Edelweißpflicht

Es ist kein Jubiläum, das besonders zu begehen ist.

Vor 35 Jahren wurde Kurt Waldheim zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt. Das Datum seiner Angelobung am 8. Juli 1986 wird in den Geschichtsbüchern von seiner Amstszeit bleiben, und auch noch das Datum seines Amtsausscheidung. Denn das ist die Pflicht der Geschichtsbücher, die Daten anzugeben.

Die Veröffentlichung des Buches „Blutiges Edelweiß“ hat er, Waldheim, nicht mehr erlebt.

Was er wohl, wenn er die Veröffentlichung in 2008 noch erlebt hätte, dazu gesagt hätte, wenn er danach gefragt worden wäre, sofern es überhaupt noch wen interessiert hätte, ihn irgend etwas zu fragen, was hätte er geantwortet, wenn er geantwortet hätte? Besonders zur Passage, in der er, Waldheim, selbst vorkommt:

Oberleutnant Kurt Waldheim, der spätere Präsident Österreichs und Generalsekretär der UNO, der das Kriegstagebuch des deutschen Generalstabes bei der italienischen 11. Armee führte, vermerkte darin am 17. August: „Im Bereich der 1. Geb.Div. Ort Komeno […] gegen heftigen Feindwiderstand genommen. Hierbei Feindverluste.“ Im Laufe eines Tages wurde also der ohnehin unwahre deutsche Bericht über das Morden in Kommeno dahingehend weiter manipuliert, daß die ursprünglich im Regimentsbericht angeführten „150 toten Zivilisten“ im Divisionshauptquartier schließlich als „Feindtote“ bezeichnet werden. Daraus macht die Ic-Dienststelle dann „150 tote Banditen“, und Waldheim spricht im Kriegstagebuch des Generalstabes nur ganz unbestimmt von „Feindverlusten“. So verwandelte sich ein Kriegsverbrechen in einen konventionellen Akt der Verteidigung.

Es muß zugegeben werden, ohne das Edelweiß gäbe es nicht die Erinnerung daran, daß es einmal einen Bundespräsidenten in Östereich mit dem Namen Kurt Waldheim gab. Kurz ist es her, daß das Edelweiß wieder breite Aufmerksamkeit erfuhr, nicht im Zusammenhang mit einem Krieg, aber mit einer Seuche.

Der Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres ist der Bundespräsident, der auch in diesem zweiten Coronafrühling ein Mann ist, deshalb kann keine Oberbefehlshaberin, keine Bundespräsidentin hinzugeschrieben werden; es wäre bloße Wirklichkeitsleugnung.

Der derzeitige Bundespräsident heißt nicht Kurt Waldheim, und es ist nicht abzusehen, wann je eine Frau in Österreich Bundespräsidentin …

Was aber auf der Website des Bundesheeres, dessen Oberbefehlshaber er ist, zum Edelweiß zu lesen ist, würde eher in der Zeit vor 35 Jahren verortet werden, als der Oberbefehlshaber Kurt Waldheim hieß …

Aber das kam erst viel später hinzu. So geschrieben. Zu einer Zeit, in der bereits gedacht werden hätte können, mit dem Geschehen um Kurt Waldheim hat es sich für immer erledigt, so zu schreiben. Zu gut gedacht. Von Österreich. Schlecht gesagt. In Österreich, weiter mit dem schlecht Gesagten. In Österreich wird weitergemacht, als hätte es nie …

Es wird in Österreich gut gesehen, was schlecht gesagt werden kann, es wird in Österreich gut gesehen, was schlecht gesagt werden muß …

Die kurze Notiz des ehemaligen Oberbefehlhabers des österreichischen Bundesheeres über „Feindtote“ in Kommeno ist … Er setzte pflichtgemäß den Ermordeten die Maske des Feindes auf. In „Blutiges Edelweiß“ von Hermann Frank Meyer kann gelesen werden, was auch in Kommeno verbrochen wurde, wer die Menschen ohne waldheimische Masken waren, die ermordet wurden.

Was der Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres auch nicht mehr erlebte, im beginnenden zweiten Coronafrühling, daß die Pflicht auch anders verstanden werden kann. Kurz ist es her, daß sogar einer aus der eigenen Familie, vollkommen seinen Werten verpflichtet, sich gänzlich anders entschied, als der Rest seiner …