Zum Eingang
Der zweite Weltkrieg läßt eine fast unabsehbare Reihe von politischen, ökonomischen und sozialen Krisen zurück. Ganze Staaten müssen einen Zustand erleben, der noch schlimmer ist als der Krieg. Man sagt uns, daß eine neue überstaatliche Organisation zu bewaffnetem völkerrechtlichem Schutz des Friedens in Aussicht genommen sei. Die gegenwärtige Lage läßt erst ungewisse Umrisse dafür erkennen. Der Ausblick könnte nicht ernster sein. Weltliche Weisheit hat ihr Können in höchsten Anstrengungen erschöpft.
Der Gang der Pflugschar durch den Heimatboden ist Anfang, Vorbereitung; in die Furche fällt der Same, der, so Gott will, Frucht bringen wird.
Erprobung
Und das Volk hat die große Parole verstanden. „Österreich!“, Hilfe für das Land, Beistand, da es in schweren Wunden liegt, Arbeit, Wirtschaft, Frieden! So haben es die Wähler gehört und dafür haben sie gestimmt, als sie, über drei Millionen an der Zahl — bis zum letzten Mann – könnte man fast sagen — zu den Urnen gezogen kamen. Dieses Dreimillionenheer hat nicht eine wohleingespielte Parteienapparatur in Bewegung gesetzt. Während der Hitler-Diktatur war ja doch alles zerschlagen worden, was nicht nationalsozialistische Formung war. Auch die gesamte Führung der Arbeiterschaft, des Gewerbes, der Bauernschaft, die in Vorbereitung der berufsständischen Verfassung bis 1938 aufgebaut worden waren, bis in die untersten Zellen hinab jener Gewaltherrschaft verfallen gewesen. Nicht alles hatte nachgeholt werden können. An vielen Orten fehlten zudem die alten Techniker der Wahlorganisation. So war mehr als je die innere Anteilnahme des Volkes für den Wahlentscheid bestimmend geworden. Nach alten politischen Gesetzen hätte man nach dem schrankenlosen Parteiabsolutismus der letzten sieben Jahre einen starken Ruck nach links erwarten können. Aber unser Volk hat sich für ein Programm der Mäßigung entschieden, für einen Weg der Mitte, der zwischen zeitgebotenen sozialen und wirtschaftlichen Reformen auf der einen und idealistischen und doktrinären Überspannungen auf der anderen Seite verläuft. In den Wählerziffern der Österreichischen Volkspartei sprach sich dieses Volksvotum ebenso unwiderleglich aus, wie in dem jähen Absturz, der die Kommunisten aus ihren kurzen Blütenträumen in die bitterharte Welt der politischen Realitäten riß. So sehr man es verstehen kann, daß es unbequem ist, die vielen daraus folgenden Veränderungen persönlicher und sachlicher Art in Staatsämtern, Rathäusern und Landesverwaltungen auf sich zu nehmen, wäre es doch imposanter gewesen, wenn es bei der guten Haltung, die auch von den schwer Geschlagenen unter dem ersten Eindruck des Volksentscheids eingenommen wurde, geblieben wäre. Mit anderer demokratischer Würde hat sich die große Sozialistische Partei zu den gegebenen Tatsachen gestellt. Das in Mandaten ausgedrückte Stärkeverhältnis im neugewählten Nationalrat ähnelt jenem, das Dollfuß beim Antritt seiner Kanzlerschaft vorfand. Damals versagte jeder Versuch eines Brückenschlages von einem Ufer zum anderen. Heute begegnen sich die ernsthaften Betrebungen der beiden großen Parteien in der Bejahung ihrer gemeinsamen Verantwortung. Es wäre ein müßiges Spiel, auserrechnen zu wollen, um wieviel kleiner und entlastender das Maß der Mitverantwortung am Staatsruder gegenüber Land und Volk für eine Partei von der Stimmenmacht der sozialistischen ist, einer Partei, der zudem die Führung in der Kapitale zugefallen ist. Das geschaffene Kräfteverhältnis muß richtig verstanden, dazu führen, daß es die einen wie die anderen in weisem Maßhalten bestärkt, hinlenkt zu dem Wichtigsten, das wir in der Bedrängnis unseres Landes am Nötigsten haben: Zur sorgfältigen Hut für den inneren Frieden.
