Arno Breker: Ich will dir mal folgendes sagen. Ein Schweizer hat einen riesigen Film von mir gemacht
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: und der ist aber nicht aufgeführt worden, ist verboten. Und zu dieser Zeit wurde Speer aus dem Gefängnis entlassen und er ist heimlich zu Speer gefahren, um zu wissen, wie Hitler zu mir stand.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Nicht. Und da gibt es ja die tollsten Märchen. Nicht.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Die Bösen sagen, er hat nur das gemacht, was er mir befohlen hat.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Nicht. Und da hat er den Speer gefragt, wie die Zusammenhänge denn gewesen wären. Und da hat er geantwortet, Hitler hatte einen solchen Respekt vor der Persönlichkeit Brekers, daß er nie gewagt hätte, einen Wunsch zu äußern.
Ernst Fuchs: Jaja.
Arno Breker: Außer, daß er mir Dinge zutraute, nur mir zutraute, beispielsweise ich mußte eines Tages kommen und da sagte er mir, der Krieg dauert zu lange, ich habe große Sorge, daß das Talent in Deutschland ausstirbt. Sie kennen sich aus.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Sie übersehen das. Ich gebe Ihnen den Befehl, daß Sie jeden Menschen, den Sie für begabt halten, sofort aus der Front ziehen können.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Oder wo er auch steht. Oder wo er Schwierigkeiten hätte, daß die von ihm entfernt werden, damit er sich entwickeln kann. Nicht. Und da habe ich meinen Schüler Heiliger, der im Schützengraben in Rußland war, habe ich als ersten rausgeholt. Stell Dir das mal vor. Er war verheiratet, hatte schon Kinder und saß im Schützengraben. Und der kommt zurück zu mir nach Wriezen, da habe ihm eine Wohnung gegeben, die Familie kam, seine Kinder, und dann habe ich ihm Geld gegeben, dann habe ich ihm Aufträge gegeben, ein Atelier, Sie können selbständig arbeiten, Sie können auch mir helfen, damit Ihre Geldnot aufhörte. Und ich hatte das schon mit Erfolg gemacht, als er zu mir auf die Akademie kam und ich sah, was für ein armer Teufel das war. Und wenn ich jemand um Hilfe bat, damals, dann wurde die Hilfe erfüllt. Ich schrieb an seinen Gauleiter,
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: daß er, er ist mein Schüler, er lebt hier in Ihrem Land und bitte ihn, dem Schüler ein Stipendium zu geben.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Das hat er sofort getan. Bekam monatlich 600 Mark.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Den ganzen Krieg über. Stell Dir das mal vor. Dann habe ich an einen zweiten Gauleiter geschrieben, der mit der Wohnung nichts zu tun hatte, von dem ich aber wußte, daß er ein Gefühl für Kunst hat,
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: dann bekam er wieder 600 Mark. Da hatte er ein Einkommen von 1.200 Mark. Nicht. Und der Mann kommt zurück, als ich fliehen mußte, als die Russen die Oder überschritten hatten, kam ein Führerbefehl, da mußte ich nachts um zwei Uhr weg wieder nach Berlin und am anderen Morgen nach Süddeutschland. Da hat sich der Heiliger in mein Berliner Atelier gesetzt und hat alles geerbt, was ich an Drehscheiben … das hatte ich in rauen Mengen, weil ich sehr viele Arbeiten gleichzeitig unter der Hand hatte. Und er macht in Duisburg eine Ausstellung, da habe ich per Zufall im Radio ein Interview von ihm gehört. Da hat der Mann ihn gefragt, wo haben Sie eigentlich studiert? Da sagte er, in Berlin. Ja, bei wem denn? Ja, bei der Berliner Schule. Und nannte keinen Namen. Nicht.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Und hat auch meinen Namen nie genannt und hat nur gesagt, der Breker, das ist überhaupt kein Künstler. Nicht. Der kann nichts.
Ernst Fuchs: Haha.
Arno Breker: Bis heute sagt er das. Nicht.
Ernst Fuchs: Ja, das kommt von der Identifikation
Arno Breker: Dem habe ich das Leben gerettet.
Ernst Fuchs: mit dem Hitler. Ja.
Arno Breker: Der hätte jeden Tag erschossen werden können.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Wenn er an der Front ist. Nicht.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: So ist das. Aber das hat mich nicht gehindert, andere Leute auch zu unterstützen. Beispielsweise Maillol. Ich bekomme von Maillol vier Briefe. Maillol war ein vielfacher Millionär. Was er bar an Geld besaß.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Wenn wer etwas kaufte bei ihm, da mußte das Geld erst auf den Tisch und der Maillol zählte nach und wenn es stimmte, da konnte er die Arbeit mitnehmen, aber vorher nicht. Das war der Bauer Maillol. Nicht.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Und er schrieb mir. Lieber Breker, ich bin in fürchterlichster Beklemmung, ich kann nicht mehr arbeiten, mein Modell ist weg, ist verhaftet worden und sitzt im Gefängnis.
Ernst Fuchs:: Ah, die Dina Vrieny.
Arno Breker: Ja. Tun Sie alles, um sie freizubekommen. Und ich muß Ihnen gestehen, daß ist nicht nur mein Modell, sondern das ist auch meine Geliebte. Ich kann ohne sie nicht leben.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Sie ist verhaftet worden, weil sie eine aktive Kommunistin war. Das ist der deutschen Besatzung, also der Gestapo
Ernst Fuchs: zu Ohren gekommen. Ja.
