Österreichs Verfassung

Es ist nun die so lange verabsäumte und somit die letztbeste Gelegenheit, wohl wieder auf Jahre hinaus, also so kurz vor der Wahl in Österreich im Herbst, von der Verfassung Alexander Van der Bellens zu sprechen, von der er gar recht schwärmt, sie sei so schön, derart elegant

Von welcher Verfassung schwärmt er?

Er schwärmt von der in Österreich gültigen Verfassung.

Er schwärmt von der schon ganz im Geiste des Autoritären für Österreich geschriebenen Verfassung, von der Verfassung für die kommenden „starken Männer“, er schwärmt von der noch ganz den Geist des Autoritarismus weiter verströmenden Verfassung.

Und er ist nun Mitbewerber von Männern für das Amt der Bundespräsidentin, die sich um dieses Amt anstellen, das ist für sie so recht, recht verlockend, die Aussicht, einmal den „starken Mann“ —

Es geht um des Mannes Machtphantasie, mit der die gültige Verfassung in Österreich so zahlreich Männer lockt.

Und was machte einen Mann so recht zum „starken Mann“

Wenn er ganz allein, wie es ihm gerade beliebt, ohne je irgendwen fragen zu müssen, ohne sich je mit irgendwem absprechen zu müssen, beispielsweise eine Bundesregierung entlassen kann. Und dazu ist er von der gültigen österreichischen Verfassung ins Recht gesetzt, das im Sinne einer Demokratie und wohl auch im Sinne einer, wie es nun einschränkend, breit auslegend und verblendend gern genannt wird, liberalen Demokratie ein Unrecht ist. Konkret wird dieses verfassungsrechtliche willkürliche Gutdünken den „starken Männern“ durch diese Paragraphen zugestanden:

Artikel 70. (1) Der Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung werden vom Bundespräsidenten ernannt. Zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung ist ein Vorschlag nicht erforderlich; die Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung erfolgt auf Vorschlag des Bundeskanzlers. Die Gegenzeichnung erfolgt, wenn es sich um die Ernennung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung handelt, durch den neubestellten Bundeskanzler; die Entlassung bedarf keiner Gegenzeichnung.
Artikel 74. (3) Unbeschadet der dem Bundespräsidenten nach Art. 70 Abs. 1 sonst zustehenden Befugnis sind die Bundesregierung oder ihre einzelnen Mitglieder vom Bundespräsidenten in den gesetzlich bestimmten Fällen oder auf ihren Wunsch des Amtes zu entheben.

Alexander Van der Bellen würde wohl auch die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, wäre diese noch in Kraft, ergebendst hinnehmen, er würde vielleicht auch diese einhundertundzwei Jahre alte und in Österreich nicht mehr geltende Verfassung als eine schöne und elegante preisen wie das Kaunertal, beklatschen wie die Blasmusik, die Verfassung von 1920, die der Bundespräsidentin nicht das Recht einräumt, nach seiner Befindlichkeit, nach seiner Tagesverfassung, nach seiner Laune, nach seinem wilkürlichen Gutdünken die Bundesregierung zu entlassen, ohne von irgendwem dazu beauftragt zu werden, ohne dies mit irgendwem besprechen zu müssen, ohne irgendwen konsultieren zu müssen, und wenn es wenigstens sein Goldfisch wäre.

Artikel 70. (1) Die Bundesregierung wird vom Nationalrat in namentlicher Abstimmung auf einen vom Hauptausschuß zu erstattenden Gesamtvorschlag gewählt.
Artikel 72. (1) Die Mitglieder der Bundesregierung werden vor Antritt ihres Amtes vom Bundespräsidenten angelobt.
Artikel 74. (1) Versagt der Nationalrat der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder durch ausdrückliche Entschließung das Vertrauen, so ist die Bundesregierung oder der betreffende Bundesminister des Amtes zu entheben.

Als Österreich im Sinne der Demokratie noch visionär modern war, vor einhundertundzwei Jahren …

Ob Österreich im Sinne der Demokratie und nicht nur im Rückzug in die liberale Demokratie je wieder so visionär modern werden wird, wie es vor einhundertundzweimillionen —