Das ist u. v. a. m. auf der ersten Seite des Wochenblatts „Die Furche“ vom 1. Dezember 1945 zu lesen. In der Ausgabe Nr. 1. Wer das geschrieben hat? Es wird wohl keine allzu falsche Annahme sein, daß es der Furchengründer selbst gewesen sein könnte
Politische, ökonomische, soziale Krisen: ein Zustand, der noch schlimmer ist als der Krieg
Weltliche Weisheit hat ihr Können in höchsten Anstrengungen erschöpft
Zu den Urnen – dieses Dreimillionenheer
Mit anderer demokratischer Würde hat sich die große Sozialistische Partei zu den gegebenen Tatsachen gestellt. Das in Mandaten ausgedrückte Stärkeverhältnis im neugewählten Nationalrat ähnelt jenem, das Dollfuß beim Antritt seiner Kanzlerschaft vorfand. Damals versagte jeder Versuch eines Brückenschlages von einem Ufer zum anderen
Es wird keine allzu falsche Annahme sein, wer das Horn blies, wer solch ein Geläute hören ließ, das noch bis zum Heute herauf Menschen dazu verleitet zu meinen und gar zu schreiben, läuten und läutern ist ein und dasselbe, ein läutender Mensch ein geläuterter —

In der Mitte dieser ersten Seite des Bekenntnisses, daß ein Zustand ohne Krieg noch viel schlimmer sei als ein Krieg, in der Mitte dieser ersten Seite der Reinwaschung des eigenen Parteikeikameraden, dem jeder Versuch eines Brückenschlages versagt worden sei, in der Mitte dieser ersten Seite der Schuldzuschreibung, wer dem eigenen Parteikameraden jeden Versuch des Brückenschlages versagte, die Schuldzuschreibung an eine Partei, die sich nicht mit anderer Würde zu den gegebenen Tatsachen gestellt habe, in die Mitte dieser ersten Furchenseite vom 1. Dezember 1945 ist das Gedicht „Saatbereites Ackerland“ gesetzt, von einem Priester namens Rochus Kohlbach —
Was allein für Gedichte ausgewählt wurden,
für die erste Ausgabe im ersten Dezember nach den Massenmorden, Massenverbrechen

Bekenntnisbuch österreichischer Dichter. (Herausgegeben vom Bund deutscher Schriftsteller Oesterreichs; Krystall-Verlag, Wien 1938.)
Ein Geleitwort in gehobener Sprache erzählt, wie und warum es zum Zusammenschluß der nationalen Dichter Oesterreichs im Dezember 1936 gekommen war. „In der Zeit unerträglichster Verfolgungen und Verfemungen des deutschen Menschen ihres Heimatlandes.“ Sie wollten Herolde höchster und heiligster deutscher Ideale sein, und das war damals Grund genug, ihnen keinen Platz zu geben, von dem aus sie sprechen hätten können. Das Blatt Papier, ob in der Zeitung, der Zeitschrift oder im Buch, wurde ihnen irgendwie gern verwehrt. Ja, noch mehr! Es ging tückisch von Mund zu Mund in den einflußreichen Kreisen, daß der und jener Mitglied des nationalen Dichterbundes sei. Also, daß man ihn und sie alle, die Aufrechten, die für die Einigung des deutschen Volkes eintraten, zurückdränge. Und wenn auch dabei die Existenz des einzelnen zugrunde ging. Das war Verfolgung! Verfolgung des deutschen Dichters im eigenen deutschen Land! Und deshalb hat dieses „Bekenntnisbuch“ zweifachen Wert. Es stellt nicht nur die Leute vor, die sich dasmals zusammengefunden wie eine Schar letzter Kämpfer, es zeigt vor allem ihre Gedanken auf. Das Bekenntnisbuch wurde nun kürzlich bei einem Festabend im Rathaus an 2000 Gäste verschenkt. Mit dem ungesprochenen Wort: „So, hier ist der Geist der Verfemten!“ – Blättert man das Buch durch, so findet man das ganze Leben umschlossen; das Werden und Sinnen des deutschen Volkes. Von seiner stolzen Vergangenheit angefangen („Andreas Hofer und Major Schill“ oder „Deutsches Schicksal, deutsche Größe“, über seinen urewigen Quell („Meine deutsche Mutter“) und Segen des Kampfes („Wir wollen entbehren, entsagen; wir wollen kein frommes Behagen“ oder „Ein Schelm, der Gold sucht, anstatt Brot“) und den der Kunst („Ein deutsches Requiem“) bis zu den Jubelliedern über den Zusammenschluß der beiden deutschen Lande! 71 Autoren sind in diesem Buch vereinigt, fast eine Hundertschaft. Was sie wollten, damals, heute und immer, und weswegen sie verfolgt worden waren, damals, heute und immer — wenn die Kraft und Zähigkeit deutschen Geistes nicht gesiegt hätten —, läßt sich in einem Vers, der hier aus dem Buch entnommen ist, zusammenfassen […] A. Anders
„Neues Wiener Tagblatt“, 26. Juni 1938.
