Widerstand ist die Förderung

WIDERRUF
Wir stellen in dem Buch „Widerstand hat keine Form Widerstand ist die Form“ auf Seite 100 die Behauptung auf, Heinz-Christian Strache hätte das SS-Lied „Wir schaffen die siebte Million“ gesungen.
Diese Behauptung widerrufen wir als unwahr. Wir entschuldigen uns für diese falsche Behauptung.
Berlin, den 12.9.2025                                                             Wien, den 12.9.2025
Kristine Listau und Jörg Sundermeier                                    Milo Rau
Verbrecher Verlag GmbH
Das Buch ist aus dem Handel zurückgezogen.

Mit der neuesten Veröffentlichung seiner Reden und Essays offenbart der wohl umstrittenste wie wirkmächtigste politische Künstler unserer Zeit Milo Rau seine sehr eigene »Ästhetik des Widerstands« von den Anfängen in den Schweizer Voralpen über die Kriegs- und Krisengebiete dieser Welt bis in die großen Institutionen. Der Fokus liegt dabei, wie immer in Raus Arbeit, auf der Rolle der Kunst in einer Zeit gesellschaftspolitischer Umbrüche: dem Aufstieg der Europäischen Rechten, dem Kulturkampf zwischen »woker« und »Volkskultur«, identitärer und universeller Ansätze in Politik und Kunst. Der Band versammelt Texte und Gespräche über Theater, Literatur, Aktivismus, Wut und Melancholie, über Herkunft und Heimat, über Solidarität und das Tragische. Wie ist Widerstand in der Kunst möglich – gegen rechts, den Kapitalismus, gegen Ausbeutung und Vergessen?

Wie der „wirkmächtigste politische Künstler unserer Zeit“ seine Wirkmächtigstkeit wieder einmal unter Beweis stellt — wäre er nicht derart wirkmächtigst, ein für kurz gewesener Vizekanzler würde niemals gegen ihn einen „Medienprozess“ anstrengen, und so

mächtigst ist sein Wirk‘, daß ein Brief von ihm schon genügt, um mit einer Presseaussendung Widerstand gegen seine Wirkmächtigstkeit …

Mechtigst einmal so recht zeigen, denken Menschen des Widerstands, was ihres Widerstands Gewirks, so ist der rechte Platz dafür der Gerichtssaal, mit Rücknahme des widerständig Gesagten und der Entschuldigung bei jenen, gegen die der Widerstand … Ja, so geht Widerstand, mecht wohl nicht wenigen dabei über die Lippen kommen.

Was für eine veraltete Ansicht, Widerstand dürfe nicht jenen in die Hände spielen, gegen die der Widerstand gedacht, das erst ist ein rechter Widerstand, der jene fördert, gegen die Widerstand zu leisten ist, Förderungen gar mit Entschuldigung ist des Widerstands höchste Strategie, mag es im Moment auch danach aussehen, als würden es die Widerständischen jenen gar zu leicht machen, ihnen gar Triumphe bescheren, gegen die die Widerständischen ihren Widerstand formulieren, aber eines Tages wird erkannt werden, wie wirkmächtigst diese Förderung ist, die als Widerstand

Was für eine veraltete Ansicht, Widerstand dürfe nicht jenen zuarbeiten, gegen die der Widerstand —

Widerstand muß klar aussprechen, was zu einem, dem der Widerstand gilt, zu sagen ist, also, daß er singt, weil sonst würde nicht gewußt werden, was für einer er ist,

da ja es sonst nichts gibt, was zu ihm gesagt oder geschrieben werden könnte, oder nur, was ihm nicht ermöglicht, das Gericht anzurufen.

Was er, der für kurz gewesene Vizekanzler tatsächlich singt, genauer, sang:

„Patrioten zur Wahl“. Das aber war Milo Rau wohl nicht deutlich genug, zu harmlos, mechtigster Widerstand muß unerschrocken Schauriges, Grausiges …

Und wenn der für kurz gewesene Vizekanzler Patriotinnen einmal nicht singend zur Wahl ruft, dann zitiert er der Deutschen feinste Verse, die aber Milo Rau, der selbst größter Freund der Poesie, nicht zitiert, die Verse des lyrischen Führers

Und wenn der für kurz gewesene Vizekanzler weder singt noch zitiert, dann reicht ihm ein Handzeichen, als hätte er nur drei bewegliche Finger, für ein gesinnungsgemäßes Erkennen …

Und wenn der für kurz gewesene Vizekanzler weder singt noch zitiert noch drei Finger bewegt, streckt er mit Schrei einen Arm aus, im Theater, darin nicht nur Zuschauer, sondern einer, der mitspielen will

Und wenn der für kurz gewesene Vizekanzler weder singt noch zitiert noch drei Finger zeigt noch im Theater mitspielt, befaßt auch er sich theoretisch mit der Wiederkehr des Faschismus, freilich ist ihm das Theoretisieren aber nur möglich durch ein Zitat …

wie Faschismus funktioniert, mußte er sich nie erklären lassen.

