„Mag schon sein, aber was bringt das jetzt?“

Wenn Sie zu raten hätten, in welcher Zeit dieser Satz gesprochen wurde, Sie würden spontan vielleicht sagen: 1945.

Was könnte so einer in Freundlichkeit gemantelte Frageforderung zum Schweigen über das Passierte Argumente geliefert haben, wie könnte so ein Wegfragen begründet worden sein? Es werden wohl Sätze gewesen sein, die ähnlich diesen, dem Inhalt und auch dem Pathetischen nach:

Mag schon sein, aber was bringt das jetzt? Es komme nun darauf an, was „hier und jetzt“ passiere.

Das Zitierte ist nicht aus 1945. Kurz ist es her, daß dies gesagt wurde, im März.

Und was nun hier und jetzt passiere, zu passieren habe, wurde kurz später ausgeführt, im Mai:

„Zuversicht steckt an. Zuversicht steckt an. Zuversicht entfesselt neue gemeinsame Vorwärtsenergien. Wir müssen weiterkommen, wir wollen weiterkommen. Wir müssen daran glauben, daß eine Veränderung zum Guten möglich ist, denn alle Veränderung beginnt mit diesem Glauben. Aber Ibiza war noch lange nicht alles. Alle waren noch dabei, ungläubig den Kopf zu schütteln, über das was möglich war in unserer Republik, und dann kam die Pandemie über uns.

Und die daraus resultierenden ökonomischen Opfer, die wir bringen müssen, sind der Preis für Freiheit […] Zukunft in Frieden […] unsere Wirtschaft auf solide, nachhaltige, zukunftsweisende Beine stellen, stärker, moderner, zukunftsfähiger, weil unabhängig von Tyrannen, die am Gashahn oder am Bohrloch sitzen […]“

Zwischen Ibiza und Pandemie und Krieg doch allenthalben eine Zeit des Verschnaufens, eine Zeit in der nichts geschieht, in diesen harten Jahren doch immer mal wieder auch Momente der Besinnung, für die der Kandidat sorgte, mit seiner Rückbesinnung auf das Gute, Schöne und Wahre, seiner Erinnerung, daß besonders die Lyrik gerade in recht harten Zeiten Zuflucht, Trost, Auszeit —

Und wie gut wußte der Kandidat auch diese Augenblicke der Handlungslosigkeit, der Ereignislosigkeit, des Durchatmens zu nutzen, den Menschen in Österreich ein pflichterfüllter Hirte zu sein, ihnen mit ganzem körperlichen Einsatz beizustehen und zu weisen, was not —

So schön wie die von ihm aufgesagten Verse sind dem Kandidaten die österreichische Verfassung und die von ihm beurkundeten Gesetze …

zukunftsweisender, zukunftsfähiger, also will er zumindest die Wirtschaft, und nennt sich wir, auf solide, nachhaltige Beine stellen, stärker, moderner, weil unabhängig von Tyrannen, die am Gashahn oder am Bohrloch sitzen … die Bundesregierung rannte sogleich zu den von ihm in ein lyrisch gestelltes Bild Sitzenden, und nennt sich nicht wir … von welchem wir spricht wir, wenn wir sagt, wir wollen …

Wir spricht nun, wieder in das Stadium des Kandidaten versetzt, viel von Unabhängigkeit, wir sind unabhängig, und diese seine Unabhängigkeit dünkt dem Kandidaten eine erste positiv benotete vorwissenschaftliche Arbeit auf dem Weg zur Matura, die der mit Zuversicht über Zuversicht angesteckte Kandidat zu bestehen meint, und noch etwas, auch das läßt ihn mit Zuversicht in den Spätherbst blicken, wie viele herzensgute Worte rannen von ihm jenen entgegen, die unabhängig sind, von ihnen weitab zelebrierten Werten, die ganz fern sind von den Werten, die wir in Beschwörungsformeln so eindrucksvoll zu fassen vermögen …