Wiener Gas

»7. Juni 1939. Im Postskriptum eines Briefes an Margarete Steffin schreibt Benjamin: ›PS Karl Kraus ist denn doch zu früh gestorben. Hören Sie: die Wiener Gasgesellschaft hat die Belieferung der Juden mit Gas eingestellt. Der Gasverbrauch der jüdischen Bevölkerung brachte für die Gasgesellschaft Verluste mit sich, da gerade die größten Konsumenten ihre Rechnungen nicht beglichen. Die Juden benutzten das Gas vorzugsweise zum Zweck des Selbstmords.‹«

Vor achtzig Jahren war das. In einem Land, das durch seinen Staatsnamen Österreich nach Auschwitz so leicht machte, zu behaupten, in dieser blutfinsteren Zeit nicht existiert zu haben. Dabei strafte bereits der Staatsname diese Behauptung Lügen. Denn in diesem ist von Österreich der wesentliche Teil erhalten geblieben: Reich

Deutschland hat nach Auschwitz seinen Namen geändert, hat Reich aus seinem Namen getilgt.

Österreich kehrte nach Auschwitz zu seinem Namen mit Reich zurück. Und ginge es nach einer epiidentitären Partei würde sein Name heute noch deutsches reich

Das ist keine Spekulation. Es braucht nur das Parteiprogramm dieser Partei gelesen und die Folgerungen aus diesem weitergedacht zu werden, in dem von „deutscher Kulturgemeinschaft“, „bei Ortsnamen grundsätzlich deutsche Namen“ … Federführer des Programms dieser postidentitären Partei ein Mann, dem die Vorsehung Hoffnung flüstert, wieder an einem Montag nach dem 29. September 2019 angelobt zu werden, seinen Stuhl wenigstens für kurz wiederum in einer Regierung …

Im Reich vor einhundertzwölf Jahren bereits das Hissen der Hakenkreuzfahne, wie der oben zitierte Briefauszug ebenfalls in „Das unnennbare Heute“ von Roberto Calasso zu lesen ist.