Eines aber kann durchaus nachvollzogen werden, daß es leicht durcheinanderzubringen ist, wer aus dieser Gesinnung was singt, wer was aus dieser Gesinnung wo sang, denn jeder aus dieser Gesinnung kann potenziell alles singen, jede aus dieser Gesinnung ist in der Lage dazu, so daß es allzu leicht zu Verwechslungen kommen kann, tatsächlich

wer was wo

Was aber von der Bezeichnung her nicht zu verwechseln ist, ist „SS“ und „Burschenschaft“, denn „Wir schaffen die siebte Million“ ist nicht aus einem „SS-Lied“, also nicht aus der Zeit der madigen zwölf Jahre, sondern aus der Zeit nach dem Untergang des nationalsozialistischen totalitären Regimes. Mangelnde Bildung in diesem Bereich mag für die falsche Zuordnung verantwortlich sein, vielleicht auch, zusätzlich, eine gewisse eigene Mutbestätigung, im Widerstand nicht vor einer „SS“ zurückzuweichen. Denn die „Siebte-Million“-Zeile erlangte Bekanntheit durch ein „NS-Liederbuch“ der Burschenschaft Germania

Das Burschenschaftsliederbuch wurde damals aber auch stets als „NS-Liederbuch“ aufgeregt medial und politisch behandelt, eine nunmehrige Landshauptfrau verkündete gar eine „Absage“ an ihren nunmehrigen Stellvertreter, ein Bundespräsident verlangte sogar den Rücktritt von ihrem zurzeitigen Stellvertreter — oh, der Worte viel, der Taten Worte aber …

Und zu ihrem Stellvertreter fällt bei Wort’n sogleich, kommt dieser doch in dem Bericht der „Presse“ vom 17. März 2023 in diesem Zusammenhange auch vor, ein weiterer ein, der nun „Zweiter Landstagspräsident“ in Niederösterreich … Weiter wird berichtet, das eine österreichische Sternstunde genannt werden könnte, einer aus dieser Parteiengesinnung, „Ex-Klubchef Martin Huber“, sei verurteilt worden: wegen „Wiederbetätigung“ …

Oh, wie kann Walter Rosenkranz jetzt verstanden werden, der zurzeitige Nationalratspräsident aus der patriotischen Partei in Österreich verstanden werden, wenn er, kaum in dieses Amt gewählt, von der Not der Aufklärung über die Burschenschaften …

Und nun, im Oktober 2025, findet im NÖ-Landhaus ihr patriotischer Stellvertreter die rechten Worte zu einem Buch, das verlegt von einem Verlagsmann, dem Deutschland und genauso Österreich wieder deutscher wolle werden

Der Burschenschaft höchstes Gut, das Liedgut, sie selbst gern singen, aber auch sie gern gesinnungsgemäß lauschen, wenn beispielsweise Frank Rennicke oder Michael Müller, dem „Millionen“ ebenfalls ein gesinnungsgemäßes Anliegen

Zugetan dem Liede sind auch die Mädelschaften

Zu dem für kurz gewesenen Vizekanzler hätte nichts nichts mehr zu schreiben gebraucht, denn er war und ist nichts mehr, und war er war, dies darf durch die Teilung von Roland Mölzer als Zustimmung aufgefaßt werden, ein „Post-SSler“.

Wie leicht es ihnen stets gemacht wird, beispielsweise zu klagen, und vor allem, zu gewinnen, das sie dann gesinnungsgemäß zu nutzen verstehen, wie vor langer Zeit schon einmal zusammengefaßt:

Wer immer, um in Österreich anzukommen, derart leicht- und eilfertig, möglicherweise auch hervorgerufen durch moralische Hysterie, zum Beispiel einen Martin Graf kritisiert, muß bedenken, daß dies zum Beispiel nur die Position eines Martin Graf stärken kann, daß dies zum Beispiel einen Martin Graf massiv unterstützen kann, jedwede berechtigte Kritik als Unsinn, als Lüge, als Unterstellung, als Verdrehung, als Hetze hinzustellen, daß dies zum Beispiel Widerrufe verbunden mit Werbeschaltung zum Beispiel für einen Martin Graf zur Folge haben kann, daß dies …

Vielleicht aber ist Milo Rau einfach ein wahrer Menschenfreund, der nur einem dazu verhelfen wollte, wieder einmal in überregionaler Berichterstattung vorzukommen, ihm wieder einmal eine Förderung widerfahren zu lassen, ist diesem jetzt doch sein mediales Vorkommen wohl mehr oder weniger auf Bezirksblattebene reduziert, für diese dann und wann etwas relevant, und das ist ihm gelungen — „Nachtkritik“, „Tagesanzeiger“, „Welt“, „Berliner Zeitung“, „The Guardian“ …

Das Geschäft dieser Gesinnung wird medial und politisch auf so mannigfache Weise ohne Not von vielen betrieben, daß ihm der dazu so eigene Beitrag von Milo Rau gar nicht mehr ins Gewicht fällt, außer, das es weiter am Laufen gehalten wird, etwa am 12. Oktober 2025 von „Nius“: „Regierung fördert erfundenes Nazi-Zitat mit 101.000 Euro Steuergeld“ …

Etwas Lustiges hält doch auch diese Geschichte bereit, nämlich diese, daß sich einer mittels seines Accounts auf der Konzernplattform X zum „Erzbischof“ weihte, und er gemäß seines Amtes zu verkünden weiß, was zu tun ist: „Dem muß ein Riegel vorgeschoben werden“. Und für ein Mitglied der „Herde der Gläubigen“ steht der „Erzbischof“ nicht an, seine großväterliche Absolution mit einem modernen „Bravo“ zu erteilen, dem mit dieser ein zweites Mal die Gnade widerfuhr, nach der einstigen weltlichen „Absolution vom Kanzler“ …