druckereien, Inbegriff der Bildung —

Die Erfindung des Dieselmotors war für Rudolf Diesel selbst eine, der er keine große Bedeutung zumaß; für ihn eine Nebensache, die aber für, auch für Fritz Dittlbacher die Hauptsache —

Daß ich den Dieselmotor erfunden habe, ist schön und gut. Aber meine Hauptleistung ist, daß ich die soziale Frage gelöst habe.

Er wußte wohl um die Vergänglichkeit von technischen Erfindungen, von der Unerheblichkeit technischer Entwickungen, und er wußte wohl um den unvergänglichen Wert der „sozialen Frage“. Nach einhundertfünfundzwanzig Jahren ist es beschlossen, der Dieselmotor wird aus der Welt verschwinden, an den in Museen wohl nostalgisch erinnert werden wird, zur Verklärung des Fortschritts der Menschheit, der in Wahrheit stets doch nur im Technischen einer ist, wenn dies denn Fortschritt genannt werden will; ein Fortschritt, der „schön und gut ist“. Aber“ —

Mit höchster Bewunderung spricht Fritz Dittlbacher reklamehaft von den Milliardenkonzernen, anstatt von der „Hauptleistung“ des Rudolf Diesel zu erzählen, mit der sich die Menschen Unabhängigkeit und Freiheit von den „Konzernen“ sich selbst gegeben hätten, die es dann nicht als „Konzerne“, von denen sie sich abhängig machen und in Unfreiheit halten lassen, geben würde.

Gerade jetzt, weit über einhundert Jahre nach seiner öffentlich gemachten „Hauptleistung“ ist daran dringlich wie je zu erinnern, gerade in diesen letzten drei Monaten des Jahres 2022, in denen so viel von Unabhängigkeit gesprochen, geschrieben wird, gerade in diesen Zeiten, in denen von so vielen Unabhängigkeit und Freiheit zu höchsten Tugenden und Werten erklärt werden, ist das Konzept zur Überwindung von Abhängigkeit und Unfreiheit des Rudolf Diesel mehr als bedenkenswert — Breit aber, wie an diesem letzten Montag, wird an den Dieselmotor erinnert, schafft es Fritz Dittlbacher konzernergeben, Rudolf Diesel nicht mit seiner Hauptleistung selbst zu Wort kommen zu lassen —

In Abhängigkeit und Unfreiheit wird von Unabhängigkeit und Freiheit aber nicht im Sinne auch eines Rudolf Diesel —