Arno Breker: Jaja. Das hat sie entdeckt. Nicht. Und dann hat sie riesige Geldbeträge von deutschen Juden
Dina Vrieny …
Während der Besatzung Frankreich durch die Nationalsozialisten war Dina Vierny in der Résistance tätig und half Flüchtlingen über die Grenze nach Spanien. Nach dem Unfalltod Aristide Maillols im Jahr 1944 kümmerte sie sich um den Nachlass des Bildhauers und machte seine Kunst auf Ausstellungen bekannt, etwa auf Documenta 1 im Jahr 1955 in Kassel. Zudem eröffnete sie eine Galerie in Paris und handelte mit Kunst der klassischen Moderne. Auch um die Gegenwartskunst kümmerte sich Dina Vierny. Nach Besuchen in die Sowjetunion während der 1960er Jahre zeigte und sammelte sie Kunst russischer Nonkonformisten wie Ilya Kabakov und Erik Bulatov. In den frühen 1970er Jahren entstanden ersten Pläne zu einem Musée Maillol. Dafür kaufte sie nach und nach das Gebäude in der Rue de Grenelle. 1995 konnte dann die Fondation Dina Vierny – Musée Maillol eröffnet werden. Auch in Banyuls-sur-mer in den Pyrenäen, dem Geburtsort Maillols, ließ Dina Vierny ein Museum für den Bildhauer errichten.
10.02.2009. Kunstmarkt.com. Ulrich Raphael Firsching
Arno Breker: über die Grenze gebracht, bei Maillol, von Maillols Grundstück gab es einen Feldweg zu den Pyrenäen hin.
Ernst Fuchs: Aha.
Arno Breker: Da war man innerhalb von zehn Minuten in Sicherheit. Und sie brachte auch eine Fülle von Juden in Sicherheit.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Das war bekanntgeworden.
Ernst Fuchs: Ja.
Arno Breker: Aber sie war zu unvorsichtig, weil sie das zu öffentlich machte. So war es auch mit Picasso.
Monate sind Arno Breker vierzehn Tage, Stunden sind Arno Breker zehn Minuten. Zehn Minuten auf einem Feldweg, um in Sicherheit zu sein – in Spanien. Vom Grundstück Maillols auf dem Feldweg bequem zehn Minuten zu gehen, ist ein, und das ist kein Märchen, Gehen Richtung Spanien in die Sicherheit, es sind die ersten zehn Minuten von vielen, vielen Minuten, die zu Stunden …
Dort gibt es den Walter-Benjamin-Weg, und wie das mit den zehn Minuten und dem Feldweg war, darüber soll ein Bericht Auskunft geben:
Es sind aber nicht nur die Unerfahrenheit der Führerin, die das Unternehmen gefährlich machen, sondern auch die Grenzpatrouillen, denen es auszuweichen gilt. Zudem ist Walter Benjamin, obschon erst 47 Jahre alt, schwer krank. Das Herz macht ihm zu schaffen, die langen Jahre des Exils, der zeitweisen Internierung und der ständigen Unsicherheit haben ihn zermürbt. Sein einziger verbliebener Wunsch: sein letztes, noch unveröffentlichtes Manuskript, das er in einer Aktentasche bei sich trägt, nach Spanien in Sicherheit zu bringen. Für dieses Ziel schläft er sogar am Abend zuvor auf freier Strecke, während seine Mitstreiter nach einer ersten Erkundungstour nach knapp einem Drittel noch einmal umdrehen. Benjamin traut sich diese Anstrengung nicht zu. Für heutige Wanderer, ausgeruht, mit ausreichend Wasser und vernünftigem Schuhwerk versehen, ist der Gang über die Pyrenäen unproblematisch, auch wenn Schiefergeröll dem Fuß nicht immer ausreichend Halt bietet und man sich ab und an widerwillig im Vierfußgang wieder findet. Für einen körperlich untrainierten, zudem kranken Intellektuellen, der nicht einmal weiß, was ihn am Ende der Strecke erwarten wird, muss es die Hölle gewesen sein. Jedoch hat er sich, wie Lisa Fittko schreibt, nie beklagt. „Benjamin wanderte langsam und gleichmäßig. In regelmäßigen Abständen – ich glaube, es waren zehn Minuten – machte er Halt und ruhte sich für etwa eine Minute aus. Dann ging er in demselben gleichmäßigen Schritt weiter. Er hatte sich das, wie er mir erzählte, während der Nacht überlegt und ausgerechnet: Mit dieser Methode werde ich es bis zum Ende schaffen. Ich mache in regelmäßigen Abständen Halt – die Pause muss ich machen, bevor ich erschöpft bin. Man darf sich nie völlig verausgaben. Was für ein merkwürdiger Mensch, dachte ich. Kristallklares Denken, eine unbeugsame innere Kraft, und dabei ein hoffnungsloser Tollpatsch.“ Wer, wie wir Heutige, zum Vergnügen diesen Weg nach Spanien geht, wird jedoch viel Freude haben an den Buschwäldern, die sich an die Weinberge anschließen, den romantischen Pfaden entlang der Lavendel-, Thymian- und Rosmarinsträucher, den Steineichen. Durchaus fordernd, aber nie überfordernd. Von wilden Stieren, die zu Benjamins Zeiten hier noch gelebt haben, ist nichts mehr zu sehen. Circa drei Stunden nach Aufbruch in Banyuls erreicht man nach einem etwas alpineren Wegabschnitt den Coll de Rumpissa – und, die SMS des spanischen Telekommunikationsunternehmens zeigt es an: Wir haben, ohne es zu merken, die Grenze bereits überquert. Belohnt werden wir mit einem mediterranen Panoramablick von Spanien bis Frankreich, der auch Lisa Fittko vor 76 Jahren begeistert hatte.
Geschichte einer Flucht über die Pyrenäen. Brigitte Baetz. 25.09.2016. Deutschlandfunk

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