Für „Neues Wiener Tagblatt“ schrieb auch ein Mann, von dem bereits erzählt wurde, dem Wochenblatt wie Tagblatt war, oder dem Wochenblatt,
oder und dem Wochenblatt war es genauso Jacke wie Hose —
Alle diese Gedichte allein aus den vier Ausgaben des Wintermonates Dezember 1945 von der herausragenden Qualität eines Liedes, das Rudolf Henz vor 1936 dichtete, und weil Rudolf Henz ein Lyriker von Weltrang, darf auch er nicht mit einem Gedicht im Dezember 1945 fehlen, und weil Rudolf Henz ein Schriftsteller von Weltrang, muß darüber hinaus auch von Beginn an ein Roman von ihm in den Ausgaben der Dezemberfurche veröffentlicht sein.

Was für Namen, heute so geläufig wie damals – Wolfgang Schmeltzl, Paul Rainer, Alexander Lernet-Holenia, Viktor Buchgraber, Lois Schifferl, Albert Mitringer, Carl Emmerich Gasser, Margarete Bobies, Theo Kiß, Paul Graf Thun-Hohenstein, und wie prägend müssen manche von ihnen für so manche Dichtende gewesen sein, wird etwa an Mitringer mit seinem „Reitpferd“ gedacht,
und recht manche werden beim Namen Hölderlin ihren Bildungsbürgerinnengesinnungsgeschmack bestätigt —
Stellvertretend für die Qualität und dem Setzen auf eine neue Zeit, die vergessen machen läßt, was war, von all diesen Gedichten sollen die Strophen von Henz zitiert sein.
Kurt Schuschnigg, der in Rudolf Henz seinen lyrischen Horst Wessel erkannte, regte ihn dazu an. Und Alois Dostal vertonte die henzischen Verse, „nachdem er eine Nacht hindurch Giovinezzaplatten laufen ließ.“
Ihr Jungen, schließt die Reihen gut,
Ein Toter führt uns an.
Er gab für Österreich sein Blut,
Ein wahrer deutscher Mann.
Die Mörderkugel, die ihn traf,
Die riß das Volk aus Zank und Schlaf.
Wir Jungen stehn bereit
Mit Dollfuß in die neue Zeit!
Für Österreich zu kämpfen lohnt,
daß es gesichert sei,
vor jedem Feind, wo er auch thront,
und vor der Verräterei.
Gewalt und Lüge schreckt uns nicht,
Wir kennen nur die frohe Pflicht.
Wir Jungen stehn bereit!
Mit Dollfuß in die neue Zeit!
Zerschlagt was uns noch hemmen mag
und nach dem Gestern weist.
Die neue Zeit steigt in den Tag
und will den neuen Geist.
Christlich, deutsch, gerecht und frei
von Klassenhaß und Tyrannei.
Wir Jungen stehn bereit!
Mit Dollfuß in die neue Zeit!
O Österreich, o Vaterland,
zu großem Sein verjüngt.
Wir hüten dich mit deutscher Hand,
daß dir dein Bau gelingt.
Zum Weiser einer alten Welt
bist du von Gott vorangestellt.
Die Front steht schon bereit.
Mit Dollfuß in die neue Zeit.
Die Front steht schon bereit.
Mit Dollfuß in die neue Zeit.
In die neue Zeit.

Es heißt das „Lied der Jugend“ und auch, wie es im Erlaß des Bundesministerums steht, das unmittelbar im Anschluß an die Bundeshymne zu singen, zu spielen ist,
Das daraufhin von Rudolf Henz (Text) und A. Dostal (Melodie) geschaffene Lied sollte zu einer Art zweiten Bundeshymne werden. Im November 1936 verfügte das Bundesministerium für Landesverteidigung, dass das D.-L. von den Militärmusiken im Anschluss an die Bundeshymne zu spielen ist. In Anlehnung daran sollte es bei allen Veranstaltungen auf die Bundeshymne gespielt werden.
Österreichisches Musiklexikon online, November 2022.
Verordnungsblatt des Stadtschulrates für Wien, 15. Dezember 1936
Nr. 200. „Lied der Jugend“ (Dollfuß-Lied): Spiel im Anschluß an Bundeshymne. Das Bundesministerium für Handen und Verkehr hat zufolge Erlasses vom 10. November 1936 verfügt, daß bei allen Anlässen, insbesondere bei weltlichen Schulfeiern, bei denen die Bundeshymne gespielt oder gesungen wird, unmittelbar anschließend an diese Hymne auch stets das „Lied der Jugend“ (Dollfuß-Lied) Zu spielen oder zu singen ist. Die Direktionen (Leitungen) werden daher angewiesen, für die einwandfreie Erlernung sowohl der Bundeshymne als auch des Liedes der Jugend Sorge zu tragen.
ohne Anführungszeichen: Dollfuß-Lied
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